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Älteste Motorfabrik der WeltDeutz feiert in Köln ein ganz besonderes Jubiläum

Lesezeit 5 Minuten
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Die Motorenfertigung im Jahre 1925 bei Deutz mutet bereits durchaus modern an. 

Köln – Der zehnmillionste Motor, den Deutz hergestellt hat, ist auch das neueste Produkt der Kölner Firma: ein Wasserstoffmotor mit einem Hubraum von 7,8 Litern, der demnächst bei der Rheinenergie Strom erzeugen wird. Deutz-Chef Frank Hiller würdigte bei einer wegen der Corona-Pandemie kleinen Feier die Leistung des Firmengründers Nicolaus August Otto. Der habe die Welt dauerhaft in Bewegung gesetzt und die „einzigartige Erfolgsgeschichte des Unternehmen angeschoben“. Schließlich sei Deutz die älteste Motorenfabrik der Welt.

Spektakuläre Erfindung: Die Geburt des Ottomotors

Der Kaufmann und Handlungsreisende Otto wusste allzu gut, wie unbequem und zeitraubend Reisen in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch waren. Zusammen mit seiner Technikbegeisterung bot das den Nährboden zu einer spektakulären Erfindung. Der Motor mit den vier Takten ansaugen, verdichten, verbrennen und ausschieben trägt noch heute seinen Namen: Ottomotor.

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1875 wird die atmosphärische Gaskraftmaschine, der erste Motor des Unternehmens montiert.

Der Leuchtgas-Verbrennungsmotor des Franzosen Etienne Lenoir hatte Ottos Interesse geweckt. In diesen Zweitakter wird Gas eingelassen und unverdichtet gezündete. Im zweiten Takt wird das verbannte Gasgemisch ausgestoßen. Dieser Motor, von dem sich Otto ein Model bauen ließ, sah aus wie eine Dampfmaschine. Die Verbrennung eines Gemischs aus Leuchtgas und Luft treibt einen Kolben und dieser über eine Welle wiederum ein Schwungrad. Es war ein stationärer Motor, der an die Gasversorgung angeschlossen wurde.

Otto beschreitet einen neuen Weg

Otto experimentierte, sieht welche Auswirkungen ein verdichtetes Gas-Luft-Gemisch hat, und startete Versuche mit einem Viertaktmotor eigener Konstruktion. Dabei will es ihm aber zunächst nicht gelingen, die heftigen Zündungen in seinem Motor zu kontrollieren. Die zerlegen den Motor nach kurzer Laufzeit in Trümmer.

Otto beschritt einen neuen Weg, baute und testete 1863 seine erste „atmosphärische Gaskraftmaschine„ beziehungsweise einen Flugkolbenmotor. Hier treibt eine Zahnstange und keine Kurbelwelle ein Schwungrad. Leuchtgas wird von unten in den stehenden Zylinder eingeleitet und gezündet. Dadurch fliegt der Kolben – bei entkoppelter Zahnstange – nach oben. Beim Sinken des Kolbens wegen des höheren Drucks der umgebenden Luft (Atmosphäre) und auch des Gewichts des Kolbens wird der Freilauf beendet und die Zahnstange treibt das Schwungrad. Das vermeidet das Wirken starker Kräfte auf den Antriebsmechanismus.

Genial – aber Otto geht das Geld aus. Er steht vor der Pleite. Die Rettung kommt durch Eugen Langen, ein Ingenieur aus der Zuckerindustrie, der in die Idee investiert und auch unternehmerische Erfahrung beisteuert. Am 31. März 1864 gründen Otto und Langen die Firma „N.A. Otto + Cie.“ – die Keimzelle der heutigen Deutz AG.

Viertakter-Prinzip durch Patent geschützt

Auch Ottos Motor, der 1867 auf der Weltausstellung in Paris präsentiert wird, war eine stationäre Maschine. Er verbrauchte aber nur rund ein Drittel des Kraftstoffs des Lenoir-Motors. 5000 dieser Flugkolbenmotoren wurden von Otto und Langen oder Lizenznehmern gebaut bis der Viertakter präsentiert wurde.

Motor

Der Ur-Ahn des Wasserstoffmotors von Deutz

1877 wird das Viertakter-Prinzip durch Patent geschützt. Noch im selben Jahr startet in der 1872 gegründeten „Gasmotoren-Fabrik Deutz AG“ die serienmäßige Produktion. Technischer Direktor der Gesellschaft ist Gottlieb Daimler, Leiter der Motorenkonstruktion Wilhelm Maybach. Auch dieser Motor ist noch stationär. Die Triebwerke brauchen eine Zündflamme, bis Nicolaus August Otto 1884 seine elektrische Niederspannungs-Magnetzündung präsentiert. 1891 stirbt er im Alter von 59 Jahren.

