Die CSU hat die finale Stufe der Mütterrente durchgesetzt, die CDU eine niedrigere Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Nur zwei Beispiele für kostspielige Vorhaben im Koalitionsvertrag, die manche für sinnvolle Maßnahmen halten – und andere für Klientelpolitik.
Rundschau-Debatte des TagesWer profitiert von den schwarz-roten Wahlgeschenken?

Ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gilt derzeit für Speisen im Restaurant – nach den Plänen von Schwarz-Rot sollen es bald nur noch sieben Prozent sein.
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Mit der Vereidigung von CDU-Kanzler Friedrich Merz und den Ministern an diesem Dienstag kann die neue Bundesregierung endlich loslegen. Trotz aufgeweichter Schuldenbremse und Sondervermögen wollen Union und SPD in den nächsten vier Jahren kräftig sparen. Doch im Koalitionsvertrag finden sich auch milliardenschwere Vorhaben, wenngleich diese „unter Finanzierungsvorbehalt“ stehen. Zum Teil sind es Pläne, die auch die scheidende Ampel-Regierung auf dem Zettel hatte – sie wegen knapper Haushaltskassen aber verwarf. Fünf besonders umstrittene „Wahlgeschenke“ im Überblick.
4,5 Milliarden Euro für die Mütterrente: Richtig, aber falsch finanziert?
Schon im Wahlkampf hatte die CSU die große Schwesterpartei CDU wieder einmal mit dem Thema Mütterrente vor sich hergetrieben. Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bekommen bislang im Gegensatz zu anderen Eltern keine vollen drei Rentenpunkte obendrauf. Das Bundesverfassungsgericht sah diese Ungleichheit schon 1996 als verfassungskonform an – damals bekamen ältere Eltern nur einen Rentenpunkt für die Kindererziehung.
2014 setzt die CSU erfolgreich eine Erhöhung für diese Gruppe auf immerhin zweieinhalb Rentenpunkte durch. Nun soll die Ungleichheit komplett beseitigt werden: Drei volle Rentenpunkte für alle Eltern, unabhängig vom Geburtsjahr des Kindes. CSU-Chef Markus Söder nennt das „ein Zeichen des Respekts“. Der Plan würde die Deutsche Rentenversicherung nach deren Angaben mehr als vier Milliarden Euro kosten. Dafür erhalten die begünstigten knapp zehn Millionen Rentner jeweils rund 20 Euro mehr im Monat. So viel ist der halbe Rentenpunkt ab Juli 2025 wert.
Die Junge Union etwa hatte sich gegen dieses Wahlgeschenk ausgesprochen – der Unions-Nachwuchs sieht die junge Generation dadurch zunehmend belastet. Der Sozialverband VdK kritisiert, dass die Mütterrente nicht von allen Steuerzahlern, sondern aus der Rentenversicherung und damit nur von den gesetzlich Versicherten bezahlt wird. „Die Erziehungsleistung kommt der gesamten Gesellschaft zugute – auch Beamten, Selbstständigen und Gutverdienenden, die nicht einzahlen“, sagte die VdK-Vorsitzende Verena Bentele dem Onlineportal „T-Online“.
Bis zu vier Milliarden für Gastro-Steuer: Geschenk für die Fast-Food-Branche?
Die Union hat nie Zweifel daran gelassen, dass sie die Mehrwertsteuer für Speisen im Restaurant senken will – von 19 auf 7 Prozent. Schon die letzte Regierung von Angela Merkel hatte die Steuer zeitweise für die Branche gesenkt, um durch die Corona-Pandemie erfolgte Einbußen im Gastro-Gewerbe abzumildern. Nach mehreren Verlängerungen lief die Steuererleichterung Ende 2023 aus.
Sehr zum Missfallen der Union und der Gaststättenverbände. Unter anderem, weil der Staat für Essen außer Haus nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhebt. Mit einer Steuersenkung für Speisen im Restaurant müsste er wohl auf drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr verzichten, wie das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln vorrechnete. Zu viel Geld für die Ampel, der nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes in Folge einer CDU-Klage 60 Milliarden Euro im Haushalt fehlten.
