Flüchtlingsunterkunft in FrielingsdorfLange Strafen im Totschlagsprozess von Lindlar

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Gefesselt und bewacht von vermummten Justizbeamten wird einer der beiden Angeklagten in den Sitzungssaal des Kölner Landgerichts gebracht.

Gefesselt und bewacht von vermummten Justizbeamten wird einer der beiden Angeklagten in den Sitzungssaal des Kölner Landgerichts gebracht.

Lindlar/Köln – Vor der Urteilsverkündung im Prozess wegen versuchten Totschlags in einer Flüchtlingsunterkunft in Frielingsdorf lieferte sich einer der Angeklagten einen erbitterten Kampf mit den Sicherheitsbeamten im Gerichtssaal. Der 35-Jährige hatte schon vorher verkündet, dass er den Richter nicht akzeptiere und an der Verhandlung nicht teilnehmen werde.

Richter kritisiert Verwaltung in Lindlar

An Händen und Füßen gefesselt, war er von mehreren Beamten in den zweiten Stock getragen worden, doch auch im Saal konnte er nur mit Mühe am Boden halbwegs gehalten werden. Neben ihm stand noch ein 27 Jahre alter Mitangeklagter vor Gericht.

Wegen gemeinschaftlichem versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung wurde der 27-Jährige zu sechseinhalb Jahren und der 35-Jährige zu acht Jahren Haft verurteilt.

Monatelang hatten die Angeklagten die Menschen in Lindlar terrorisiert, die anderen Anklagen wurden aber in Hinblick auf das Urteil fallengelassen. Der Vorsitzende Richter Dr. Jörg Michael Bern fand deutliche Worte: „Noch ist Deutschland ein Rechtsstaat. So kann es hier nicht weitergehen.“ Die Angeklagten seien illegal über mehrere sichere Drittstaaten unter falschen Identitäten in Deutschland eingereist. In Oberberg hätten sie „rührende Hilfe und Verständnis“ gefunden, zum einen durch das Ordnungsamt, zum anderen auch durch einen Verein, der zur Flüchtlingshilfe gegründet worden sei. All das hätten die Männer „mit Füßen getreten“.

Das Opfer, ebenfalls ein Flüchtling, sei ungeheuer brutal mit Feuerlöscher, Faustschlägen und Tritten gegen den Kopf traktiert worden, selbst als es wehr- oder bewusstlos am Boden lag. Dabei hätten die Angeklagten einen „selten anzutreffenden Vernichtungswillen“ an den Tag gelegt. Das Opfer, welches auf der Intensivstation landete, habe mit Glück überlebt und hätte beinahe sein Augenlicht verloren. Der Hintergrund der Tat habe nicht aufgeklärt werden können, wahrscheinlich sei es aber um Drogengeschäfte gegangen. Die Angeklagten hätten angegeben, dass ihre Rechte in ihren Herkunftsländern nicht geachtet werden würden. Sie selbst würden aber die Rechtsordnung in Deutschland in keiner Weise respektieren. Beziehungsweise nur dann, wenn sie ihnen von Nutzen sei, zum Beispiel um Sozialhilfe zu erhalten. „Diese Tat erfordert eine deutliche Antwort des Staates“, so der Richter. Kritik übte er allerdings auch an den Behörden in Lindlar. Zum einen habe sich vor Gericht gezeigt, dass die beiden eingesetzten Sicherheitsmänner in der Unterkunft vielleicht eine befremdliche Wahl seien, zum anderen kritisierte der Richter die Sonderstellung, die dem 35-Jährigen eingeräumt worden sei.

„Wer sich besonders renitent verhält, bekommt ein Einzelzimmer. Die anderen müssen gemeinsam in der Halle schlafen“, so der Richter in der Urteilsbegründung.

Mit dem Urteil folgte das Gericht den Forderungen der Staatsanwältin, die lediglich für den 35-Jährigen noch sechs Monate mehr gefordert hatte. Beide Verteidiger hatten für ihre Mandanten Freisprüche beantragt.

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