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Nostalgie der 90er JahreWie Retro-Spiele die Gamescom in Köln beeinflussen

6 min
Wieder gefragt: Retro-Games der 90er-Jahre

Wieder gefragt: Retro-Games der 90er-Jahre

Während Blockbuster-Spiele mit Hollywood-reifer Grafik beeindrucken, erleben die Pixel-Welten der 90er Jahre ein Comeback. Die Gamescom 2025 zeigt: Erfolg haben beide Welten. Ein Streifzug durch die größte Spielemesse der Welt.

Wir schreiben das Jahr 1990. Ein Kind klammert sich mit verschwitzten Händen an den Controller seiner Nintendo-Konsole. Auf dem Bildschirm hüpft ein italienischer Klempner namens Mario nach oben, während sein Erzfeind Bowser ihm Flammen entgegenschleudert. Prinzessin Peach ruft um Hilfe – und dann, „Oh no!“, erwischt Mario ein Feuerstoß. Was folgt, ist die Reaktion, die jedes Gamer-Kind der 90er kennt: der Tobsuchtsanfall.

Die Spiele dieser Ära sind ikonisch und sollten den meisten der rund 350.000 Besuchenden der Gamescom in Köln bekannt sein: Der Pixelstil und die elektronische 8-Bit-Musik sind Markenzeichen einer ganzen Generation. Heute erlebt dieser Stil eine Renaissance. Auf der größten Spielemesse der Welt treffen fotorealistische Grafiken und hochmoderne Engines, also Softwares, mit denen Spiele programmiert werden, auf Retro-Pixelart.

„Theropods“ und die Wiedergeburt kniffliger Spiele im 90er-Stil

Kostas Skiftas hat mit seinem Team das Spiel „Theropods“ in Retro-Grafik entwickelt. In dem Spiel geht es um eine junge Jägerin in einer prähistorischen Welt, die ihren Stamm retten muss. Es soll zum Jahreswechsel erscheinen.

„Wir wollten den Pixel-Stil der 90er beibehalten“, sagt Skiftas. Doch im Gegensatz zu den damals gnadenlosen Spielen soll „Theropods“ die Spielenden nicht in den Wahnsinn treiben: „Die Spiele früher waren unglaublich schwer. Wir haben das Oldschool modernisiert.“ So will das Team die Motivation hochhalten – zu große Hürden führen schnell dazu, dass Spielende frustriert aufgeben, nach Lösungen im Netz suchen oder im schlimmsten Fall ganz aufhören zu spielen. Präsentiert wird das Spiel auf der Indie Arena Booth („Indie“ kommt vom englischen Wort „independent“ – also „unabhängig“), wo eigenständige Entwicklerinnen und Entwickler ihre Projekte zeigen – oft ohne große Publisher, meist aus eigener Tasche finanziert.

Der Aufstieg der Cozy Games: Ein neues Gaming-Phänomen

Einige Entwickelnde orientieren sich an jüngeren Trends, darunter dem immer beliebter werdenden Videospielgenre „Cozy Games“ (Gemütliche Spiele). Die Spiele zeichnen sich durch entspannende, stressfreie und oftmals niedliche Merkmale aus. Allen voran hat „Animal Crossing: New Horizons“ aus dem Jahr 2020 dieses Genre enorm geprägt. Jüngere Trends heißen aber nicht gleich weniger Nostalgie: Während der Pandemie war das Spiel für viele ein digitaler Zufluchtsort und hat diese spezielle Art von Games in der breiten Öffentlichkeit etabliert.

Der Trend hält bis heute an: Vor allem unter Indie-Spielen gibt es viele Cozy Games in unterschiedlichsten Stilen. „Moonlight Peaks“ ist eines davon. Das Team des unabhängigen Studios Little Chicken aus Amsterdam hat das Spiel entwickelt. „Das ist wie Animal Crossing, nur in einer Emo-Version“, sagt 3D-Künstlerin Julia Franken lachend. Die Spielenden tauchen in das Leben eines Vampirs ein, lernen die Kunst des Zauberns und schließen Freundschaften. Inspirationen kamen aus Serien und Filmen wie „The Addams Family“ oder Harry Potter. „Wir wollten ein Cozy Game entwickeln. Da wir alle Hexen und Vampire mögen, sind wir so auf die Idee gekommen“, erzählt VFX-Künstlerin Vivian Dijkstra. Das Spiel soll im kommenden Jahr veröffentlicht werden.

Kreatives Potenzial im Indie-Gaming: Eine Welt voller Möglichkeiten

Entwickelnde von Indie-Spielen müssen oft tief in die eigene Tasche greifen, haben dafür aber kreative Freiheit. Mit dieser Freiheit stellten sich die Entwickler von Nestwork Games die Frage: Wie würde eine Welt aussehen, in der Krähen statt Menschen die dominierende Spezies sind? Daraus entstand das Stadtbauspiel „Crowded“, bei dem Krähen eine Kolonie aufbauen, die im Laufe des Spiels immer moderner wird. „Wir haben uns mit der Intelligenz der Krähen beschäftigt und gemerkt, wie schlau diese Tiere sind“, erzählt CEO Julian Maurer. Die Entwicklung des Spiels hat als Diplomprojekt am SAE Institute Wien begonnen. „Wir haben danach zweieinhalb Jahre in unserer Freizeit das Spiel weiterentwickelt“, so Maurer.

