Arbeitgeber erklärt die VorteileGroße Studie zur Viertagewoche: „Zahl der Bewerbungen hat sich verdreifacht“

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Für eine große Arbeitsstudie nehmen 45 Unternehmen in Deutschland an einem Test mit einer Viertagewoche teil. (Symbolbild)

Für eine große Arbeitsstudie nehmen 45 Unternehmen in Deutschland an einem Test mit einer Viertagewoche teil. (Symbolbild)

Unternehmen berichten nach dem Start des Pilotversuchs positiv über ihre Erfahrungen. Ein Arbeitgeber in NRW spricht über konkrete Regeln.

Kurz vor der Halbzeit des ersten Pilotversuchs zur Viertagewoche in Deutschland berichten Firmen über positive Erfahrungen mit dem Modell. Insgesamt nehmen 45 Unternehmen an der Studie teil. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit sechs Monate lang auf vier Arbeitstage pro Woche, ohne das Gehalt zu kürzen. Die Testphase läuft von Februar bis August.

„Ich kann von meinen Kolleginnen und Kollegen sagen, dass sie happy damit sind. Wirtschaftlich hat es bisher auch funktioniert“, sagt Roland Walter, Geschäftsführer des Architekturbüros Planwerkstatt. Das Unternehmen aus Kleve am Niederrhein mit 15 Angestellten verringerte die reguläre Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 Stunden.

Zuvor habe es eine Abstimmung darüber gegeben, wie groß das Einsparpotenzial bei der Arbeitszeit ist, berichtet Walter. Vor allem durch eine straffere Meetingkultur und mehr konzentrierte Arbeitsphasen sei das Team auf vier Stunden gekommen, die wegfallen könnten. Während der Testphase arbeitet das Team von montags bis donnerstags jeweils neun Stunden. Der Freitag ist frei, da an diesem Tag ohnehin weniger Kundenkontakt stattfinde.

Rote Linien schützen Mitarbeitende

„Wir haben aber rote Linien festgelegt. Wenn das Arbeitsklima leidet, der Umsatz sinkt oder jemand seine Arbeit nicht mehr schafft und überfordert ist, dann brechen wir den Versuch ab.“ Dass die roten Linien erreicht werden, zeichne sich aber nicht ab. Die Planwerkstatt hat sich, ebenso wie alle anderen Firmen, intensiv auf die Testphase vorbereitet. Dazu gehören auch mögliche Gegenmaßnahmen, falls Stress oder Unzufriedenheit entstehen. Im Herbst sollen die Erfahrungen ausgewertet werden. Dabei hilft auch ein Forschungsteam der Universität Münster, die die Pilotstudie unabhängig begleitet.

Roland Walter wertet insbesondere die Einführung der Fokuszeiten als Fortschritt. Morgens von 9.30 bis 11 Uhr sowie nachmittags von 15.30 bis 17 Uhr ist für alle ablenkungsfreies Arbeiten möglich. In dieser Zeit sind sämtliche Benachrichtigungen ausgeschaltet, Mailprogramme geschlossen und Anrufbeantworter aktiviert.

Ständige Unterbrechungen sind Produktivitätskiller

„Durch Unterbrechungen geht viel Produktivität verloren“, sagt Walter. Deshalb sei ihm wichtig, Akzeptanz dafür zu schaffen, dass Mitarbeitende ungestört arbeiten können, und dazu auch mal mit Kopfhörern am Schreibtisch sitzen – auch außerhalb der regulären Fokuszeiten. „Jeder hat digital und an seinem Arbeitsplatz eine Anzeige, die entweder auf grün oder auf rot steht. Grün bedeutet, jemand ist ansprechbar. Rot bedeutet, dass jemand in einer Deep-Work-Phase ist.“

Für den 60-jährigen Geschäftsführer und Eigentümer des ländlich gelegenen Architekturbüros sprechen neben der verbesserten Arbeitskultur noch andere Gründe für die Viertagewoche: „Wir müssen Antworten finden auf die veränderte Arbeitswelt.“ Aufgrund der digitalen Arbeitsmethoden und der hohen Mieten in den Städten sieht er den ländlichen Raum inzwischen weniger als Standortnachteil. Eine Viertagewoche anbieten zu können erhöhe die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit als Arbeitgeber nochmals erheblich, so Walter. Daneben betont er den Wegfall von Pendelzeiten, der sich positiv auf die CO2-Bilanz auswirke sowie eine bessere Work-Life-Balance mit mehr Flexibilität bei der privaten Terminplanung.

