Expertin im GesprächWie man am besten über eine Gehaltserhöhung verhandelt

Lesezeit 4 Minuten
Wer mit dem Arbeitgeber über mehr Gehalt verhandelt, sollte sich vorab auch über den richtigen Zeitpunkt Gedanken machen.

Wenn der Arbeitnehmer dem Chef seinen Mehrwert fürs Unternehmen plausibel darlegen kann, ist auch in schwierigen Zeiten eine Gehaltserhöhung rauszuholen.

Wie viel sind Sie dem Arbeitgeber wert? Gespräche über eine Gehaltserhöhung sind auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kein Tabu. Wir geben dafür einige Tipps.

Gehaltsverhandlungen sind ein verzwicktes Thema, erst recht in wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Viele Unternehmen berichten gegenwärtig von ausufernden Kosten, der Schwierigkeit, die Inflation weiterzugeben, weiter gestörten Lieferketten sowie einbrechender Nachfrage.

Arbeitnehmer, die sich in so einem Umfeld dem Jahresgespräch beziehungsweise einer Gehaltsverhandlung nähern, fragen sich womöglich, ob die aktuelle Wirtschaftslage überhaupt Verhandlungsspielraum zulässt. Können sie jetzt mehr Gehalt verlangen? Ja, sagt Verhandlungscoach Claudia Kimich aus München, „schließlich lautet der Deal: Leistung gegen Geld.“ Heißt: Wird gute Leistung erbracht, ist es auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kein Tabu, mit dem Vorgesetzten in Gehaltsverhandlungen zu treten – „sonst tun es die Kollegen, und wenn Sie zu spät kommen, ist der Topf vielleicht leer“, so die Expertin.

In Krisenzeiten gibt es einiges zu beachten

Der Unterschied zu Gehaltsverhandlungen in konjunkturell guten Phasen sei dabei die Vorbereitung. So sei diese in der Krise noch aufwendiger, da Beschäftigte ihren Mehrwert und Nutzen für das Unternehmen noch deutlicher hervorheben und idealerweise auch messbar machen müssten.

„Wenn Sie Ihrem Arbeitgeber handfeste Argumente liefern, wo er durch Sie beispielsweise sparen konnte oder wo Sie für ihn einen neuen Kunden an Land gezogen haben, dürfen Sie hinterher ruhig einen Teil dieser Beute für sich einfordern“, sagt Kimich.

Um den eigenen Mehrwert im Verhandlungsgespräch gut belegen zu können, empfiehlt die Verhandlungsexpertin, regelmäßig schriftlich zu resümieren, was besonders gut gelungen ist. Dies lässt sich etwa anhand einer Liste darstellen, in der Arbeitnehmer ihre Projekte und Tätigkeiten in verschiedenen Spalten unterteilen. In der ersten Spalte sollten Beschäftigte der Expertin zufolge notieren, was der persönliche Anteil an einer Tätigkeit war. Hat man ein Projekt geleitet? Oder war es sogar die eigene Idee? In der zweiten Spalte wird dann der tatsächliche Nutzen für das Unternehmen eingetragen.

Leistung ist wichtig, aber nicht die Dauer der Anwesenheit

Hier sind Daten und Fakten gefragt und nicht etwa die bloße Aufzählung von Überstunden. Denn Achtung: Mehrarbeit bedeutet nicht zwangsläufig auch einen Mehrwert. Was zählt, ist, inwiefern ein Beschäftigter beispielsweise mithilfe eines Projektes mehr Umsatz als geplant einbringt, die Kosten stärker reduziert, die Qualität deutlich verbessert, den Prozess stark vereinfacht oder eine innovative Produktidee liefert. Es gilt: Je konkreter und messbarer, desto besser. „Können Sie das Geleistete ausreichend belegen und haben drei bis acht Schlüsselargumente dank der Liste in petto, können Sie selbstbewusst auftreten.“, sagt Kimich.

Kein Argument in der Gehaltsverhandlung sei hingegen die hohe Inflationsrate, ergänzt Kimich. „Schließlich sind alle von den höheren Kosten betroffen – auch die Kollegen sowie das Unternehmen selbst.“ Davon abgesehen: Nicht allen Unternehmen geht es aktuell schlecht; manche profitieren sogar von der Krise. Allerdings gibt es Kimich zufolge auch Arbeitgeber, die aufgrund der allgemeinen Unsicherheit dazu neigen, die Krise vorzuschieben, um sich vor anstehenden Gehaltsverhandlungen zu drücken. „Wird eine Gehaltserhöhung mit Verweis auf die aktuelle Krise abgelehnt, sollten Arbeitnehmer genau hinschauen, ob es sich hierbei nur um eine Killerphrase handelt oder ob das Unternehmen tatsächlich kein Geld hat. Im Zweifel würde ich verlangen, dass der Arbeitgeber die Geschäftszahlen offen darlegt.“, rät der Verhandlungscoach

Es kann auch Sinn machen, noch zu warten

Stellt sich heraus, dass es tatsächlich finanziell schlecht um das Unternehmen steht, kann es laut Kimich Sinn machen, die Gehaltsverhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. „Allerdings sollten Beschäftigte auch das möglichst verbindlich festzurren, indem sie nachfragen, wann genau man sich wieder zusammensetzen wird und wovon eine Gehaltserhöhung dann konkret abhängt.“

Handelt es sich hingegen nur um eine Killerphrase, rät Kimich dazu, hartnäckig zu bleiben. Laute beispielsweise das Argument des Arbeitgebers „Die Inflation ist so hoch, da gefährden wir Arbeitsplätze, wenn wir die Gehälter steigern“ könnte laut Kimich die passende Antwort darauf sein: „Ich trage maßgeblich dazu bei, dass das Unternehmen gut läuft. Ich erwarte die entsprechende finanzielle Wertschätzung dafür“.„Nehmen Sie ein Nein als Aufforderung zum Tanz und fragen Sie nach, was von Ihnen konkret erwartet wird und wie Sie eine Gehaltserhöhung erreichen können“, so die Expertin. Sie empfiehlt dabei klar und ohne Erklärung oder Rechtfertigung zu argumentieren – und zur Not auch Alternativen zur klassischen Lohnerhöhung aufzuzeigen wie Zuwendungen und Zuschüsse beispielsweise zur Kinderbetreuung.Zugleich sei es aber auch wichtig, sich keine Illusionen zu machen, sagt Kimich. „Wenn Sie dreimal ein Nein kassiert haben und keine spürbaren Konsequenzen gezogen haben, brauchen Sie kein viertes Mal anzukommen. Ihr Chef weiß dann schon, dass Sie trotzdem bleiben.“

Rundschau abonnieren