Mittlerweile bekommen sie von der Wirtschaftsagentur Wien finanzielle Unterstützung, was mehr Raum für Möglichkeiten gibt. „Wir haben mit einem Komponisten überlegt, welche Instrumente Krähen spielen können, weil sie ja keine Daumen haben“, erzählt Maurer. Die Vögel können eventuell bald im Spiel Zithern zupfen oder durch ihre Nasen Flöte spielen. Ein konkretes Veröffentlichungsdatum gibt es noch nicht. Indie-Spiele zeichnen sich häufig durch einen handgemachten, leicht rohen Stil aus. Kleine Teams und knappe Budgets lassen die Spiele manchmal unfertig wirken. Genau diese Unvollkommenheit verleiht ihnen Charme. Ein starker Kontrast dazu sind die hochpolierten Spiele großer Herausgeber, die topmoderne Engines nutzen. Diese Software-Plattformen stellen Entwickelnden leistungsstarke Werkzeuge zur Verfügung, mit denen sie Grafik, Physik und Animationen auf ein neues Niveau heben können.

Große Herausgeber auf der Gamescom: Technologische Spitzenleistungen

In Halle 6 sind internationale Herausgeber wie Ubisoft und so auch die meisterwarteten Spiele des Jahres zu finden. Der Unterschied zur Indie Arena Booth ist enorm – die Stände sind aufwendig und hochwertig gestaltet. Sie haben sich an die Ästhetik des jeweiligen Spiels angepasst.

Besonders auffällig ist der Stand von „Anno 117: Pax Romana“ – inmitten der Halle steht eine römische Stadt. Passend zum Spiel: Im neuesten Teil der „Anno“-Reihe bauen die Spielenden inmitten der Blütezeit des Römischen Reiches im Jahr 117 nach Christus Städte und Wirtschaftssysteme auf. Die Schlange vor dem Stand ist mehrere Meter lang. „Ganz ehrlich, das macht mir nichts aus“, sagt Alexander Grasmück. Der 26-Jährige sei extra aus Mannheim angereist gekommen. „Ich warte seit sechs Jahren auf ein neues Anno, und heute ist der Tag gekommen. Da nehme ich auch ein paar Stunden Warten in Kauf.“ Das Spiel soll am 13. November veröffentlicht werden.

Nintendo und die Herausforderungen der Gaming-Kritik

Die Gaming-Industrie stand die vergangenen Jahre regelmäßig in der Kritik, da manche Spiele technisch unvollständig oder nicht so grafisch beeindruckend waren wie angekündigt. Dabei musste vor allem Nintendo einstecken: Nachdem „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ 2017 mit hoher Auflösung und hervorragender Spielmechanik einen hohen Maßstab gesetzt hat, folgte eine Reihe von Spielen mit mangelnder Grafik und ruckeligen Texturen. Nun scheint Nintendo aufholen zu wollen: Mit der neuen Konsole Switch 2 bieten sie eine bessere Grafik an. Beim Aussteller dürfen Interessierte das neue „Pokémon Legends: Z-A“ ausprobieren. „Das Spiel sieht so viel besser aus als der Vorgänger“, sagt Nadine Klein. Sie ist aus der Nähe von Hamburg angereist. „Es lässt sich auch leichter spielen und wirkt viel persönlicher, weil man viel mit seinem Pokémon arbeitet“.

Gute Engines und Entwicklungs-Teams, die nicht zeitlich unter Druck gesetzt werden, machen sich beim Fantasie-Spiel „Crimson Desert“ bemerkbar. Die Veröffentlichung hat sich mehrfach verschoben, kürzlich auf das erste Quartal 2026. Das Spiel wird ungeduldig erwartet: „Ich weiß nicht, ob mein PC zu schwach für dieses Spiel ist, aber ich werde es mir trotzdem holen“, sagt Tim Oberst aus der Nähe von Bonn. „Es sieht einfach zu heftig aus.“ Die Grafik von „Crimson Desert“ ist hochpoliert – die offene Welt im mittelalterlichen Setting sieht aus wie in einem Blockbuster-Film.

Der Charme von Retro trifft auf innovative Technik: Warum beide zählen

Viele Herausgeber und Entwickler scheinen nach all der Kritik bewusst auf hochwertige Grafik und Präsentation zu setzen. Gleichzeitig erleben grobe Pixelspiele und Retro-Stile eine Renaissance – ein Trend, der zeigt, dass nicht nur fotorealistische Grafik, sondern auch Charme und kreative Umsetzung zählen. Solange die Spiele nicht halbfertig erscheinen oder mit unfairer Schwierigkeit frustrieren, sind die Spielenden zufrieden. Vielleicht sind gerade die Spiele der 90er-Jahre einer der Gründe, warum Gamer so nostalgisch reagieren – die meisten sind damit aufgewachsen und suchen heute nach dieser Mischung aus Vertrautem und Innovation.