IHK-Präsidentin Grünewald„Morgens kommt man mit dem Auto ja gar nicht nach Köln“

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Präsidentin der IHK Köln Nicole Grünewald 

  • Letzte Woche rückte Nicole Grünewald als erste Frau in der 222-jährigen Geschichte der Kammer an die Spitze der IHK Köln.
  • Sie will für frischen Wind sorgen, die Öffentlichkeitsarbeit der Kammer verbessern und die Beiträge senken.
  • Mit der neuen Präsidentin sprachen Ralf Arenz und Ingo Schmitz.

Seit Ihrer Wahl zur IHK-Präsidentin haben Sie viele Gespräche geführt mit den Mitarbeitern der Kammer. Gab es da eine Überraschung für Sie?

Wir waren ganz begeistert, wie toll wir hier empfangen worden sind. Am Freitag habe ich mich mit den weiteren Präsidiumsmitgliedern den Beschäftigten vorgestellt. Da hätte uns auch Zurückhaltung oder auch etwas Misstrauen entgegengebracht werden können. Das Gegenteil war der Fall. Aber es gibt auch eine große Erwartungshaltung. Die haben Sie und Ihre Mitstreiter von „New Kammer“ geschürt mit dem Versprechen, für frischen Wind zu sorgen. Was wollen Sie ändern?

Die Kammer braucht mehr Transparenz. Viele Mitglieder wissen nicht, wofür sie Beiträge zahlen. Das wollen wir ändern, die Arbeit der Kammer bekannter machen und für die Kammer werben. Beim Thema Digitalisierung geht es etwa darum, dass wir nur von einem Bruchteil der 150.000 Mitgliedsunternehmen die E-Mail-Adressen haben. Das gehen wir an, weil wir die Mitglieder schneller, unkomplizierter und günstiger erreichen wollen. Damit sind wir bei Beitragssenkungen. Wir möchten etwa bei den Portokosten sparen, nicht bei den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter brauchen wir. Wir haben viel vor, und das werden wird nur mit dem Team zusammen hinbekommen.

Die Kammer ist die Stimme der Wirtschaft in der ganzen Region. Wir wollen jetzt vor allem die Zeit vor den Kommunalwahlen nutzen, um viel stärker die Interessen der Wirtschaft in Richtung Politik und Verwaltungen zu kommunizieren. Die Unternehmen zahlen über die Gewerbesteuern viel Geld. Da finden wir es nur fair, wenn unsere Bedürfnisse gehört und bestenfalls erfüllt werden. In der Vergangenheit war die IHK zurückhaltend bei politischen Themen. Ändert sich das?

Ja! Wir wollen eine starke und deutlich vernehmbare Stimme der Wirtschaft sein. Wo sehen Sie Gesprächsbedarf?

Das ist in der Region unterschiedlich. Im Oberbergische Kreis gibt es teilweise kein Breitband in den Gewerbegebieten. Große Familienunternehmen mit Eigentum dort können den Standort aber nicht aufgeben und wollen das auch gar nicht. Sie zahlen hier auch zum Teil ungewöhnlich hohe Gewerbesteuern und bekommen keine entsprechende Gegenleistung. Im Rhein-Erft-Kreis geht es etwa um den Strukturwandel im Zuge des Auslaufens der Braunkohleförderung. Generell wollen wir uns in Zukunft verstärkt für die Unternehmen in den Regionen einsetzen. Uns alle hier betrifft das Thema Verkehrsinfrastruktur. Morgens kommt man mit dem Auto ja gar nicht nach Köln. Es muss doch möglich sein, dass man sich im Kammergebiet frei bewegen kann und nicht nur im Stau steht. Wie wollen Sie von Politik und Verwaltung gehört werden?

Wir wollen Gesprächspartner auf Augenhöhe sein. Das Präsidium und ich wollen unsere bestehenden Kontakte nutzen und ausbauen. Wir werden persönliche Gespräche führen, unser Engagement bei wichtigen Themen aber auch öffentlich machen. Es geht schließlich auch darum, dass unsere Mitgliedsunternehmen spüren, dass wir uns für ihre Belange einsetzen. Garrelt Duin, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, hat einen Masterplan Verkehr gefordert. Sind Sie schon in Gesprächen mit den Kollegen?

