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Interview

Dehoga-NRW-Präsident
Warum Schnitzel und Co. trotz Steuersenkung nicht billiger werden

Lesezeit 4 Minuten
19 Prozent Mehrwertsteuer werden derzeit beim Essengehen fällig – das soll sich ab Anfang 2026 ändern.

19 Prozent Mehrwertsteuer werden derzeit beim Essengehen fällig – das soll sich ab Anfang 2026 ändern. 

Dehoga-NRW-Präsident Patrick Rothkopf spricht im Interview zur Steuersenkung für die Gastronomie und den Folgen des Mindestlohns.

Die Mehrwertsteuer für Gastronomen sinkt, das Arbeitszeitgesetz wird gelockert – für wenige Branchen legt sich die schwarz-rote Bundesregierung so ins Zeug wie für die Gastronomie. Warum dort die Preise fürs Schnitzel aber wohl trotzdem nicht sinken werden, erklärt Patrick Rothkopf, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in NRW. Im Hauptberuf ist er Inhaber eines Hotel-Restaurants in Euskirchen.

Herr Rothkopf, Glückwunsch zur erfolgreichen Lobbyarbeit: Haben Sie das Wahlgeschenk der Regierung, die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent, gefeiert?

Vorab: Das ist kein Wahlgeschenk, sondern bedeutet steuerliche Gleichbehandlung beim Verkauf von Speisen. Ihren Glückwunsch nehme ich trotzdem gerne an. Wir fordern diese steuerliche Fairness seit Jahrzehnten. Als wir in der Corona-Pandemie als erste schließen mussten, haben viele, auch Politiker, zum ersten Mal gemerkt, was fehlt, wenn die Gaststätten zu sind. Sie haben auch die Sorgen der Branche, die es schon vorher gab, endlich wahrgenommen. Dass die zunächst zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer nun dauerhaft gelten soll, kürt tatsächlich unsere erfolgreiche jahrzehntelange Lobbyarbeit. Gefeiert ist vielleicht das falsche Wort. Wir waren und sind sehr erleichtert.

Die Corona-Krise ist längst vorbei, wie lange wollen sich Hoteliers und Wirte noch darauf berufen?

Unsere Umsätze liegen real nach wie vor unter dem Niveau von 2019. 2022, also nach Corona, wollten wir durchstarten, stattdessen gab es neue Krisen, was mittlerweile leider das neue Normal ist. Wie sehr uns steigende Kosten für Personal, Lebensmittel und Energie zu schaffen machen und dass wir das nicht voll auf die Preise draufschlagen können, wird inzwischen anerkannt. Der Politik geht es um die Stärkung unserer Branche, es geht um Existenzsicherung.

Die Steuern sinken, dann werden die Gerichte jetzt sicher auch günstiger?

Da muss jeder Betrieb seine eigene Antwort finden. Die steuerliche Gleichbehandlung in der Gastronomie ist überfällig. Dass am Tisch 19 Prozent und im Außer-Haus-Verkauf sieben Prozent erhoben werden, war schon immer falsch und es macht den inhabergeführten, stationären Restaurants das Leben unfairerweise besonders schwer. Viele Betriebe arbeiten am Rande der Wirtschaftlichkeit. Vor allem die Lebensmittelpreise und die Löhne steigen seit Jahren stärker, als wir unsere Preise anheben können ohne die Gäste zu vergraulen. Deshalb rechne ich nicht damit, dass auf breiter Front die Preise sinken.

Die Regierung hat noch ein Geschenk für Sie: Eine Wochenarbeitszeit soll den Acht-Stunden-Tag ersetzen, so dass etwa bei Hochzeiten auch mal länger gearbeitet werden darf.

Das hatte ich in der jetzigen Konstellation nicht erwartet. Es ist auch kein Geschenk, sondern bildet die Realität in den Betrieben, aber auch die Lebenswirklichkeit unserer Beschäftigten ab. Die haben kein Problem damit, auch mal ein paar Stunden dranzuhängen, wenn sie dafür am nächsten Tag erst mittags kommen oder auch eine Vier-Tage-Woche machen können. Diese Flexibilität hilft unseren Betrieben, den Beschäftigten und auch den Gästen. Und natürlich müssen Extrastunden auch ausgeglichen werden, das geht mit einer Wochenarbeitszeit sehr gut.

Der Mindestlohn steigt indes bis 2027 auf 14,60 Euro. Was bedeutet das für die Gastronomie?

Wir hatten schon in den vergangenen Jahren massive Erhöhungen des Mindestlohns, auf den in NRW in der untersten Tarifstufe dann noch 50 Cent dazukommen. Wenn wir jetzt bei 14,60 Euro zum 1.1.2027 landen, bedeutet das einen Zuwachs von 13,9 Prozent zu jetzt. Und wenn es beim Lohneinstieg mehr wird, wirkt sich das auf das komplette Lohngefüge aus. Dann bleibt auch von der Mehrwertsteuersenkung viel weniger übrig.

Als der Mindestlohn vor zehn Jahren eingeführt wurde, startete er bei 8,50 Euro. Der damals befürchtete Wegfall Hunderttausender Jobs trat nicht ein. Kosten die jetzt größeren Sprünge Arbeitsplätze?

Ich bin kein Schwarzmaler, ich mag keine düsteren Prognosen. Aber es hat bereits viele Insolvenzen im Gastgewerbe gegeben, vielen Betrieben steht nach wie vor das Wasser bis zum Hals. Selbst Gaststätten, die gut laufen, müssen kämpfen, weil ihnen die Kosten davonlaufen. Also ja: Steigen der Mindestlohn und folgend das Lohngefüge insgesamt deutlich an, stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel, weil dann einige Betriebe aufgeben müssen. Zum Glück kommen die 14,60 Euro aber erst 2027. Auch wenn die Umsetzung eine wirkliche Herausforderung sein wird, ist der jetzige Kompromiss der Mindestlohnkommission unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität und der Tarifentwicklung entstanden.

Der neue Agrarminister und Metzger Alois Rainer (CSU) fordert mehr Fleisch in Kindergärten und Schulen. Was halten Sie davon?

Ich kann das genauso wenig verstehen wie seinerzeit die Diskussionen um den Veggie-Day. Ideologie hat beim Essen in Schulen oder Kantinen nichts zu suchen. Unsere Caterer in NRW stehen für eine gesunde, vielfältige Ernährung, sie werden in den Ausschreibungen aber häufig gezwungen, möglichst billig zu kochen. Wir sollten uns darüber unterhalten, was eine gesunde Ernährung ausmacht und wie wir sie finanzieren können.

Würde mehr Fleisch im Schulessen nicht schon an den Kosten scheitern?

Natürlich ist das auch eine Kostenfrage, deshalb haben die Caterer den Fleischanteil in den Gerichten zuletzt tendenziell bereits gesenkt. In den Küchen hat nach meiner Überzeugung weder die Metzger-Lobby etwas verloren noch Klimapolitik und Bio-Quoten.

Interview: Stefan Schulte