Merz und Macron fordern zu Recht weniger Abhängigkeit von US-Tech-Konzernen. Doch zwischen dem richtigen Befund und der Umsetzung liegen Milliarden Euro und die harte Realität, dass Europa das digitale Geschäft verschlafen hat.
Europas digitale SouveränitätNicht zum Idioten machen

Bundeskanzler Friedrich Merz (l, CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron nehmen an einem Treffen mit einer Gruppe von Investoren auf dem Gipfel zur europäischen digitalen Souveränität teil.
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Kanzler Merz und Frankreichs Präsident Macron sind sich einig: Die Abhängigkeit Europas im digitalen Bereich muss verringert werden. So klar und richtig der Befund ist, so schwierig ist er umzusetzen. Damit sich digitale Souveränität nicht nur in einem Gipfeltitel, sondern auch im Handeln widerspiegelt, braucht es vor allem eines: viele Milliarden Euro und Unternehmen, die den Aufbau von Cloud-Speichern, Rechenzentren oder KI-Modellen auch umsetzen können.
Die Ausgangslage ist ernüchternd: Die digitale Infrastruktur – von Mobilfunkmasten über Rechenzentren bis hin zu Software-Anwendungen – ist zwar das Rückgrat unserer Gesellschaft. Doch ist sie zugleich ein Milliardengeschäft. Ein Milliardengeschäft, das Europa verschlafen hat. Das hat dazu geführt, dass wir heute von ausländischen, oft US-amerikanischen Konzernen, abhängig sind. Digitale Champions aus Europa? Abgesehen von SAP, Fehlanzeige.
Diese Abhängigkeit war bis vor Kurzem auch kein Problem. Doch durch geopolitische Spannungen und globale Wirtschaftskonflikte ist sie inzwischen eines. Könnten die USA oder China einen Schalter umlegen und von heute auf morgen alle Technik, die von dort kommt, lahmlegen: Europa wäre aufgeschmissen. Privatleute, Unternehmen und auch der Staat. Doch nicht nur das. Der Kontinent erlebt gerade, wie große Tech-Konzerne aus den USA versuchen, mit politischem Rückenwind europäische Regulierungen auszuhebeln.
Mehr digitale Souveränität ist deshalb zwingend notwendig. Der ehemalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Digitales, Thierry Breton, sprach jüngst davon, Europa dürfe sich nicht zu „nützlichen Idioten“ machen. Doch Souveränität entsteht nicht über Nacht – und kann nicht gekauft werden. Wohl aber können Anreize für Unternehmen geschaffen werden, in Europa zu investieren. Es braucht deutlich mehr solcher Leuchtturmprojekte wie das des schwäbischen Milliardärs, der elf Milliarden Euro in die Hand nimmt, und ein riesiges Rechenzentrum im Spreewald baut.
