Blick in die Zukunft der BewegungWie wir in Köln künftig Sport treiben werden

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Am Fühlinger See steht einer der neuen "Trimm-Dich-Pfade". 

Köln – Die Zeiten, in denen sich fast jeder, der Sport treiben wollte, bei einem Verein angemeldet hat, sind lange vorbei. Die Zukunft des Breitensports sieht viel individueller und freier aus, besonders in Großstädten wie Köln oder Bonn.

Um alle Trends im Blick zu haben, hat die Stadt Köln von Wissenschaftlern eine Sportentwicklungsplanung anfertigen lassen. Diese ergab, dass 260.000 bis 290.000 Kölner in Vereinen aktiv sind. Insgesamt gibt es jedoch fast 660.000 Sporttreibende im Stadtgebiet. Der wichtigste Trend ist laut Sportamtsleiter Gregor Timmer, dass immer mehr Menschen zur individuellen Sportausübung tendieren. „Dann, wenn es die Zeit zulässt“, erklärt Timmer. Dabei stehen besonders das Laufen und das im Volksmund als „Calisthenics“ bekannte Training an Stangen mit dem eigenen Körpergewicht hoch im Kurs. Dahinter liegen noch Radfahren, Schwimmen – besonders im Mountainbike-Segment –, Rollsportarten und das Stand-up-Paddling.

Neue Laufstrecken am Stadion in Müngersdorf

Der zweite Trend ist eine Art Folge des ersten: Der Sport findet nicht mehr in Vereinen statt, sondern in den städtischen Grünanlagen. „Also versuchen wir dem entgegen zu kommen und Angebote zu schaffen“, erklärt Gregor Timmer. Er berichtet von einer verstärkten Nachfrage nach Bewegungsparcours. Übungen wie Klimmzüge stehen im Vordergrund. Das fördert Balance und Stabilität. Deswegen wird es in Zukunft mehr dieser Parcours geben.

Das Sportamt und das Amt für städtische Grünanlagen beraten derzeit über die richtigen Positionen, mit einem sinnvollen Abstand. „Wir wollen sie dort errichten, wo die üblichen Laufstrecken sind. So können die Sportbegeisterten sich beim Hinlaufen aufwärmen“, erklärt Timmer. In Köln wurden jüngst einige dieser modernen „Trimm-Dich-Pfade“ eröffnet. Unter anderem einer am Fühlinger See. Die Macher haben auch an Geräte wie eine Art Barren zum Training für Rollstuhlfahrer oder Strickleitern für Kindern gedacht. So erfüllt das Amt die Idee „Sport für alle“.

Das Laufen ist wieder „in“

Neben den „Calisthenics“ ist besonders das Laufen wieder in Mode. Die meisten der üblichen Strecken liegen in den Grünanlagen. Der Amtsleiter weiß: „Es heißt immer, es gebe in Köln keine beleuchtete Laufstrecke, aber die gibt es, nämlich im Rheinauhafen.“ Die Möglichkeiten sollen ausgebaut werden: Für Anfänger wird es demnächst ausgeschilderte – und beleuchtete – Strecken zwischen 1000 und 3000 Metern rund um das Rheinenergiestadion geben.

Um auch auf die weiteren Trends zu reagieren, gibt es in Köln bereits zwei mobile „Pumptracks“. Das sind Skateparks mit Rampen, die schnell auf- und abgebaut werden können. Einer davon steht derzeit in Kalk. Zudem soll eine legale Mountainbikestrecke am Lindlarer Weg in Longerich entstehen und bei der Erschließung des Deutzer Hafens als Wohngebiet wird an einen Freiwasser-Schwimmbereich gedacht.

Trends stellen die Fitnessbranche vor Herausforderungen

Von einem ähnlichen Wandel spricht auch Pierre Houben. Der Sportwissenschaftler war früher Athletiktrainer der Kölner Haie, heute ist er unterstützender Reha- und Athletikcoach bei den Fußballprofis des Hamburger SV. Er hat aber auch sein eigenes Gym in Bonn-Beuel. In seinem „Athletikklub“ bietet er an, funktionelles Training nach eigenem Belieben zu absolvieren. In dem Bereich ist es bisher noch üblich, dass die Kunden in Kursen teilnehmen. Der 35-Jährige hat jedoch einen Raum mit hochwertigem Equipment für Zirkeltraining aufgebaut. An jeder Station stehen unterschiedliche Übungen zur Verfügung, dabei ist es egal, ob jemand 30, 60 oder 90 Minuten trainieren möchte oder kann – ein ausgebildeter Trainer ist stets anwesend. Also geht auch bei den Fitnessstudios der Trend noch mehr zum individuellen Training.

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Der Sportwissenschaftler mit Abschluss von der Kölner Sporthochschule sieht aber noch eine ganz andere Entwicklung: „Viel mehr Frauen machen hochwertiges, funktionelles Training, auch mit Gewichten.“ Vor zehn Jahren seien es noch zwei Drittel Männer und nur ein Drittel Frauen gewesen, heute sei es nahezu umgekehrt.

Weitere Trends, die sich in der Zukunft wohl noch stärker ausweiten, sind Digitalisierung und Drittanbieter wie Urban Sports Club (USC). Beim digitalen Sport ist die Marke Peloton das beste Beispiel: Mit einer virtuellen, spieleähnlichen Aufmachung hat der Hersteller den guten, alten Fahrrad-Heimtrainer revolutioniert und wieder zur Mode gemacht. USC bietet seinen Kunden eine Mitgliedschaft, aber unzählige Clubs. Die Kunden können montags zum Yoga, mittwochs ins Schwimmbad und am Freitag zum Wellness – alles mit einer Mitgliedschaft, die sogar noch monatlich kündbar ist. Diese Freiheit ist die Zukunft des Breitensports.

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