Lufthansa Cargo-Chefin„Wir erwarten für die Impfkampagne 65.000 Tonnen Luftfracht“

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Dorothea von Boxberg

  • Der erste Impfstoff erhalt vermutlich schon bald seine EU-Zulassung – doch er erfordert Temperaturen unter minus 70 Grad beim Transport.
  • Das klappt auf längeren Strecken nur mit dem Frachtflieger.
  • Dorothea von Boxberg, Vertriebsvorständin und designierte Chefin der Lufthansa Cargo, erzählt von den besonderen Aufgaben mit der kostbaren Ladung.

Frau von Boxberg, bereitet sich die Lufthansa Cargo bereits auf den Transport des Impfstoffs vor? DvB: Tatsächlich sind Transporte bei minus 70 Grad bisher eher die Ausnahme. Wir sind bereits im Gespräch mit den Spediteuren, die hier unsere direkten Partner sind. Die Spediteure sorgen dafür, dass die einzelnen Teile der Lieferkette nahtlos ineinandergreifen. Dieser Impfstoff sollte schließlich keine langen Wartezeiten haben. Da hilft es, dass wir schon lange im Geschäft mit Pharma-Transporten tätig sind. Wir verfügen auch an 30 Flughäfen über eine zertifizierte Infrastruktur für die Handhabung von Arzneimitteln. Wir haben dort auch besonders geschultes Personal für den Umgang mit temperaturgeführter Fracht.

Wie funktioniert denn die Kühlung im Flugzeug? Bauen Sie für den Impfstoff besondere Tiefkühler ein?

Im Frachtraum herrschen rund vier Grad, die Differenz kommt allein durch die besondere Verpackung zustande. Der Impfstoff wird uns in Boxen angeliefert, die mit Trockeneis gefüllt sind. Dieses verdampft laufend, was die Temperatur so niedrig hält. Aus dem gleichen Grund gibt es aber auch Grenzen für die Menge an Impfstoff, die wir jeweils mitnehmen können.

Warum?

Wenn das Trockeneis vom festen in den gasförmigen Zustand übergeht, wird Kohlendioxid frei. Davon darf sich nicht zu viel an Bord ansammeln, da es sonst gefährlich für den Piloten und die anderen Menschen an Bord werden könnte. Hier gibt es klare Vorgaben, wieviel Trockeneis erlaubt ist. Wir können also nicht einen ganzen Frachter voll Impfstoff mit Trockeneis packen. Das wird aber auch nicht nötig sein, vom Volumen her ist gar nicht so viel zu transportieren.

Können Sie das genauer beziffern?

Wir erwarten, dass für die ganze Impfkampagne 65.000 Tonnen Luftfracht industrieweit anfallen. Im Jahr 2019 haben wir als Lufthansa Cargo ganz regulär bereits 100.000 Tonnen Pharmaka geflogen.

Auf welchen Strecken lohnt sich denn das Flugzeug als Transportmittel?

Es geht hier eher um die Langstrecke. Auf mittleren Distanzen in Europa wird eher der Lastwagen zum Einsatz kommen. Unsere Hauptrolle sehen wir bei der Lieferung nach Asien, schließlich wird Europa Exporteur von Impfstoffen sein. Aber schon bei der Strecke Frankfurt-Madrid könnte sich das Flugzeug lohnen. Dort würde der Truck dann schon ziemlich lange brauchen. Das Flugzeug hat hier auch einen Sicherheitsvorteil.

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Weil jemand den Impfstoff vom Lastwagen klauen könnte?

Das vielleicht auch. Der Impfstoff wird gerade zu Anfang sehr begehrt sein, möglicherweise wird man mit Plagiaten zu kämpfen haben, die in die Lieferkette eingeschleust werden sollen. Die Luftfracht ist da im Vergleich zum Lastwagen ein sehr geschützter Bereich. Und wenn der Transport zu lang dauert, muss Trockeneis nachgefüllt werden. Bei diesem „re-icing“ können jedoch Fehler passieren, daher sollte dies nur von erfahrenen Fachkräften gemacht werden.

Werden Sie den Impfstoff auch nach Afrika bringen, wenn dort die Immunisierungen losgehen?

Für Afrika erwarten wir eher die Lieferung robusterer Wirkstoffe, die sich bei zwei bis acht Grad aufbewahren lassen. Aber wir gehen davon aus, dass wir durchaus an der Verteilung dieser Impfstoffe beteiligt sein werden, wenn sie auf den Markt kommen. Mit unserer Schwesterfirma Brussels Airlines bieten wir beispielsweise zahlreiche Verbindungen nach Westafrika an.

Das sind dann keine eigenen Frachtflieger?

Wir fliegen im Normalbetrieb ohnehin rund die Hälfte unserer Ladung in den Bellies...

...also in den  Gepäckräumen von Passagiermaschinen...

...und die Hälfte in eigenen Frachtflugzeugen. Derzeit fallen Corona-bedingt allerdings viele Linienflüge aus, daher hat die Bedeutung der Frachter zugenommen. Die Bellies machen aktuell nur noch zwanzig Prozent unseres Volumens aus.

Wie lief denn das Corona-Jahr für die Lufthansa-Frachtsparte?

Die Nachfrage ist hoch. Einerseits gibt es weniger Kapazität, weil nach wie vor so viele Passagiermaschinen am Boden bleiben. Zum anderen sind die Lieferketten weltweit vergleichsweise wenig von Corona betroffen. In allen Volkswirtschaften gibt es zwar Einbrüche, aber viele der Industrien, die Luftfracht nutzen, sind eben nur wenig betroffen. Dazu gehören beispielsweise die Pharmaindustrie. E-Commerce hat durch die Corona-Pandemie nochmal deutlich zugelegt.  Auch High-Tech und andere hochwertige Güter sind klassische Luftfracht.

Da kommen nun die Impfstoff-Transporte hinzu.

Diese erhalten aber nicht wegen der Mengen so große Beachtung, sondern wegen ihrer Dringlichkeit. Alle hoffen auf ein Ende der Pandemie, und die Anforderungen beim Transport sind hoch. Aber die Impfstofflieferungen machen voraussichtlich nur 0,3 Prozent der Kapazität im kommenden Jahr aus.

Das Interview führte Finn Mayer-Kuckuk.

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