Mit der Handwerkskammer wollen wir kooperieren. Auch mit den vielen Wirtschaftsverbänden in der Region wollen wir die Zusammenarbeit auf neue Beine stellen. Kandidaten von New Kammer haben bei der Vollversammlungswahl 26 von 91 Sitzen errungen. Bei der Wahl zur Präsidentin sind 45 von 84 abgegebenen Stimmen auf Sie entfallen. Wie bekommen Sie die, die sie nicht gewählt haben, auf Ihre Seite?

Wir haben ja schon viele auf unsere Seite bekommen, sonst wären das Team und ich nicht gewählt worden. Wir führen bereits sehr positive Gespräche mit denen, die uns nicht gewählt haben. Wir wollen die Vollversammlung wieder einen, das ist eines unserer Hauptziele. Ich hoffe, dass das schnell gelingt. Wir sind hier schließlich gemeinschaftlich verantwortlich. Im Präsidium sind auch Mitglieder, die nicht zu „New Kammer“ gehören.

Bei „New Kammer“ konnte jeder mitmachen, der wollte, wir haben keinen abgelehnt. Tatsächlich sind vier Mitglieder im Präsidium, die nicht bei „New Kammer“ waren. Das ist fast die Hälfte. Und daran lässt sich gut sehen, dass es keine Lagerbildung gibt und wir sie auch nicht wollen. Sie haben sich viel vorgenommen. Gelingt das mit den bestehenden Strukturen der IHK Köln?

Jede IHK in Deutschland ist ähnlich aufgestellt. Das hat sich auch bewährt. Es kommt darauf an, dass die Mitarbeiter mitziehen, und seit dem Treffen am Freitag sind wir sicher, dass wir das gemeinsam gut hinbekommen werden. Mit Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt waren Sie in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung gewesen. Kann es da eine Zusammenarbeit geben?

Wir sind im Gespräch. 

Um Einigkeit zu erzielen?

Wir besprechen das gerade.

In den letzten Jahren ging es in der Vollversammlung um die Sanierung des Kammergebäudes in der Innenstadt oder um ein neues Gebäude. Ist der Umzug nach Köln-Mülheim definitiv?

Es gibt einen entsprechenden Vollversammlungsbeschluss. Ich sehe mir noch einmal alle Unterlagen zu dem Thema an. Auch bei der Rechtsaufsicht ist noch etwas anhängig. In den Details bin ich noch nicht drin, weiß aber auch, dass das Thema in der Stadtgesellschaft kontrovers diskutiert wird. Wir schauen uns das Thema also noch einmal an. Ein Umzug nach Mülheim würde Beitragssenkungen erleichtern. Es war das billigste der zum Kauf angebotenen Gebäude.

Unser Ziel ist eine schlagkräftige, gut organisierte Struktur. Es geht um das Vermeiden von unnötigen Ausgaben, nicht um Einmaleffekte. Wir wollen den Mitgliedsunternehmen langfristig mit motivierten Mitarbeitern eine Top-Leistung bieten. Und mit zufriedenen und glücklichen Mitarbeitern bekommen Sie auch zufriedene Kunden. Die Mitarbeiter müssen also vernünftig und gut arbeiten können. Haben Sie schon eine Idee davon, wie Ihrer Zeit die Arbeit als Kammerpräsidentin beanspruchen wird?

Da ich mich als Präsidentin ernsthaft engagieren möchte, werde ich ein bis eineinhalb Tage pro Woche für die Kammerarbeit einplanen. Dazu kommen dann noch zahlreiche Abendtermine. Das wusste ich jedoch alles vorher und freue mich nun auf die Arbeit – mit allem, was dazugehört. Bleibt genug Zeit für Ihre Firma?

Die ist ja nicht mehr so jung. Die führe ich seit 20 Jahren und habe da ein sehr gutes, eingespieltes Team. Das geht schon zusammen. Das Amt des IHK-Präsidenten ist ein Ehrenamt. Bekommen Sie denn Auslagen erstattet?

Es gibt es einen Vollversammlungsbeschluss, der Kostenerstattungen möglich macht. Ich werde allerdings darauf verzichten.  

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