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Volle Felder, leere MärkteWarum Bauern eine Rekordernte einfahren – aber Tonnen an Kartoffeln vernichten

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Brockhöfe: Ein Landwirt erntet mit einem Roder Kartoffeln auf einem Feld (Aufnahme mit einer Drohne).

Brockhöfe: Ein Landwirt erntet mit einem Roder Kartoffeln auf einem Feld (Aufnahme mit einer Drohne).

13,4 Millionen Tonnen sollen 2025 geerntet werden – so viel wie seit 25 Jahren nicht mehr. Für Verbraucher eine gute Nachricht: Die Preise fallen drastisch.

Speisekartoffeln in der Biogasanlage? Was nach unerhörter Lebensmittelverschwendung klingt, ist aktuell keine Seltenheit. Hunderte Tonnen der tollen Knolle werden in diesen Tagen vernichtet, weil es schlicht zu viele Kartoffeln gibt. Der Grund: 2025 wird in Deutschland eine Rekordernte eingefahren.

13,4 Millionen Tonnen Kartoffeln dürften hiesige Landwirte laut Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMELH) aus dem Boden holen – zwei Millionen Tonnen mehr als im Durchschnitt und so viel wie seit 25 Jahren nicht mehr. „Wir haben eine massive Marktüberversorgung“, sagt der Deutsche Bauernverband.

Größere Anbauflächen verantworten Überangebot

Dabei war 2025, was die Erträge pro Hektar angeht, nicht außergewöhnlich. Durchschnittlich 400 Doppelzentner (1 Doppelzentner = 100 Kilogramm) wurden geerntet. Doch die Anbaufläche war deutlich größer. Im vergangenen Jahr wurde deutschlandweit auf rund 260.000 Hektar Kartoffeln angebaut. Dieses Jahr waren es knapp 300.000 Hektar, sagt Mark Mitschke vom Kartoffelberatungsdienst Heilbronn im Gespräch mit dieser Redaktion.

Expansion beim Kartoffelanbau

Die Gründe für die Expansion sind Mitschke zufolge die Erwartung hoher Wachstumsraten im Industriekartoffelsegment. Dazu zählen Kartoffelchips, Pommes Frites, Kloßteig und Stärke. Ein weiterer Grund sind die hohen Preise der Vorjahre. Etliche Landwirte sind dieses Jahr sogar erstmals in den Kartoffelanbau eingestiegen.

„Doch diese Erwartung ist im Frühjahr dieses Jahres in sich zusammengebrochen“, sagt der Berater – unter anderem wegen der Zollpolitik der Vereinigten Staaten und eines rückläufigen Kaufverhaltens der Verbraucher. Doch da war es für ein Gegensteuern im Anbauverhalten schon zu spät. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in den wichtigsten Kartoffelländern Nordwesteuropas.

Preise im freien Fall

Mit dem gewaltigen Überangebot sind die Preise für das wichtige Grundnahrungsmittel im freien Fall. Für Speisekartoffeln liegen die Notierungen aktuell bei rund 12,50 Euro je Doppelzentner, heißt es bei der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) auf Nachfrage. Wobei die Preise, abhängig von Region, Sorte und Qualität, deutlich variieren. In Überschussgebieten wie Niedersachsen, dem Hauptanbaugebiet für Kartoffeln in Deutschland, liegen sie bei rund elf Euro je Doppelzentner, im Südwesten bei knapp unter 16 Euro. Vor Jahresfrist wurden bis zu 50 Prozent mehr gezahlt.

Schlechte Aussichten für Industriekartoffeln

Noch schwieriger ist die Lage bei Industriekartoffeln, etwa für Pommes Frites. „Frittenrohstoff wird nur aus dem Vertragsanbau von den Verarbeitern aufgenommen. Wer vertragsfrei angebaut hat, sucht nach Verwertungsmöglichkeiten“, sagt Christoph Hambloch, Marktanalyst für Kartoffeln bei der AMI.

Landwirte berichten von sechs bis sieben Cent pro Kilo, die sie aktuell für nicht vertragsgebundene Ware bekommen – wenn überhaupt. Obendrein ließen sich nur beste Qualitäten absetzen. Auch hier ist kurzfristig nicht mit einer spürbaren Verbesserung der Marktlage zu rechnen. Denn die Verarbeiter haben sich eingedeckt, ihre Lager sind voll.

Alternative Verwertungsmöglichkeiten

Die Unternehmen würden erst wieder kaufen, so ein Sprecher des Bundesverbandes der Obst-, Gemüse- und Kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK), „wenn sie für ihre Produkte neue Abnehmer finden“. Somit fließt ein Teil der Ware in alternative Verwertungsmöglichkeiten. „Die Verwertung in Biogasanlagen ist nicht unser Wunsch, aber manchmal die einzige wirtschaftliche Notmaßnahme“, sagt Stefanie Sabet, Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbands.

Energetische Verwertung von Kartoffeln

Ähnlich sieht es das Bundeslandwirtschaftsministerium: „So war es auch in der Vergangenheit nicht unüblich, dass Überschüsse an Kartoffeln energetisch genutzt wurden – beispielsweise während der Corona-Pandemie, als die Gastronomie als Abnehmer weggefallen ist“, erklärt ein Sprecher.

Lagerung oft keine Lösung

Gar nicht zu ernten oder die Kartoffeln einzulagern und auf bessere Preise zu hoffen, sind jedoch keine Lösungen: Lagerkosten, die Erwartung von Marktbeobachtern, dass kurzfristig kaum mit einer Belebung der Nachfrage zu rechnen sei, sowie die Virus- oder Pilzkrankheiten, die bei im Boden verbleibenden Kartoffeln auftreten können, sprechen dagegen. Allerdings ist die energetische Verwertung von Kartoffeln ein regional begrenztes Phänomen.

Gute Nachrichten für Verbraucher

Für Verbraucher sind die Kapriolen auf dem Kartoffelmarkt gute Nachrichten. Entgegen dem Trend, wonach Lebensmittel – insbesondere Obst – immer teurer werden, fallen die Preise für das Gemüse. „Im Lebensmitteleinzelhandel kostet das Kilo inzwischen 80 Cent, im Angebot auch schon mal nur die Hälfte“, weiß Mark Mitschke vom Kartoffelberatungsdienst Heilbronn. In Kaufland-Filialen war der Zehnkilosack zuletzt für 2,99 Euro zu erstehen – macht 30 Cent pro Kilogramm. Daran dürfte sich bis Weihnachten nicht viel ändern.