„Von verwirrtem Bruder angeschwärzt“

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Ein vom Generalbundesanwalt angeordneter Anti-Terror-Einsatz von Spezialkräften der Polizei schreckte am Freitag die Eifeler auf. Hiesige Muslime sollten Sprengstoffanschläge geplant haben. Doch schon Samstag sah die Welt im Schleidener Tal wieder friedlicher aus.

SÖTENICH / OBERHAUSEN. War die Razzia am Freitag in der Osmanischen Herberge in Sötenich sowie in drei Wohnhäusern in Oberhausen, Hollerath und Wahlen viel Wirbel um nichts?

Aus Sicht der Eifeler Sufis und ihres Sprechers Peter Hassan Dyck ist das so. Ihrer Meinung nach ist Generalbundesanwalt Kay Nehm den wilden Phantastereien eines „Bruders“ aus dem Naqschbandi-Ordens aufgesessen, der sie angeschwärzt habe. Dabei sei stadtbekannt, dass dieser Bruder „psychisch verwirrt“ sei. Rudolf Weis vom Vorstand der Bruderschaft: „Ein einziger Anruf bei der Schleidener Kripo hätte gereicht, denn dort ist der Mann gut bekannt.“ Stattdessen sei diese völlig unnötige Polizeiaktion gefahren worden.

Vier Personen, so teilte am Samstag Frauke Katrin Scheuten, Sprecherin des Generalbundesanwalts, mit, seien noch am Freitag nach ihrer Vernehmung wieder auf freien Fuß gelassen worden. Die bisherigen Ergebnisse der Durchsuchungen und Vernehmungen hätten nicht ausgereicht, um einen Haftbefehl zu beantragen, erklärte Scheuten. Zu konkreten Erkenntnissen wollte sie sich aber noch nicht äußern. Zunächst müsse eine sorgfältige Auswertung abgewartet werden.

Die genannten vier Personen waren offenbar die Zielpersonen dieser Polizeiaktion. Mitgenommen zur Vernehmung wurden von den Einsatzkommandos aber wesentlich mehr Sufis, nämlich offenbar alle, die in den durchsuchten Häusern angetroffen wurden. Nach Darstellung der Sufi-Sprecher seien dies insgesamt 13 gewesen.

Peter Hassan Dyck, der gerade auf dem Heimflug von einer Zypernreise war, wurde mit seiner Frau Karin am Freitagmorgen bei seiner Ankunft im Düsseldorfer Flughafen festgenommen. Gefesselt sei er abgeführt und zur Vernehmung nach Bonn gebracht worden. Dieses Los teilten auch der Syrer Mohamad Sarkan und dessen Ehefrau Ramona Engel. Zusammen mit den beiden Söhnen Yazir (19) und Ahmad (16) ist Sarkan zu Gast im Oberhausener Haus von Dyck. Der Syrer war mit seiner Frau nach Düsseldorf gefahren, um dort die Dycks abzuholen.

Sohn Ahmad erlebte derweil in Oberhausen aufregende Momente. Er lag im Bett, als der Ruf „Polizei, auf den Boden!“ ertönte. Mit der Waffe im Anschlag habe ihn ein Polizist mit Gesichtsmaske auf den Boden gedrückt und mit einem Plastikband gefesselt. Genauso erging es seinem Bruder Yazir, der gerade unbekleidet aus dem Bad kam, als die Polizei die Wohnung stürmte.

Viel Federlesens machten die SEK-Beamten beim Eindringen in die Gebäude nicht. In der Osmanischen Herberge habe der Hausmeister angeboten, die Türen mit seinen Schlüsseln zu öffnen. Die eindringenden Polizeikräfte hätten es aber vorgezogen, alle Türen einzutreten.

Ähnlich sei es in Hollerath im Haus von Abd al-Hafidh Wentzel gewesen. Dort habe die Polizei die Haustür aufgerammt, obwohl von draußen - wie immer - der Schlüssel gesteckt habe.

Den durch die Razzia entstandenen Sachschaden, so habe die Polizei ihnen lapidar erklärt, sollten die Sufis auflisten und die Rechnung mit Belegen einreichen.

Sichergestellt wurden bei der Razzia alle möglichen Papiere und Schriften, Ordner, CDs, Computer und Bargeld.

Mit keinem einzigen konkreten Vorwurf auf terroristische Aktivitäten sei er bei der Vernehmung von den Beamten konfrontiert worden, erklärte Dyck, der mit seiner Frau und seinen Freunden um Mitternacht das Bonner Polizeipräsidium wieder verlassen durfte. Man habe nur immer wieder gefragt, ob er eine islamistische Gruppe gebildet habe. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass die ihn vernehmenden Beamten genauer über den Naqschbandi-Orden informiert gewesen seien. Und es habe lange gedauert, ehe es ihm mittels seiner Frau gelungen sei, seinen Anwalt hinzuzunehmen.

Am Samstag besprach Dyck mit seinen Freunden und Gästen das Erlebte. Vor allem das energische Vorgehen des Sondereinsatzkommandos bei den Festnahmen, das steht fest, werden die Sufis so schnell wohl nicht mehr vergessen.

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