Vor allem das enorme Beschleunigungsvermögen überrascht manch einen Fahrer eines leistungsstarken E-Autos. Das hat eine Analyse der Axa-Versicherung ergeben, die auch neue Unfallbilder registriert. Die dabei an den Autos entstehenden Schäden sind erheblich.
Analyse von AxaMehr Kollisionen durch starke E-Autos verzeichnet

Ein E-Auto unterwegs auf einer winterlichen Fahrbahn.
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Elektroautos haben in Deutschland mit einem hohen Zuwachs bei den Neuzulassungen einen Siegeszug erlebt. 167.503 reine Stromer wurden allein im ersten Halbjahr neu zugelassen (siehe Kasten). Das hat die Axa-Versicherung, die ihr Deutschlandgeschäft von Köln aus steuert, veranlasst, bei Crashtests E-Autos unter die Lupe zu nehmen. Versicherer und ihre Kundinnen und Kunden müssten schließlich neue Risiken beherrschen, so Nils Reich, Vorstand Sachversicherung der Axa Deutschland.
<i>Es kann zu einer ungewollten, ruckartigen Beschleunigung kommen. </i>
E-Autos verursachten zwar insgesamt nicht mehr Unfälle, so das Ergebnis der Studie. Und die Unfälle könnten oftmals zu teureren Einzelschäden führen. Eine neue Gefahrenquelle bei leistungsstaken E-Autos stelle die starke Beschleunigung dar. E-Autos haben ein hohes Drehmoment, welches sich beim Antippen des Gaspedals unmittelbar bemerkbar macht.
„Es kann daher zu einer ungewollten, ruckartigen Beschleunigung kommen, welche der Fahrer oder die Fahrerin nicht mehr kontrollieren kann“, erklärt Michael Pfäffli, Leiter der Unfallforschung Axa Schweiz.
Dieser sogenannte Overtapping-Effekt dürfte auch die Ursache für die erhöhte Schadenfrequenz bei leistungsstarken Elektroautos sein. Denn ein Blick in die Unfallstatistik der Axa Schweiz zeigt, dass Fahrerinne und Fahrer von Elektroautos 50 Prozent mehr Kollisionen mit Schäden am eigenen Fahrzeug verursachen als jene von herkömmlichen Verbrennern.
Der Unterboden ist die Achillesferse
Crash-Test haben laut Axa auch eine Achillesferse der E-Autos gezeigt: Unterbodenbeschädigungen. Die können beim Überfahren von Straßeninseln, Steinen oder Kreiseln auftreten. Die Antriebsbatterie ist zwar durch zusätzliche Versteifungen der Karosserie vorne, hinten und seitlich sehr gut geschützt, nicht aber am Unterboden, so der Versicherer.
„Die Hersteller sind aufgerufen, die Gefahr von unten nicht zu unterschätzen und einen adäquaten Schutz sicherzustellen, beispielsweise indem der Unterboden mit einer Titanplatte oder ähnlichen Materialien mit hoher Widerstandsfähigkeit versehen wird“, empfehlen die Unfallforsches der Axa. Wird nämlich die Batterie beschädigt, könnte ein Brand die Folge sein.
Es fehlt an Löschcontainern
Wenn nur die Gefahr bestehe, dass sich der Akku entzünden könnte, wird das Fahrzeug über Tage hinweg im Löschcontainer verwahrt, so Reich. Viele derartiger Löschcontainer gebe es aber gar nicht, so dass diese Autos teilweise auf abgesperrten Parkplätzen aufbewahrt werden müssten, so Reich weiter. Allerdings sei das Brandrisiko bei Autos, unabhängig davon, ob sie benzin- oder strombetrieben sind, ist sehr gering und werde in der öffentlichen Wahrnehmung stark überschätzt. Nur 5 von 10.000 Autos fallen statistisch gesehen einem Brand zum Opfer, ein Marderschaden kommt 38-mal häufiger vor als ein Autobrand.
Elektroautos haben nicht nur ein anderes Beschleunigungsverhalten, sie sind wegen der Batterien und Versteifungen der Karosserie auch deutlich schwerer als Autos Verbrennungsmotor. Die Axa-Unfallforscher gehen davon aus, dass das durchschnittliche Gewicht eines Neufahrzeuges aufgrund des Batteriebetriebes in wenigen Jahren bei zwei Tonnen liegen wird.
Nachteil für Verbrenner bei Unfällen
Das hat Folgen bei Unfällen: .Die Unfallforscher haben einen Golf VII mit Verbrennungsmotor und ein typengleiches Modell mit Elektroantrieb frontal mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometer aufeinander prallen lassen. Dabei ist der 1250 Kilogramm schwere Verbrenner-Golf deutlich höheren Belastung ausgesetzt und erleidet einen sichtbar größeren Blechschaden als sein elektrisches Pendant, das 400 Kilogramm schwerer ist.
Mit Blick auf Personenschäden zeigt sich laut den Axa-Forschern allerdings, dass die wirkungsvollen Sicherheitssysteme von modernen Fahrzeugen die Effekte der Massendifferenz in den meisten Fällen kompensieren können. Beim Crash blieben beide Fahrgastzellen intakt, die Insassen beider Fahrzeuge sind somit gut geschützt und müssen normalerweise mit keinen Verletzungen rechnen. Problematisch für die Insassen wird es jedoch bei älteren Modellen, wo diese Sicherheitssysteme gänzlich fehlen.
Der Siegeszug der E-Autos
Während in Europa im ersten Halbjahr die Verkäufe für Benzin und Diesel-Pkw um 22,1 beziehungsweise 32,1 Prozent zurückgingen, stiegen die Neuzulassungen für reine Elektrofahrzeuge (BEV) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31,6 Prozent an. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr in Europa 647.479 Elektro-Pkw abgesetzt. Das entspreche 11,6 Prozent der Neuzulassungen, so der Auto-Experte Stefan Bratzel. Plug-in Hybridfahrzeuge zeigen dagegen in der ersten Jahreshälfte mit 472.722 (-12%) Neuzulassungen einen stark rückläufigen Trend.
Der größte europäische BEV-Markt in der ersten Jahreshälfte bleibt Deutschland mit 167.503 neuzugelassen Pkw (+12,5%), gefolgt von UK mit 115.249 (+56%), Frankreich mit 93.344 (28,7%) und Norwegen mit 54.177 (12,7%) Elektro-Pkw. In Deutschland liegt die BEV-Quote nunmehr bei 13,5 Prozent, in der UK bei 14,4 Prozent, in Frankreich bei 12,1 Prozent, und in Norwegen machen reine Elektrofahrzeuge bereits 79,1 Prozent der Neuzulassungen aus. (raz)