Russische Gas- und Öl-ImporteSo würde sich ein Lieferstopp auf Deutschland auswirken

Robert Habeck (rechts, Grüne) bei seinem Besuch bei dem Energiemister der Vereinigten Arabischen Emirate, Suhail al-Masrui.
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Berlin/Hannover – Ganz ohne russisches Gas – das gelingt Litauen jetzt schon, aber Deutschland ist wohl noch weit davon entfernt. Die Bundesrepublik braucht laut Wirtschaftsministerium hingegen wohl noch mindestens bis zum Sommer 2024, um bei Rohstoffen weitgehend unabhängig von Moskau zu werden. Ein Überblick über die Abhängigkeit:
Würde Deutschland einen Lieferstopp durchhalten?
Vor allem in der gashungrigen Chemie- und Pharmabranche, aber auch in der Stahl-, Keramik- und Glasindustrie sind die Sorgen vor einem plötzlichen Ausbleiben russischer Energie groß. „Ein kurzfristiger und unbefristeter Lieferstopp hätte spätestens im Herbst massive negative Auswirkungen“, sagte jüngst Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie. Während Öl teils aus anderen Regionen beziehbar sei, gebe es bei Gas keinen kurzfristigen Ersatz.
Wie abhängig ist Deutschland bisher noch?
Hochgradig. 2021 bezog die Bundesrepublik laut Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe über 50 Prozent ihres Erdgasbedarfs aus Russland. An den Öleinfuhren hatte Russland einen Anteil von 34 Prozent, bis zum Sommer werden die Importe jedoch voraussichtlich halbiert sein. Bei der Kohle ist Russland für Deutschland Lieferland Nummer eins: 2021 kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamts 57 Prozent der eingeführten Hartkohle und Hartkohleprodukte von dort.
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Einschränkungen von Kohleimporten sollen nach den jüngsten Hinweisen auf russische Kriegsverbrechen Teil des nächsten EU-Sanktionspakets sein. Damit könnte dann bereits auch Deutschland betroffen sein. Das Ministerium erklärte zudem, beim Gas sei inzwischen der Anteil russischer Lieferungen auf gut 40 Prozent gesunken. Bis zum Sommer 2024 könne es gelingen, weitgehend unabhängig von der dominanten Quelle zu werden.
Wie schätzen Ökonomen die Risiken ein?
Die Konsequenzen wären erheblich, ihr Ausmaß ist indes umstritten. Die Volkswirte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung rechnen bei einem Lieferstopp im schlimmsten Fall für 2022 mit einem „Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 6 Prozent“, wie es in einer Sonderanalyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Stiftung hieß. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm glaubt hingegen, dass ein Embargo ein probates Mittel sein könnte, um Sicherheit in Europa zu gewährleisten – auch wenn dies einen ökonomischen Einbruch bedeute. Entscheidend sei, ob man die Gefahren eindämmen könne, indem man dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Einnahmen aus dem Energiegeschäft entziehe.
Kann Deutschland selbst mehr Gas fördern?
Die Eigenförderung der Bundesrepublik ist seit Jahren zurückgegangen – auch weil konventionelle Lagerstätten zusehends erschöpft sind und es Widerstand gegen Methoden wie das Fracking gibt. Heimisches Gas deckt den Verbrauch bestenfalls zu etwa 5 Prozent ab.
Wie hat Deutschland bisher gegengesteuert?
Die Bundesregierung hat per Anordnung die Aufsicht über bislang von Russland geführte Teile der deutschen Gasversorgung übernommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzte die Bundesnetzagentur vorübergehend als Treuhänderin für die deutsche Tochter von Gazprom ein. Zuvor war der Wirtschaftsminister in Norwegen und Katar unterwegs, um Verträge für zusätzliches oder verflüssigtes Erdgas (LNG) auszuloten. Auch mit Kanada sollen entsprechende Gespräche laufen. In Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel sollen nun möglichst rasch LNG-Import-Terminals entstehen. (dpa)