Künstliche Intelligenz spart Zeit

Manuel Schmid, Inhaber einer Hausverwaltung aus Kitzingen, setzt ebenfalls auf eine Viertagewoche von Montag bis Donnerstag. Bisher arbeitete das Team freitags von 8 bis 12 Uhr. Das fällt nun weg. Das Unternehmen setzt unter anderem auf die Zeitersparnisse, die schon heute durch Künstliche Intelligenz ermöglicht werden. „Die KI unterstützt uns zum Beispiel bei der Anrufannahme. Dadurch fällt das zeitintensive Abhören des Anrufbeantworters weg“, sagt Schmid. Daneben hilft die KI bei der Auswertung der Anrufe. Sie schlägt passende Antworten vor und sendet sie an die Kundinnen und Kunden.

In Zukunft soll die Künstliche Intelligenz aber noch mehr leisten und beispielsweise angeforderte Unterlagen versenden und einfache Fragen telefonisch beantworten. „Telefonieren ist in unserer Branche sehr zeitintensiv. Durch die automatisierte Anrufannahme können sich die Mitarbeiter anders strukturieren und viel Zeit sparen“, erklärt Schmid. Auf diese Weise sei es in der Regel möglich, alle offenen Vorgänge bis Donnerstag abzuarbeiten. „Anfänglich hat der ein oder andere Mitarbeiter ein paar Überstunden gemacht. Das hat sich mittlerweile aber eingespielt und es werden kaum noch Überstunden gemacht.“ Die Hausverwaltung plant bereits jetzt, die Viertagewoche dauerhaft einzuführen.

Bewerbungen in Kita verdreifacht

Aber auch ohne Künstliche Intelligenz und Fokuszeiten gelingt es den teilnehmenden Firmen und Einrichtungen, die Arbeitszeit ohne Produktivitätsverlust zu reduzieren. Das Kinderhaus Nürnberg hat die reguläre Arbeitszeit in seinen Betreuungseinrichtungen von 38,5 auf 36 Stunden reduziert. Für Teilzeitkräfte wurde die gleiche prozentuale Arbeitszeitreduzierung um 6,5 Prozent vereinbart. Für ältere Mitarbeitende ab 60 Jahren gelten sogar nur 34 Wochenstunden als neue Vollzeit. Außerdem bietet das Kinderhaus allen Mitarbeitenden optional eine Viertagewoche an.

„Wir haben geschaut, wie wir an der ein oder anderen Stelle effizienter werden können“, erklärt Geschäftsführerin Carola Weise. Manche Besprechungen seien bisher sehr lang gewesen oder fanden häufiger statt als nötig. Auch die großzügige Vorbereitungszeit von vier Stunden pro Woche, die die Erzieherinnen und Erzieher haben, konnte um eine Stunde verringert werden, ohne die Qualität der pädagogischen Arbeit zu gefährden.

Bisher haben rund 10 Prozent der Belegschaft die Viertagewoche gewählt. Für die meisten anderen ist es weiterhin attraktiver, an fünf Tagen, aber dafür kürzer zu arbeiten. Das entlastet nicht nur das dauerhaft am Limit arbeitende Kitapersonal, das bereits für das Kinderhaus tätig ist. Auch für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber scheint das Angebot ansprechend: „Der Bewerbungseingang hat sich im ersten Quartal dieses Jahres verdreifacht gegenüber dem ersten Quartal 2023?, sagt Weise. Drei neu eingestellte Mitarbeitende werden gleich in der Viertagewoche starten.

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