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Zwischen Tönnies und WestfleischStreit um Rinderschlachthöfe eskaliert

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Sowohl Tönnies als auch Westfleisch wollen die Rinderschlachthöfe des Marktführers Vion in Süddeutschland übernehmen

Sowohl Tönnies als auch Westfleisch wollen die Rinderschlachthöfe des Marktführers Vion in Süddeutschland übernehmen

Im Ringen um die Vion-Zerlegebetriebe macht Westfleisch Stimmung gegen Tönnies – das Fleischimperium wehrt sich.

Der Streit zwischen den NRW-Schlachtriesen Tönnies und Westfleisch eskaliert. Beide wollen die Rinderschlachthöfe des Marktführers Vion in Süddeutschland übernehmen. Tönnies war mit den Niederländern bereits handelseinig, aber vom Bundeskartellamt zurückgepfiffen worden, darauf brachte sich Westfleisch in Stellung. Nun legt die Genossenschaft aus Münster nach: „Wir sind bereit, sofort in Übernahmegespräche mit Vion einzusteigen“, heißt es in einem internen Schreiben an betroffene Landwirte in Süddeutschland, das unserer Redaktion vorliegt. Darin wirft Westfleisch dem großen Konkurrenten aus Ostwestfalen „Blockade“ vor und fordert Tönnies auf, seine Klage gegen das Nein des Kartellamts zurückzuziehen.

Davon will Gesellschafter Clemens Tönnies allerdings nichts wissen: „Wir werden um die Vion-Standorte kämpfen und alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, sagte er vor wenigen Wochen. Sein Fleischimperium, das sich inzwischen „Premium Food Group“ nennt, ist der größte deutsche Schweineschlachter und will auch beim Rind die Nummer eins werden. Deshalb hat er gegen die Entscheidung der Wettbewerbshüter Einspruch vor dem Oberverwaltungsgericht Düsseldorf eingelegt.

Bauern fürchten Hängepartie

Dass den Bauern das Warten auf die Entscheidung des Gerichts von bis zu anderthalb Jahren zu lang dauern könnte, ahnen aber beide Kontrahenten. Westfleisch, das als bisher drittgrößter Rinderzerleger in Deutschland mit Vion ebenfalls zum Marktführer aufsteigen würde, will Tönnies zum Rückzug drängen. Man könne noch nicht mit Vion verhandeln, weil die Niederländer „noch bis Anfang kommenden Jahres“ vertraglich an Tönnies gebunden seien und der gegen das Nein des Kartellamts klage, „blockiert aktuell einzig die Premium Food Group eine rasche Lösung“, so die Westfleisch-Manager.

„Die beste Lösung“ wäre ein Zuschlag für Westfleisch, das sich als Genossenschaft ohnehin besser in der Landwirtschaft auskenne, schreiben Unternehmenschef Wilhelm Uffelmann und Aufsichtsratsvorsitzender Jochen Westermann an die Mastbetriebe. Ihre Lösung: „Würde die Premium Food Group den Kartellamtsentscheid akzeptieren, könnte die oft beklagte Hängepartie für die Bauern binnen kürzester Zeit zugunsten einer zukunftssicheren Lösung beendet werden.“ Nämlich der Übernahme durch Westfleisch.

Auch Tönnies hat wenig Lust auf eine lange Hängepartie. Der mögliche Ausweg für sein Unternehmen: Eine Ministererlaubnis aus Berlin könnte das Bundeskartellamt überstimmen. Das hatte etwa 2016 der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bei der Übernahme der Supermarktkette Kaiser's/Tengelmann durch den Marktführer Edeka getan.

Noch hat Tönnies bei der heutigen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) keinen Antrag auf eine Ministerinerlaubnis gestellt, wie unsere Nachfrage ergab. Das Unternehmen betonte aber: „Wir wollen Verantwortung übernehmen für die Zukunft der Landwirtschaft in Süddeutschland und prüfen daher die vom Gesetzgeber vorgesehenen Optionen. Daher schließen wir auch einen Antrag auf Ministererlaubnis weiterhin nicht aus.“

Harsche Auseinandersetzung

Und mit Blick auf die Westfleisch-Initiative erklärt die Premium Food Group, die Übernahme durch einen neuen Käufer würde wegen der aufwändigen Analysen, Planungen, Verhandlungen und der dann anstehenden Überprüfungen durch die Kartellbehörde „länger dauern als eine Ministererlaubnis.“ Weil Tönnies das alles schon gemacht habe, könne es „eine schnelle Lösung nur mit der Premium Food Group geben“.

Das Kartellamt um Behördenchef Andreas Mundt sah die Gefahr einer „marktbeherrschenden Stellung“ von Tönnies in der Rinderschlachtung vor allem in Teilen Süd- und Ostdeutschlands. Dies hätte auch in der Preisgestaltung die Marktmacht von Tönnies „zum Nachteil der Landwirtinnen und Landwirte und der verbleibenden kleineren Wettbewerber in den betroffenen Regionen bedenklich verstärkt“, erklärte Mundt seinerzeit die Entscheidung der obersten deutschen Wettbewerbshüter.

Westfleisch nimmt das als Vorlage, betont gegenüber den Landwirten, eine Übernahme durch Tönnies hätte „gravierende Folgen für die Preisbildung der Schlachtviehpreise“. Westfleisch selbst sei dagegen in Süddeutschland bisher „so gut wie nicht tätig“, eine Übernahme der Vion-Betriebe daher „kartellrechtlich unproblematisch“. Letztlich wirbt Westfleisch damit, die Rindermäster in Süddeutschland könnten „durch unsere Übernahme“ mit „fairen Marktpreisen“ rechnen. Für eine schnelle Lösung bittet Westfleisch in dem Schreiben die Landwirte gar „um Ihre Unterstützung“. Dass Westfleisch, das in der regulären Ausschreibung von Vion zur Übernahme der Schlachthöfe kein Angebot abgegeben hatte, nun derart offensiv vorgeht, hat man im Tönnies Reich in Rheda-Wiedebrück wenig begeistert registriert. Man sei „über die Art und Weise der Kommunikation der Kollegen aus Münster mehr als verwundert“, erklärte das Unternehmen gegenüber unserer Redaktion.

Eine Warnung von Westfleisch an Reiche, Tönnies keine Ministererlaubnis zu gewähren, gehe „schon in Richtung Unanständigkeit“, meinte Clemens Tönnies.