Während der Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) auch wegen dieser Ankündigung im Wahlkampf offen Friedrich Merz unterstützte, ist die Kritik an der Steuersenkung von Opposition und Organisationen vielfältig. Etwa, weil es sich um eine steuerliche Bevorteilung einer einzelnen Branche handelt, die höchstens jene Menschen spüren, die sich das Essengehen leisten können. Dazu kommt: Außer für Wasser und Milch bleibt die Mehrwertsteuer für Getränke bei 19 Prozent. Bars und Kneipen profitieren also nicht.
Wer in jedem Fall profitiert, sind große Gastroketten. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch rechnet damit, dass allein McDonalds dank der Steuererleichterung mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr spart, die Fast-Food-Branche insgesamt eine halbe Milliarde Euro. Innerhalb eines Monats sammelte Foodwatch rund 45.000 Unterschriften gegen die Pläne zur Steuerabsenkung.
Der McDonalds-Konzern, der so von der Steuersenkung profitieren würde, war bereits im Wahlkampf beliebtes Ziel von Unionspolitikern. Söder und Merz versuchten sich mit einem Biss in den Burger via Instagram volksnah zu zeigen, der designierte Kanzleramtsminister Torsten Frei bezeichnet sich öffentlich gar als „McDonalds-Fan“.
Hunderte Millionen für die Pendler: Wer profitiert am meisten?
Die Pendlerpauschale wird unter anderem vom Umweltbundesamt als klimaschädlich kritisiert. Denn auch wenn die Steuererstattung für alle Verkehrsmittel gilt: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nutzen 84 Prozent aller Pendler zumindest teilweise das Auto, allerdings stammt diese Erhebung aus dem Corona-Jahr 2020, als öffentliche Verkehrsmittel ohnehin weniger genutzt wurden. Bei einer Umfrage der Versicherung Allianz Direct gaben zwei Drittel der Pendler an, das Auto zu nutzen.
Nun will die neue Regierung die Entfernungspauschale erneut erhöhen: 38 statt 30 Cent pro Kilometer soll es künftig geben. Derzeit gibt es 38 Cent erst ab dem 21. Kilometer Pendel-Weg. Prozentual würden Arbeitnehmer mit kurzen Strecken von der Erhöhung also am meisten profitieren. Experten rechnen mit mehreren Hundert Millionen Euro. Insgesamt kostet die Pendlerpauschale den Staat rund 5,5 Milliarden Euro jedes Jahr.
440 Millionen Euro für Agrardiesel: Lehre aus den Bauernprotesten?
Mit ihrer Streichung der Agrardiesel-Subventionen als Sparmaßnahme löste die Ampelregierung Ende 2023 massive Bauern-Proteste aus. Schwarz-Rot will genau diese Begünstigung wieder einführen, beziehungsweise ihr faktisches Ende verhindern. Erst ab 2026 sollte es überhaupt keine Rückvergütung für die Landwirte mehr geben. Unter der Merz-Regierung bekommen die Landwirte dann wieder 21,48 Cent pro Diesel-Liter vom Steuerzahler zurück. Kostenpunkt insgesamt: 440 Millionen Euro jährlich.
Kritik kommt neben Umweltschützern auch vom Agrarökonomen Alfons Balmann: „Wenn dafür Geld vorhanden sein sollte, hat die künftige Bundesregierung entweder sehr viel Angst vor den betreffenden Lobbygruppen oder sie nimmt die finanziellen Restriktionen nicht wirklich ernst“, sagte der Direktor des Leibniz-Institutes für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien dem Bayerischen Rundfunk.
Halbe Milliarde Euro für steuerfreie E-Autos: Braucht es diesen Anreiz?
Schwarz-Rot plant eine neue E-Auto-Förderung als Wahlgeschenk an die nicht in den Tritt kommende deutsche E-Auto-Industrie. Auch Plug-in-Hybride sollen wieder gefördert werden, obwohl selbst Umweltverbände an deren Sauberkeit zweifeln. Unter anderem will die neue Regierung die Kfz-Steuer-Befreiung für Elektrofahrzeuge bis 2035 verlängern.
Ein Blick nach Österreich zeigt, was das für den Staatshaushalt bedeuten kann. Hier sind Stromer mittlerweile steuerpflichtig, durchschnittlich zahlen Halter 400 Euro im Jahr. Bei rund 1,6 Millionen zugelassenen E-Fahrzeugen in Deutschland würde das 640 Millionen Euro Einnahmen jährlich bedeuten, auf die Schwarz-Rot für den Kaufanreiz weiter verzichtet.