„Unser schlimmster Jahrgang“Viele Hände helfen den Winzern an der Ahr

Das Ahrtal (Symbolbild)
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Köln – Es musste schnell gehen im Ahrtal, um den Weinjahrgang 2021 zu sichern. Nach den Unwettern, die vor drei Wochen zu der Flutkatastrophe mit über 140 Toten geführt hatten, bedrohte weiterer Regen die Trauben in den Weinbergen entlang des Flusses. „Bei Niederschlag ist der Pilzdruck hoch“, sagt Pauline Apell vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), in dem 200 deutsche Winzer organisiert sind.
Deshalb hat der Verband mit dem Adler im Logo schnell die Initiative „Der Adler hilft“ gegründet, die Hubschrauberflüge zur Schädlingsbekämpfung organisiert und finanziert. Geholfen werde allen Winzern an der Ahr, nicht nur den VDP-Mitgliedern, betont Apell. Alle sollen auch von einer laufenden Spendenaktion profitieren. Bei einem Runden Tisch am Freitag will der Verein mit weiteren Organisationen vor Ort über die Verwendung bislang eingegangener Spendengelder sprechen.
Die Ahr und der Wein
Die Ahr gehört zu den kleinen deutschen Weinanbaugebieten. Es erstreckt sich über 25 Kilometer entlang des Flusses mit Kommunen wie Altenahr, Dernau, Bad-Neuenahr-Ahrweiler oder Heimerzheim. 560 Hektar sind mit Reben bestockt. Die 65 Weinbaubetriebe und rund 1000 Nebenerwerbswinzer, die ihren Wein über Genossenschaften vermarkten, haben laut Statistischem Bundesamt im abgelaufenen Jahr gut 31000 Hektoliter der Weinvorstufe Most produziert. In ganz Deutschland waren es 8,5 Millionen Hektoliter. Überwiegend werden an der Ahr rote Trauben angebaut. Sie haben einen Anteil von über 80 Prozent. Vorherrschende Sorte hier ist Spätburgunder. Die an der Ahr erzeugten Weine aus dieser Traube zählen zu den besten Rotweinen Deutschlands. (raz)
Die Solidarität mit den Ahrwinzern ist groß. Es gibt Essen, bei denen Spenden gesammelt werden, oder Weinauktionen und den Verkauf von Weinen zu Gunsten der Flutopfer. Hervorheben möchte der Verein die Aktion „SolidAHRität“, bei der Weinbaubetriebe aus ganz Deutschland und darüber hinaus Weine gespendet haben, die als Weinpaket im Onlineshop des Weinguts St. Antony verkauft werden. Auch bei anderen Aktionen steigen Winzer in ihre Keller und packen Weinpakete, deren Erlös ganz oder in Teilen den Flutopfern gespendet wird. Einen Überblick über die zahlreichen Aktionen bietet etwa das Deutsche Weininstitut.
In den Kellern der Ahrwinzer sieht es dagegen traurig aus. Meterhoch standen sie unter Wasser. Die schlammige Brühe zerstörte alle Geräte und bislang noch ungezählte Flaschen Wein. Abschätzen lasse sich der Schaden noch nicht, so die VDP-Sprecherin. Mindestens 500000 Flaschen konnten nach einer ersten Schätzung aber auch geborgen werden. Verkauft werden sie etwa als „Flutwein“.
„Unser schlimmster Jahrgang“, heißt es auf der Internetseite der Spendenaktion. Die Flaschen werden verschlammt mit teils beschädigten Etiketten und einem Anhänger mit einer laufenden Nummer, der sie als Rarität ausweist, angeboten. Gegen Spenden gibt es einzelne Flaschen oder auch Pakete mit unterschiedlichen Prädikatsweinen. Ein Riesenerfolg: Fast alle Pakete sind schon ausverkauft. Über 2,7 Millionen Euro an Spenden sind so bereits zusammengekommen.
Daneben packen zahlreiche Winzer aus anderen Weinbauregionen – darunter viele von der Mosel – an, damit der Jahrgang 2021 geerntet werden kann. Die Helfer kommen mit Notstromaggregaten, Staplern oder auch Baggern ins Ahrtal. „(Wo)manpower“ sei nötig an der Ahr, so der VDP. Die ortsansässigen Weinbauer müssen sich ja auch um ihre Familien, Wohngebäude und Keller kümmern.
Von der Flut selbst sind die Weinberge kaum betroffen. Die Reben besonders im oberen und mittleren Ahrtal wachsen auf meist nach Süden orientierten felsig-steilen Hängen. Das enge Tal, das vielen Menschen, die in Flussnähe wohnten, zum Verhängnis geworden ist, schützt sie und sorgt für ein mildes Mikroklima. Hier ist allerdings beim Weinbau viel Handarbeit angesagt, damit die Lese des Jahrgangs 2021 gelingt.
Eine Prioritätenliste will Pauline Apell vom VDP nicht aufmachen. Die würde ständig länger werden, sagt sie. Klar sei aber, dass finanzielle Unterstützung vor allem langfristig wichtig ist, um den Weinbau an der Ahr – auch als wichtigen Wirtschaftszweig, Arbeitgeber und touristisches Ziel – zukunftsfähig wieder aufbauen zu können.