Anfang des 20. Jahrhunderts tanzt Deutz auf vielen Hochzeiten. Eine eigene Schlepper-Fertigung startet, die zeitweise der wichtigste Teil des Unternehmens ist. Deutz nimmt die Fertigung von Automobilen und Lokomotiven auf. Durch die Übernahme von Magirus wird Deutz einer der größten Hersteller von Nutzfahrzeugen in Deutschland. Zwischenzeitlich ist die Firma eine Industrie-Ikone. Aus der Gasmotoren-Fabrik Deutz wird Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) und schließlich 1997 die Deutz AG.

Chronologie und aktuelle Lage

Deutz AG

Im laufenden Jahr erwartet Deutz einen Umsatz zwischen 1,6 und 1,7 Milliarden Euro. Verkauft werden sollen zwischen 155 000 und 170 000 Motoren, die in Land- und Baumaschinen oder Gabelstaplern sowie in Nutzfahrzeugen eingebaut werden oder Strom erzeugen.

In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres hat Deutz mit rund 5000 Mitarbeitenden 145 359 Motoren verkauft, darunter 29 086 elektrische Bootsantriebe der Tochter Torqeedo. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26,4 Prozent auf 1,17 Milliarden Euro. Davon wurden knapp 300 Millionen im Servicegeschäft erzielt. Das operative Ergebnis (Ebit) erreichte 27,8 Millionen nach minus 103,4 Millionen im Vorjahreszeitraum. Das Konzernergebnisses kletterte von minus 104,5 auf 23,7 Millionen. (raz)

Chronologie

1864

Nicolaus August Otto gründet am 31. März 1864 zusammen mit Eugen Langen die Fabrik „N.A. Otto + Cie.“. Die Motorenfertigung beginnt in der Servasgasse in der Kölner Altstadt.

1876

Am 9. Mai vollendet Otto in Köln seinen für alle Kraftstoff- und Verwendungsarten einsetzbaren Viertaktmotor.

1869

Der Firmensitz mit neuen Fabrikhallen wird von Köln über den Rhein in die damals noch selbstständige Stadt Deutz verlegt.

1907

Serienmäßige Dieselmotorenproduktion beginnt, nachdem Deutz diese Triebwerke einige Jahre in Lizenz gefertigt hatte und Patente ausgelaufen waren.

1926

Der erste Diesel-Schlepper von Deutz geht in Serie.

1936

Deutz übernimmt Magirus und tritt in den schnell wachsenden Markt für Nutzfahrzeuge ein.

1944

Die serienmäßige Fertigung des luftgekühlten Dieselmotors beginnt.

1949

Wiederaufnahme der Diesel-Fertigung. Ein Jahr später hat Deutz 13 000 Mitarbeitende.

1969

Kauf des Anlagenbauers Wedag

1975

Magirus Deutz wird in Iveco eingegliedert. Deutz erhält einen Anteil am Nutzfahrzeugkonzern.

1996

Deutz kurz vor der Pleite wegen unvorteilhafter Geschäfte und hoher Garantiezahlungen für Zementwerke in Saudi Arabien.

1998

Zusammenarbeit mit Volvo. Deutz liefert ab 2002 Motoren etwa für Baumaschinen. Volvo beteiligt sich mit zehn Prozent an Deutz.

2003

Same steigt bei Deutz ein und steigert den Anteil auf bis zu 40 Prozent im Jahre 2006.

2007

Deutz verlegt den Stammsitz von Köln-Mülheim zum größten Produktionsstandort nach Porz.

2017

Deutz übernimmt den Elektromotorbauer Torqeedo. (raz)

Nach einem Ausflug in den Anlagenbau, der fast in die Pleite geführt hätte, konzentriert sich das Unternehmen wieder auf Motorenbau und kommt so zurück zu den Wurzeln. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reke r betonte in einer Grußbotschaft, die Autogeschichte Kölns sei aufs engste mit Deutz verbunden. Deutz sei traditionsreich und fortschrittlich.

„Nicolaus August Otto verwirklichte Träume“, sagte die neue nordrhein-westfälische Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU). Er habe individuelle Mobilität ermöglicht, die Freiheit bedeute. Für sie zeigt der neue Wasserstoffmotor auch, dass sich die Autoindustrie schon oft neu erfunden habe, und sie sei sicher, dass die auch die Verbrennungsmotoren noch verbessern könne. Verbrennungsmotoren jedenfalls sollten nicht abgeschrieben werden. Brandes trat für Technologieoffenheit ein und dafür, das Klima gemeinsam mit der Industrie zu schützen.