Bewährung30-jähriger bedroht Autofahrer mitten in Neunkirchen-Seelscheid mit Waffe

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Archivbild: Der Eingang zum Amtsgericht in Siegburg.

Neunkirchen-Seelscheid/Siegburg – Es war nachts, als ein Mann mitten auf einer Dorfstraße in Seelscheid stand, ein Auto stoppte und mit einer Pistole auf den Kopf des Fahrers zielte. Eine Verwechslung: Der 30-Jährige mit der Schreckschusswaffe wähnte seine Ex-Freundin auf dem Beifahrersitz, doch die junge Frau sah der Verflossenen nur ähnlich. Dieser Angriff gehört zu einer ganzen Reihe von Aggressionstaten, für die sich der Seelscheider nun vor Gericht verantworten musste.

Auf der Anklagebank saß kein Wildwesttyp, sondern ein schmaler Typ, der immer wieder in Tränen ausbrach, zu seiner Mutter im Zuschauerraum schaute. Ein ernster Mensch mit einer Angststörung, erläuterte der psychiatrische Gutachter. Die rühre wohl aus der Kindheit her, dem ständigen Streit der Eltern, der Trennung, der Ohnmachts- und Schuldgefühle des Kindes. Er entwickelte, so das Gutachten, eine „Herzangstneurose“, war überzeugt, todkrank zu sein. Um die innere Unruhe zu bekämpfen, warf er starke Medikamente ein. Diese Dauersedierung habe indes verhindert, dass er Krisen bewältigte, dass er lernte, mit Frustrationen klarzukommen, erklärte der Psychiater.

Neunkirchen-Seelscheid: 30-Jähriger drohte Polizistin damit, sie zu töten

Die Lebensgefährtin erschien dem Angeklagten lange als Anker, doch immer wieder gab es Streit, dann folgte das immer gleiche Muster: Er betäubte sich, auch mit Alkohol und anderen Drogen. Setzte sich hinters Steuer, obwohl er keinen Führerschein mehr hatte, rastete aus. Fünf Anklagen trug die Staatsanwaltschaft vor: vorsätzliche Trunkenheitsfahrten, Nötigungen, Beleidigungen, Bedrohungen.

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So schrie er eine Polizistin bei der Festnahme an: „Ich merke mir deinen Namen, du wirst sterben, ich habe Kontakte zur Mafia.“ Erneut auf einer Kreuzung in Seelscheid bremste er am helllichten Tag einen jungen Mann aus, drohte mit einem Schraubendreher: „Willst du den in den Hals haben?“

Grund: Der Kontrahent habe seinen BMW „respektlos“ angeschaut. Der hat ihm das offenbar nicht nachgetragen, der Zeuge begrüßte den Angeklagten mit Handschlag. Auch bei seinen früheren Nachbarn, die sich über eine Ruhestörung beklagten, habe er für das anschließende massive Ausrasten um Entschuldigung gebeten, führte der Strafverteidiger aus: „Die laute Musik war sein Mittel, um zur Ruhe zu kommen. Die Box hat er jetzt verkauft.“

Verfolgungsjagd durch Neunkirchen-Seelscheid mit 100 km/h

Der schwerwiegendste Fall ereignete sich im November 2021. Er lieferte sich nachts volltrunken eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, raste im Auto seiner Mutter mit mehr als 100 Stundenkilometern durch Seelscheid und angrenzende Dörfer, baute einen Unfall und flüchtete in den Wald. Der Schaden an Streifenwagen und Verkehrsschild: rund 14.000 Euro. Das war wohl der Wendepunkt.

Der Angeklagte habe begonnen, etwas zu verändern, so der Gutachter. Er sei therapiefähig, die Medikamente reduziere er langsam unter ärztlicher Aufsicht. Für zwei Fälle verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 1000 Euro (100 Tagessätze), für die weiteren Straftaten zehn Monate auf Bewährung. Der 30-Jährige muss sich in Therapie begeben und mit Screenings seine Drogenfreiheit beweisen.

Bei den ersten Taten war auch sein Kumpel dabei, gegen den das Verfahren gegen eine Geldbuße von 3000 Euro, zahlbar an ein Kinderheim, eingestellt wurde. Auch bei dem 34-jährigen gab es eine Wende im Leben: Bei einem Streit erhielt er einen Schlag mit dem Golfschläger auf den Kopf, bei der OP im Krankenhaus wurde ein Gehirntumor entdeckt. Seitdem ist der Vater einer siebenjährigen Tochter zu 50 Prozent schwerbehindert, arbeitet aber wieder in seinem Job als Fensterbauer.

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