Die SPD-Arbeitsministerin den Wunsch der Union nach Einsparungen im Sozialbereich als „Bullshit“ bezeichnet. Taugt das nun zu einem Aufreger? Ein Kommentar
Bullshit“-Aussage von Bärbel BasSind Kraftausdrücke in der Politik jetzt okay?

Berlin: Bärbel Bas (SPD)
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Seit einiger Zeit gehört es in Deutschland zu den unverzichtbaren Bestandteilen einer jeden Gegenwartsdiagnose, die politische Stimmung besonders „aufgeheizt“ zu finden. Für diesen Eindruck mag auch manches sprechen – aber daneben gibt es eben auch manchmal ermutigende Signale der Entspannung. In diesem Sinne ist es zum Beispiel eine gute Nachricht, dass Bärbel Bas soeben „Bullshit“ gesagt hat.
Konkret hat die SPD-Arbeitsministerin den Wunsch der Union nach Einsparungen im Sozialbereich als „Bullshit“ bezeichnet. Das kann man nur mit sehr viel gutem Willen noch mit „Mist“ übersetzen statt mit „Scheiße“: ein Kraftausdruck auf jeden Fall, der, wenn Bas ihn im amerikanischen Fernsehen benutzt hätte statt auf einer Konferenz der nordrhein-westfälischen Jusos, wohl von der Regie mit einem Piepton kaschiert worden wäre.
Bas, das ließe sich ergänzen, war bis vor Kurzem Bundestagspräsidentin, also die protokollarische Nummer 2 des Landes. In dieser Funktion hob sie unter anderem das Ordnungsgeld für pöbelnde Abgeordnete an, weil Politiker „stärker auf ihre Sprache achten“ müssten. Kurz und gut: Wenn man bedenkt, dass dieses Land noch im letzten Bundestagswahlkampf kollektive Schnappatmung hatte wegen Olaf Scholz „Tünkram“-Spruch gegen Friedrich Merz, taugt Bärbel Bas Wortwahl, die auch noch dem eigenen Koalitionspartner galt, jetzt ja wohl erst recht zum Aufreger. Würde man meinen.
Aber siehe da: Der Aufschrei bleibt aus. Und das lässt hoffen, dass bei allen Spaltungsdiagnosen in Politik und Gesellschaft eben doch noch nicht alle Maßstäbe ins Rutschen gekommen sind.
Bas Bullshit steht rhetorisch, gerade auch mit seiner einschränkenden Umrahmung („und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck“), in der Schalk-Tradition des berühmten Joschka-Fischer-Diktums aus dem Bonner Plenarsaal: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.“
Und die sonst so nervösen Kommentatoren und Konkurrenten lassen ihr die Formulierung durchgehen als das, was sie ist, ein wenig zu flapsig, aber so weiß man wenigstens, was gemeint ist. Zumal der Rahmen ja auch nicht gerade der Festakt zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes war. Kommt die Zeit der künstlichen Empörung in der Politik also langsam an ihr Ende? Wünschenswert wäre es. Gibt ja auch so noch genug, sagen wir, Mist.