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Interview

Kölner Handwerkspräsident Wollseifer
„Wir mussten viele dicke Bretter bohren“

Lesezeit 5 Minuten
Ratschläge will Hans Peter Wollseifer seinem Nachfolger nicht geben, wohl aber Telefonnummer und Mail-Adresse.

Ratschläge will Hans Peter Wollseifer seinem Nachfolger nicht geben, wohl aber Telefonnummer und Mail-Adresse.

Am Donnerstag kommt die neue Vollversammmlung der Handwerkskammer zu Köln zusammen. Sie wählt einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Hans Peter Wollseifer, der nicht mehr antritt, blickt auf die Amtszeit in Köln und beim ZDH zurück.

Seit 2010 sind Sie Präsident der Handwerkskammer zu Köln. Wie hat sich das Handwerk in dieser Zeit verändert?

Das Handwerk ist moderner und digitaler geworden. Das betrifft alle Bereiche wie das Kfz-Handwerk, das Lebensmittelhandwerk oder die Gebäudetechnik. Dachdecker nutzen Drohnen, um Dächer und zum Beispiel den Kölner Dom auf Schäden zu inspizieren.

Trauern Sie manchmal der alten Zeit hinterher?

Nein, das ist ein positiver Wandel. Die technische Entwicklung sorgt für Erleichterungen. Das Handwerk ist körperlich nicht mehr so anstrengend. Es ist auch nicht mehr schmutzig und wird gut bezahlt. Die alten Klischees treffen nicht mehr zu. Die Mitarbeitenden im Handwerk brauchen aber auch Fortbildungen, damit die Digitaltechnik genutzt werden kann.

Gibt es Themen, die Sie als Handwerkspräsident besonders gefordert haben?

Es gab viele unterschiedliche Themen, mit denen ich regional in Köln, der viertgrößten Handwerkskammer der Republik, als Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks von 2014 bis 2022 oder in Europa befasst war. In der Regel ging es darum, dass das Handwerk gute Rahmenbedingungen benötigt, beispielsweise ausreichend Flächen und kundennahe Parkplätze in den Innenstädten. Auf Bundesebene spielte Politikberatung eine große Rolle: Ich erinnere mich gut an einen Anruf von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahre 2015. Es ging um Flüchtlinge und Möglichkeiten des Handwerks zu deren Integration. Dabei waren wir dann sehr erfolgreich.

Findet das Handwerk ausreichend Gehör bei der Politik?

Mein Eindruck ist, dass wir während meiner Zeit in Berlin sehr gut gehört wurden. Dabei mussten wir manchmal sehr dicke Bretter bohren. Mit der Regierung Merkel gab es etwa eine Absprache, die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben einzuhalten. Das ist damals gelungen, danach nicht mehr. Wenn Steuern und Abgaben aber so steigen wie jetzt, dann fragen sich viele Menschen im Handwerk, ob sich die Arbeit noch lohnt.

Sie haben sich für Fachkräftesicherung und die Ausbildung eingesetzt. Wie fällt die Bilanz aus?

Bei der beruflichen Bildung haben wir viel erreicht. In NRW und anderen Bundesländern gibt es das Berufs-Abi. Neben der Ausbildung in Betrieb und Berufsschule wird dabei die Fachhochschulreife erworben. Nach einem weiteren Jahr Fachoberschule dann die allgemeine Hochschulreife. Von Köln aus haben wir das triale Studium in Kooperation mit Fachhochschulen initiiert. In nur viereinhalb Jahren können die jungen Menschen eine Ausbildung und ihre Meisterprüfung machen und den Bachelor Handwerksmanagement erwerben. Seit 2020 dürfen sich Handwerksmeister auch Bachelor Professional nennen und die Betriebswirte des Handwerks Master Professional. Das soll die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung deutlich machen. Darum haben wir drei Jahre lang gerungen.

So ganz sind Studierende und Auszubildende aber nicht gleichgestellt.

Ich will beide Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. Für Studierende gibt es aber deutlich mehr Plätze in Wohnheimen als für Auszubildende. Und vor allem sind die Universitäten sind deutlich besser ausgestattet als unsere Berufskollegs. Dabei müssen Berufskollegs und Bildungszentren genauso gut ausgestattet sein wie Hochschulen.

Was ist weniger gut gelungen?

Die vergangenen 15 Jahre sind mir in guter Erinnerung. Wir haben im Handwerk einen harten Kampf gegen die EU geführt, die ein Ende der Meisterpflicht in Deutschland durchsetzen wollte. Letztlich haben wir 12 Meisterberufe zurückgewonnen. Nicht gelungen ist uns die gesetzliche Verankerung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. In der Schweiz steht die sogar in der Verfassung.

Wellen geschlagen hat Ihre Trennung von Hauptgeschäftsführer Ortwin Weltrich.

Wir haben wirklich gut zusammengearbeitet bis zu einem Dissens über die Finanzierung unserer Entwicklungshilfeprojekte. Wir haben den Hinweis erhalten, dass dafür Mittel aus Beiträgen verwendet worden seien, was nach der Handwerksordnung zu der Zeit nicht erlaubt war. Mit Herrn Weltrich haben wir einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Nach Medienberichten hat dann die Staatsanwaltschaft gegen ihn und seinen ehemaligen Stellvertreter ermittelt. Das Verfahren wurde gegen Geldauflage eingestellt. Die Kammer hat ein Rechtsgutachten und ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anfertigen lassen, um etwa prüfen zu lassen, ob wir einen Anspruch auf Schadenersatz haben. Nach Abstimmung mit dem Präsidium, dem Vorstand und der Geschäftsführung sind wir dann zivilrechtlich vorgegangen, um möglicherweise Mitgliedsbeiträge zurückzuholen.

Zwei Gerichte haben festgestellt, dass der Kammer kein Schaden entstanden sei.

Wir haben uns in den Prozessen nicht durchsetzen können. Damit ist für die Kammer und für mich die Angelegenheit abgeschlossen. Ich hege keinen Groll gegen Herrn Weltrich. Er tut mir leid.

Gegen Geldauflage könnte auch ein Ermittlungsverfahren gegen Sie eingestellt werden. Herr Weltrich hatte Strafanzeige wegen übler Nachrede gestellt nach einem Schreiben von Ihnen sowie den Vizepräsidenten der Kammer an die Vollversammlung, in der das Urteil kritisiert wird.

Ja, ich überlege noch, wie ich mich in dieser Angelegenheit verhalte.

Haben Sie einen Rat für Ihren Nachfolger, der am 22. Mai gewählt werden soll?

Ich gebe da keine Ratschläge. Mein Nachfolger soll Freiraum für seine eigenen Ideen haben, um das Handwerk in der Region nach vorne zu bringen. Er bekommt meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse und kann mich immer anrufen, wenn er meinen Rat wünscht.

Was haben Sie für Pläne?

Die Entscheidung, nicht mehr zur Wahl anzutreten, habe ich mit meiner Frau und meiner Familie getroffen. Mit ihnen will ich mehr Zeit verbringen, nachdem sie mir 40 Jahre lang den Rücken freigehalten haben. Ganz ruhen lasse ich die Arbeit aber nicht: Ich habe noch einige Mandate in Berlin, etwa in der Initiative für einen handlungsfähigen Staat unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Zudem bin ich Vorstandsvorsitzender der IKK e.V., der Interessenvertretung der Innungskrankenkassen und Verwaltungsratsvorsitzender der IKK Classic.