Pläne bei Wiesenhof und Co.Kommt das Futter für Nutztiere bald aus Insekten?

Insekten könnte bald auch im Futter für deutsche Nutztiere landen.
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Visbek/Brüssel – In hippen Supermärkten gehören Insekten in Form von Energieriegeln oder Burgerbuletten schon länger zum Sortiment. Wer mutig genug ist und das nötige Kleingeld hat, kann das verarbeitete Krabbelvieh essen. Insekten dürfen auf die Teller der Menschen. Oder in den Napf von Hund oder Katze. Nicht erlaubt ist in Europa bislang die Verfütterung an Nutztiere, also Schweine, Rinder oder Hühner. Für die PHW-Gruppe, den Mutterkonzern der Fleischmarke Wiesenhof, ist das ein Problem. Niemand verkauft in Deutschland mehr Hähnchenfleisch als die Niedersachsen. Bei der Mast kommt auch Sojaschrot ins Futter. Das hilft bei der zügigen Gewichtszunahme der Hähnchen.
Firmen wollen weg vom Soja
Wiesenhof würde gerne den Soja-Anteil reduzieren, berichtet Vorstand Marcus Keitzer auf Anfrage. Er ist im Konzern zuständig für das Thema „alternative Proteinquellen“ und dürfte sehr genau Bescheid wissen ums schlechte Image, das dem Soja anhaftet. Der Futterzusatz gilt als Regenwaldkiller. Tatsächlich werden und wurden gerade in Südamerika großflächig Wälder für den Sojaanbau abgeholzt oder niedergebrannt. Als wäre das aus Klimasicht nicht schon schlimm genug, muss der Rohstoff auch noch rund um den Globus verschifft werden.
Das Wiesenhof-Soja kommt zwar von zertifizierten Farmen, für die kein Regenwald weichen musste. Trotzdem würde Wiesenhof-Manager Keiter den Futterzusatz gerne „im Rahmen des Möglichen“ vom Speiseplan der Hähnchen streichen – und zumindest teilweise durch Insekten ersetzen.
EU-Kommission will den Weg frei machen
Seit 2018 ist die PHW-Gruppe an dem kanadischen Unternehmen Enterra beteiligt. Die Kanadier produzieren aus den Larven der Soldatenfliege ein proteinreiches Pulver und verkaufen es in Nordamerika auch als Nutztierfutter. Was auf der anderen Seite des Atlantiks erlaubt ist, ist in Europa verboten. Noch. Die EU-Kommission will entsprechende Regeln ändern. Aus dem Parlament gab es dafür bereits Zustimmung. Im Herbst könnten die Änderungen in Kraft treten, die eine Verfütterung von Insekten an Nutztiere erlaubten. Im gleichen Zuge soll auch die Verfütterung von Tiermehl zumindest teilweise wieder zugelassen werden. Das war im Verlauf der BSE-Krise vor rund 20 Jahren verboten worden, weil es als möglicher Auslöser des sogenannten Rinderwahnsinns identifiziert wurde. Eine Reihe von Vorgaben soll dabei verhindern, dass es in der Folge zu einer Neuauflage der Rinderwahnsinn-Ereignisse kommt. Wiederkäuer wie Kühe oder Ziegen – nur sie können an BSE erkranken – bleiben weiter ausgenommen.
Tierisches Protein wird exportier, Soja importiert
Und eine weitere Einschränkung sieht die EU vor: Nach den Vorstellungen der Kommission sollen nicht sämtliche Schlachtabfälle wie beispielsweise Knochen genutzt werden, sondern nur solche, die theoretisch auch für den menschlichen Verzehr geeignet gewesen wären. In der Abgrenzung vom klassischen Tiermehl wird hier auch von „verarbeiteten tierischen Proteinen“ gesprochen. Davon fallen in Deutschland gut 500000 Tonnen im Jahr an, die bislang im Bereich Düngemittel oder Heimtiernahrung verwendet werden. Und bald dann vielleicht auch wieder im Futter der Nutztiere. Andere EU-Staaten exportieren die wertvollen Proteine gar in Länder außerhalb der EU, wo das Verfüttern kein Problem ist.
„Während die wertvollen tierischen Proteine exportiert werden, importieren wir tonnenweise Soja. Das kann doch nicht im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sein“, sagt EU-Parlamentarier Jens Gieseke, der sich für die Freigabe eingesetzt hat. Die EU-Kommission teilt die Auffassung des CDU-Politikers: Sie verweist auf den Klimaschutz. Die Verfütterung von Tiermehl und Insekten sei ein (kleiner) Bestandteil hin zu einer besseren europäischen Klimabilanz. Vier Prozent des Proteinbedarfs von Mastschweinen und Hühnern in der EU könnte so gedeckt werden, schätzt die Kommission. Im Herbst könnten die entsprechenden Änderungen in Kraft treten.
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Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt mit: „Deutschland unterstützt den Entwurf der Kommissionsverordnung.“ PHW-Manager Keitzer sagt, die neuen Regeln bieten „unternehmerische Planungssicherheit, sodass die nächsten Schritte eingeleitet werden können.“ Der Bedarf seines Unternehmens an Insektenprotein könne derzeit nicht ausreichend gedeckt werden.Womöglich steige das Unternehmen also bald selbst in die Insektenzucht ein.