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Aufstand in den NiederlandenWoher die aktuelle Wut der Bauern kommt

Lesezeit 3 Minuten

Eine von vielen Aktionen: Bauern blockieren das Vertriebszentrum eines Supermarkts.

Den Haag – Aus Protest gegen strenge Umweltauflagen sind die Bauern in den Niederlanden seit mehr als zwei Wochen im Aufstand. Mit Treckern versperren sie Autobahnen, sie verbrennen Heuballen an den Straßen, blockieren Großlager von Supermarktketten. Inzwischen gibt es bei den Protesten fast täglich Zusammenstöße mit der Polizei – zuletzt in der Nacht zu Donnerstag, als bei Den Haag 19 Demonstranten vorübergehend festgenommen wurden.

Worum geht es eigentlich bei den Protesten?

Seit Jahrzehnten überschreiten die Niederlande die europäischen Normen für Stickstoff-Ausstoß. Dadurch werden auch Naturgebiete beschädigt. Nachdem alle Pläne zur Reduzierung nichts brachten, zog 2019 das höchste Gericht die Notbremse und verfügte: Das Land muss sich an die Normen halten.

Gesprächsangebot

Die Regierung in Den Haag hat die Verbände der niederländischen Bauern zu Gesprächen aufgerufen. Sie sollten das Angebot annehmen, forderte die Umweltministerin Christianne van der Wal am Donnerstag. Der größte Interessensverband LTO aber lehnt Gespräche mit dem von der Regierung eingesetzten Vermittler ab. Auch andere Organisationen hatten zuvor das Angebot abgewiesen.

Um den Konflikt zu lösen, hat die Regierung den Ex-Minister Johan Remkes als Vermittler berufen. Doch die Bauern lehnen ihn ab, da er selbst mit für die Stickstoff-Politik verantwortlich sei. (dpa)

Im Frühjahr legte die Regierung einen entsprechenden Plan vor. Danach soll bis 2030 der Stickstoff-Ausstoß landesweit im Schnitt um 50 Prozent reduziert werden, bei Naturgebieten sogar um mehr als 70 Prozent.

Was bedeuten die Pläne für die Bauern?

Nach Ansicht der Regierung ist eine drastische Reduzierung des Viehbestandes in den Niederlanden unausweichlich, um die Vorgaben zu erfüllen. Das könnte nach Schätzungen zum Aus für etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe führen.

Was macht Stickstoff für die Umwelt so schädlich?

Stickstoff ist nur in einer chemischen Verbindung schädlich für die Umwelt. Stickstoffoxide werden durch Industrie und Verkehr freigesetzt. Eine andere Verbindung ist Ammoniak – das entsteht durch Mist und kommt etwa als Dünger auf die Felder.

Wieso treffen die Auflagen gerade die Bauern?

Etwa 40 Prozent der Schadstoffe kommt von Viehbetrieben, etwa 40 Prozent aus dem Ausland, der Rest von Industrie und Verkehr. Gegen ausländische Emissionen kann man nicht viel tun, für den Verkehr gibt es bereits Auflagen. So wurde die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 Stundenkilometer gesenkt. Zudem sind Auflagen für Industrie, Bau, Flug- und Schiffsverkehr geplant. Untersuchungen ergaben aber, dass die Reduzierung von intensiver Viehzucht am meisten Auswirkungen hätte.

Warum ist das Problem größer als in Deutschland?

Das liegt an der intensiven Landwirtschaft. In den Niederlanden wird deutlich mehr Vieh pro Quadratkilometer gehalten – und besonders in der Nähe von Naturschutzgebieten. Das Land ist einer der weltweit größten Exporteure von Agrarprodukten. Es gibt rund 53000 landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 2021 sind für rund 105 Milliarden Euro landwirtschaftliche Güter exportiert worden.

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Worüber empören sich die Landwirte genau?

Die Bauern fühlen sich verraten. Sie argumentieren, dass sie sich immer an alle Regeln gehalten und nachhaltige Investitionen getätigt hätten. Sie bezweifeln auch die Schadstoff-Messungen und vermissen eine Perspektive. Konkret fordern sie mehr Zeit für die Umstellung der Betriebe. Und sie setzen vor allem auf technische Innovationen. (dpa)