Hoffen auf BewerbungenTausende NRW-Betriebe haben noch Ausbildungsplätze frei

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PRODUKTION - 02.02.2023, Baden-Württemberg, Stuttgart: In einem Bäckerei-Laden in der Markthalle befüllt ein Angestellter eine Brezel mit einer Brezel-Befüllungsmaschine mit Butter.

Kaum Interesse gibt es in NRW derzeit offenbar an einer Lehre im Bäckereiverkauf.

Da derzeit in NRW noch tausende Ausbildungsplätze frei sind, haben auch Kurzentschlossene noch Chancen auf eine Stelle.

Im August noch eine Lehrstelle für September zu suchen, war bis vor wenigen Jahren praktisch aussichtslos. Das hat sich aus Mangel an Schulabgängern komplett gedreht: Aktuell haben noch Tausende Betriebe in NRW Ausbildungsplätze frei und hoffen auf Last-Minute-Bewerbungen. Obwohl die meisten Ausbildungen traditionell im August beginnen, werden zu Anfang dieses Monats landesweit zum Beispiel noch rund 1400 Energietechnik-, 1200 Maschinenbau- und 1100 Hochbaulehrlinge gesucht.

Da nicht einmal annähernd so viele Jugendliche sich um diese Plätze bewerben, stehen die Chancen für Kurzentschlossene sehr gut. Das geht aus den am Dienstag veröffentlichten Daten der Bundesagentur für Arbeit in NRW hervor. Fünf Bewerber auf 100 Stellen Das krasseste Missverhältnis zwischen freien Lehrstellen und dem Interesse an ihnen gibt es beim Verkauf von Lebensmitteln, also der Ausbildung etwa zur Bäckerei- oder Fleischerei-Fachverkäuferin:

Nur fünf Bewerber auf 100 Stellen

Auf die 1438 noch offenen Stellen bewerben sich aktuell in ganz NRW nur 84 junge Menschen – das macht rechnerisch ganze fünf Bewerbungen auf 100 Stellen und ist in den größeren Branchen die mit Abstand niedrigste Nachfrage. Wer sich also vorstellen kann, Wurst oder Brötchen oder beides zu verkaufen, kann sich seinen Betrieb in aller Regel aussuchen.

Ebenso, wer Kraftfahrer, Restaurant- oder Hotelfachkraft, Verkehrskaufmann oder Lagerwirt werden will. Auf die Frage, warum so viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, gibt es mehrere Antworten. Bei 103000 gemeldeten Lehrstellen und 95000 Bewerberinnen und Bewerbern ergibt sich in NRW schon rechnerisch eine riesige Nachwuchslücke.

Viele Bewerber wollen nach Schullaufbahn erst ein Auslandsjahr machen

Das ganze Ausmaß des landesweiten Mangels wird deshalb erst klar, wenn man sich anschaut, wie es für die Jugendlichen nach einer oder mehreren Bewerbungen weitergeht. Mehr als jeder vierte springt laut den Daten der Arbeitsagentur wieder ab: Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres suchen 30300 frühere Bewerber keine Lehrstelle mehr, obwohl sie bislang keine bekommen haben – weil sie erst ein Auslandsjahr, ein soziales Jahr oder ein Sabbatjahr nach ihrer Schullaufbahn einlegen wollen.

Oder weil sie sich letztlich für ein Studium entschieden haben. Nicht viel mehr Bewerber – gut 31000 – hatten NRW-weit Ende Juli tatsächlich einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Sehr oft scheitert es aber auch an profanen Dingen: Der Betrieb ist dem Azubi-Anwärter zu weit entfernt, dem Chef passt dessen Nase nicht, die Noten sind zu schlecht. Oder der Wunschberuf ist bei so vielen Jugendlichen beliebt, dass nicht alle unterkommen.

Berufe wie Tierpflege oder im Einzelhandel besonders beliebt

Denn trotz des allgemeinen Nachwuchsmangels gibt es noch immer Berufe, in denen es zu wenige Plätze für die vielen Interessenten gibt. Darunter sind die Tierpflege, die Floristik, die Immobilienwirtschaft und der Einzelhandel. Und wie eh und je wollen doppelt so viele junge Menschen, in der Regel Männer, Kfz-Mechatroniker werden, wie es Stellen gibt.

Inzwischen herumgesprochen hat sich offenbar, wie sehr IT-Fachkräfte gesucht werden: Für die rund 2500 Männer und Frauen, die eine Ausbildung für Softwareentwicklung und -programmierung machen wollten, gibt es nur 1400 Stellen. Ein großes Sorgenkind in Sachen Nachwuchsmangel ist und bleibt der Bau, mit einer Ausnahme: Der Malerberuf ist sehr beliebt und hält zu wenige Stellen für die Interessierten bereit, während auf dem Hoch- und im Tiefbau gut die Hälfte der Lehrstellen wohl unbesetzt bleiben wird.

Dies, obwohl auf dem Bau inzwischen mit die höchsten Ausbildungsvergütungen gezahlt werden: Nach noch mittelmäßigen 935 Euro im ersten Jahr gibt es schon im zweiten 1230, im dritten 1495 und im vierten 1580 Euro im Monat. Damit will die Branche mehr junge Menschen locken, was bisher aber noch nicht entscheidend zieht.

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