„Der Handel ist mehr als angespannt“Möbelmesse imm: In der Branche ist die Stimmung gedämpft

Lesezeit 4 Minuten
Auf einer Messe sind ein Sessel, Tisch und darüberhängede Lampen in künstlichem, hohen Gras ausgestellt.

Viel grün in der Wohnung und Möbel aus nachhaltigen Materialien liegen weiter im Trend.

Auf die anstehende Möbelmesse imm zum ungewöhnlichen Termin im Juni setzt die Branche große Hoffnungen nach einem verhaltenen Konsum.

Mehrwertsteuer geschenkt, Null-Prozent-Finanzierung, kräftig angesetzte Rotstifte - mit Rabatten versucht die Möbelbranche derzeit die Geschäfte anzukurbeln. Impulse kann die Branche da dringend gebrauchen. Elmar Duffner, Präsident der Deutschen Möbelindustrie, berichtete im Vorfeld der Kölner Möbelmesse imm von „extremen Herausforderungen“ für die Branche.

Nach einem guten Jahr 2022 mit einem Umsatzplus von sieben Prozent auf 18,8 Milliarden Euro und einem leichten Plus noch im ersten Quartal (siehe Kasten) stelle sich die Auftragslage derzeit verhalten dar, so Duffner. Die Konsumenten seien sehr verunsichert.

Teure Lebensmittel und Energie, Debatten über die Gebäudeheizung mit möglicherweise hohe Kosten für neue Systeme statt der Gasheizung - da sei auch der eigentlich finanziell gut gestellte Haus- und Wohnungsbesitzer beim Möbelkauf zurückhaltend. Der habe vorher auch zu teurerer Ware gegriffen. So gerate auch das mittlere und obere Preissegment bei Möbeln unter den Druck, unter dem die Discount-Ware schon länger steht. „Unsicherheit ist das Schlimmste für die Branche“, so Duffner.

Lieferzeit für Möbel sinkt 

Die Lieferzeit für Möbel, die bis zu 12 Wochen betragen hatte, ist jetzt auf vier bis sechs Wochen im Schnitt gesunken. Und offenbar fürchtet die Branche, bald noch weniger zu tun zu haben. Nach einer Umfrage des Verbands plane jedes vierte Unternehmen in der zweiten Jahreshälfte Kurzarbeit. So sollen die Fachkräfte gehalten werden, denn die Branche sieht laut Duffner durchaus wieder Chancen im kommenden Jahr.

Auch der Handel spürt nach einem zufriedenstellenden ersten Quartal ein nachlassendes Interesse am Möbelkauf. Markus Meyer, Präsident des Handelsverbands BVDM, berichtete, seit April habe es einen deutlichen Rückgang der Kundenfrequenz gegeben - teils um 30 Prozent.

Die Frequenz brauche der Handel aber, um etwa Ausstellungsstücke oder Lagerware zu verkaufen. Kunden, die nicht auf ein bestimmtes Produkt festgelegt seien, ließen sich etwa mit Rabatten zu Kauf bewegen. Dabei sind die Lager gut gefüllt, nachdem es zuvor unerwartete Lieferschwierigkeiten gegeben hatte, weil Teile fehlten.

Der Handel ist mehr als angespannt.
Markus Meyer, Präsident des Handelsverbands BVDM

„Der Handel ist mehr als angespannt“, sagte Meyer. Das Geschäft wandele sich gerade, so Meyer. Die Kinder in der Spielecke abgeben, in Ruhe Möbel aussuchen und dann im Restaurant des Möbelhauses noch für kleines Geld essen - diese typischen Möbelkäufe in der Großfläche am Wochenende würden seltener.

Erste Restaurants würden sogar schon zurückgebaut. Große Häuser, deren Zahl zuletzt zugelegt hatte, nutzten Flächen jetzt schon anderweitig. Und Mittelständler gingen aus dem Markt. Die Zahl der Möbelhändler werde sinken, sagt Meyer voraus. Eine Insolvenzwelle sieht er aber nicht. Und sitzt der Handel auf einem vollen Lager, dann ordert er keine neue Ware bei der Industrie.

Auch weitere zehn Prozent Preisnachlass würden nicht unbedingt helfen, so Duffner. Der Kunde brauche nicht unbedingt einen neuen Sessel, vor allem dann nicht, wenn er befürchten müsse, mehrere zehntausend Euro für eine neue Heizung aufwenden zu müssen. Vielmehr würden die Verbraucher aus Preisnachlässe konditioniert, der Wert der Ware trete dahinter zurück. Und das im größten Möbelmarkt Europas, während außerhalb Deutschland Möbel einen höheren Stellenwert hätten.

Branche sieht die Politik gefordert

Duffner und Meyer sehen die Politik gefordert. Die müsse für Klarheit sorgen, etwa dadurch, dass der zuständige Minister Robert Habeck den Druck aus der Heizungsdebatte nehme und beispielsweise Übergangsfristen von zehn Jahre für den Austausch ermögliche, so Meyer. Da kommt die Sonderausgabe der Möbelmesse imm der Branche gerade recht.

Ausnahmsweise im Sommer, um nicht gleich drei Jahre mit der Schau pausieren zu müssen und so Wettbewerber, die ohnehin ein Auge auf diese Messe geworfen haben, auf den Plan zu rufen, öffnet die von Sonntag bis Mittwoch ihre Pforten. Der Fokus liegt auf Fachbesuchern, Privatkunden kommen nur durch Einladung des Handels auf die Messe.

Auch Kongress-Elemente gibt es. Belegt werden 120.000 Quadratmeter, so Messe-Geschäftsführer Oliver Frese. Damit ist die imm die größte Einrichtungsmesse in Deutschland. 720 Aussteller zeigen ihre Produkte. Vertreten seien auch alle relevanten Einrichtungsverbünde. Die nächste imm findet dann an fünf Tagen an ihrem angestammten Termin im Januar 2024 statt.


Umsätze der Möbelindustrie sinken real

Die deutsche Möbelindustrie hat in den ersten drei Monaten des Jahres den Umsatz nominal um 0,6 Prozent auf 4,82 Milliarden Euro gesteigert. 3,22 Milliarden davon wurden nach Angaben des Branchenverbands VDM in Deutschland erzielt. Unter Berücksichtigung der Inflation gab es also ein Minus. Ein Umsatzplus gab es bei Büromöbeln (8,1 Prozent) und bei Küchen (6,3). Bei Matratzen betrug das Minus 19,3 Prozent. 76.085 Mitarbeitende hatte die Branche Ende März, gut 2000 weniger als drei Monate zuvor. Die Zahl der Betriebe sank von 449 auf 432.

Rundschau abonnieren