Hightech aus Köln-PorzIgus produziert aus Kunststoff Gleitlager und Energieketten

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Energieketten des Kölner Unternehmens Igus im Testlabor

Im eigenen Testlabor prüft das Kölner Unternehmens Igus Energieketten auf Herz und Nieren

Igus entwickelt und produziert mit 2500 Mitarbeitenden in Köln-Porz Energieketten, die ein ganzes Maschinenleben halten. Die Produkte sind begehrt. Das Unternehmen ist stürmisch gewachsen. 

Ein Industrieroboter, wie er etwa zum Schweißen verwendet wird, rudert mit seinen Armen. Dabei dehnt und biegt er immer wieder eine Energiekette, in der durch Kunststoff geschützt Kabel laufen.  Nebenan bewegen sich Schlitten auf Metallführungen und führen die Energieketten zusammen und entfalten sie wieder. „Das ist unsere Folterkammer“, sagt Michael Blass, einer der fünf Geschäftsführer bei Igus. Auf einer Fläche von 3800 Quadratmetern wird hier geprüft, was die hochflexiblen Leitungen in den Ketten, Gleit- oder Kugellager aushalten.

"Verfahrbare Steckdose" versorgt Kreuzfahrtschiffe mit Strom 

Vor der Halle in Köln-Porz wird getestet, was zu groß ist oder sich bei Wind und Wetter bewähren muss. Da wird eine Energiekette für einen Unterwasserbohrer in einem zehn Meter hohen Gerüst geprüft. Daneben steht eine „verfahrbare Steckdose“. Die soll von Kaimauern im Hamburger Hafen aus Kreuzfahrtschiffe mit Strom versorgen, damit deren Diesel nicht laufen müssen. Auf einer massiven Metallkonstruktion lässt sich ein Arm verschieben, der das Schiff mit Strom versorgen kann. Energieketten sorgen dafür, dass der fließt. 

100 Millionen Doppelhübe halten die neuesten Leitungen aus, verspricht Igus. Im Idealfall entspricht das dem Lebenszyklus eines Krans etwa, der in einem Containerhafen Schiffe entlädt. Andere Energieketten haben Sensoren, die melden, wenn eine Energiekette ausgetauscht werden sollte. Das kann der Kunde dann planen und Stillstand vermeiden, wenn er ihn am wenigsten gebrauchen kann.

Einen Korkenzieher-Effekt, bei dem die Kabel sich aufdrehen, darf es nicht geben.
Michael Blass, Igus-Geschäftsführer

Die Leitungen werden nach genauen Vorgaben von Igus von unterschiedlichen Kabelherstellern angefertigt. „Einen Korkenzieher-Effekt, bei dem die Kabel sich aufdrehen, darf es nicht geben“, sagt Blass. Bei Igus sorgen dann 800 Spritzgussmaschinen etwa für die schützenden Kunststoffketten für die Kabel oder für Gleitlager aus Kunststoff, die kein Öl als Schmiermittel mehr benötigen. 243.000 Artikel kann Igus ab Lager liefern, spezielle Wünsche werden mit 3-D-Druckern bedient. Igus-Produkte sind in Operationsrobotern, Kaffeevollautomaten, Solaranlagen, in der Bühnentechnik des Kölner Schauspielhauses in Kränen oder als Gleitlager auch in Schwertransportern.

Die Ketten können mit allen Kabeln sowie Steckern versehen und dann innerhalb eines Tages in einen Hafenkran montiert werden, wo früher Elektriker zwei Wochen lang Kabel gezogen haben und der Kran still stand

Neue Fabrikhalle ist im Bau 

Neu ist ein Bereich rund um einfache Roboter zum Preis ab knapp 5000 Euro zur Automatisierung. Hier arbeitet Igus mit anderen Unternehmen zusammen, sodass sich Kunden wie aus einem Baukasten bedienen können, um den für die passenden Helfer zu konfigurieren, der dann etwa Sortieraufgaben übernimmt oder Bleche von einer Maschine zur nächsten weiterreicht.

1993 ist Igus aus Bergisch Gladbach nach Köln-Porz gezogen – und seitdem kräftig gewachsen. 320.000 Quadratmeter – so viel wie 40 Fußballfelder - misst die Gesamtfläche mit Außenanlagen, Hallen sowie Büros inzwischen. Und sie wächst weiter. Igus investiert einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in den Neubau eines Fabrikgebäudes auf der westlichen Seite der Bundesstraße 8. Derzeit wird am Dach gearbeitet, das wie sein Pendant auf der anderen Straßenseite optisch von Pylonen und Tragseilen bestimmt wird, die einen Teil der Last abfangen. Die Werksteile sind durch einen Tunnel unter der B 8 verbunden. Was hier genau produziert wird, ist noch nicht klar. „Auf jeden Fall ist das Werk auch nach dem Ausbau zu klein“, sagt Blass.

Älteste Maschinen sind vier Jahre alt

In Planung ist eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Igus ist als Kunststoffverarbeiter energieintensiv und spürt die derzeit hohen Preise. Dabei spart Igus kräftig Energie. Die Werkshallen haben schon längst LED-Leuchten. Die ältesten Maschinen sind vier Jahre alt. Die neuen Spritzgussmaschinen haben geregelte Motoren, die nur die gerade benötigte Leistung bereitstellen. Das spart im Durchschnitt 40 Prozent Energie. Wenn es geht, wird Hydraulik durch Elektrik ersetzt. Die Abluft der Maschinen soll für die Raumheizung genutzt werden

Bis 2025 will Igus klimaneutral sein. Kunststoffabfälle aus der Produktion werden recycelt. Deshalb soll keinen Kunststoffteil auf den Boden fallen, weil dann die genaue Zusammensetzung nicht mehr eindeutig ist. Das ist aber wichtig für die Wiederverwendung in technisch anspruchsvollen Teilen. Auch Kunden können Altkunststoffe abgegeben, aus denen Igus dann wieder neue Produkte herstellt. 

Zahlreiche offene Stellen

„Unsere Herz schlägt in Köln“, so Blass. Mit rund 2500 Mitarbeitenden arbeitet hier die Hälfte der Mitarbeitenden. Und weitere werden gesucht. Igus hat auch jetzt schon offene zahlreiche offene Stellen, wie auch auf der Internetseite des Unternehmens nachzulesen ist. Auch ein Hidden Champion leidet unter dem Fachkräftemangel. Igus bietet Einsteigern ein Duales Studium, lässt die Auszubildenden eine eigene Firma betreiben, die Computer aufmöbelt, bieten den Kindern von Mitarbeitenden Praktika an anderen Unternehmensstandorten, den Mitarbeitenden freies Essen in den Kantinen, mobiles und flexibles Arbeiten. „Zunächst müssen wir unsere Mitarbeitenden halten“, so Blass. Dazu gibt es auch Sommerfeste für die Familienangehörigen und einen großen Ball zum Jahresende. Jetzt gibt es zu Jahresbeginn eine Karnevalsfeier mit bekannten Künstlern aus der Region.


Das Unternehmen

1964 gründeten Margret und Günter Blase das Unternehmen Igus. Aus kleinen Anfängen in einer Garage ist ein Unternehmen mit über 4500 Mitarbeitenden an 31 Standorten entstanden. Am 11. November dieses Jahres knackte Igus die Umsatzschwelle von einer Milliarde Euro. Vorjahr hatten die Erlöse noch 961 Millionen erreicht nach 727 Millionen im ersten Coronajahr 2020. Damals erzielte Igus einen Konzernjahresüberschuss von 100 Millionen.  Hauptgesellschafter des Unternehmens ist Frank Blase. (raz)

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