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Rundschau-DebatteFordern wir den Ukrainern zu wenig ab? So machen es die Nachbarn

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Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet bekommen die staatliche Leistung in der Regel ohne weitere Formalitäten.

Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet bekommen die staatliche Leistung in der Regel ohne weitere Formalitäten. 

Die Union findet, dass die finanziellen Leistungen für Flüchtlinge aus dem vom Krieg gebeutelten Land zu hoch ausfallen. Speziell das Bürgergeld wollen sie ihnen streichen – um mehr Anreiz zu schaffen, eine Arbeit aufzunehmen. Wie gehen das andere EU-Länder an?

Zu hohe Sozialleistungen, zu wenig Anreiz zum Arbeiten: CDU und CSU kritisieren die Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge mit Bürgergeld. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) will ihnen künftig nur noch die geringeren Asylbewerberleistungen gewähren. Man bringe hier Leistungen aus „wie es kein anderes Land der Erde tut“, sagt Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU). Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zieht den Vergleich zu Ukrainern in Frankreich, Holland, Polen und Tschechien: „Überall dort ist die Quote der Menschen, die arbeiten, viel, viel höher als bei uns.“ Aber was ist in diesen Ländern anders? Eine Übersicht.

Polen

In Polen ist die Beschäftigungsquote bei ukrainischen Flüchtlingen knapp doppelt so hoch wie in Deutschland. Rund 65 Prozent sind erwerbstätig, wie eine im Dezember veröffentlichte Studie des polnischen Ökonomischen Instituts ergab. Bei Deutschlands östlichen Nachbarn leben 993.000 ukrainische Bürger mit Schutzstatus.

In Polen haben ukrainische Flüchtlinge Anspruch auf monatlich umgerechnet 180 Euro Kindergeld pro Kind. Für das zweite und jedes weitere Kind gibt es während der ersten zwei Jahre noch ein Betreuungsgeld von 117 Euro im Monat. Außerdem haben die Geflüchteten kostenlosen Zugang zum Bildungssystem und zur Gesundheitsversorgung. Damit sind sie polnischen Familien gleichgestellt. Bürgergeld für Erwachsene ohne Behinderungen, die keine Arbeit finden können oder wollen, gibt es in Polen grundsätzlich nicht.

Die hohe Beschäftigungsquote erklärt sich nicht nur daher, dass die Sozialleistungen nicht zum Leben reichen. Zum einen sind die sprachlichen Barrieren geringer als in Deutschland: Ukrainisch-Sprecher haben es wegen der Nähe beider Sprachen relativ leicht, Polnisch zu lernen. Zudem waren vor Kriegsbeginn rund 1,5 Millionen Ukrainer in Polen beschäftigt. Es gibt hier also Netzwerke, auf die Flüchtlinge bei der Arbeitssuche zurückgreifen können.

Tschechien

Tschechien rühmt sich, gemessen an der Bevölkerungszahl von nicht ganz elf Millionen die meisten ukrainischen Flüchtlinge aller EU-Staaten aufgenommen zu haben. Das Innenministerium in Prag zählt 581.184 Ukrainerinnen und Ukrainer. Ähnlich wie in Deutschland ist sie Unterstützung für Ukrainer mit Schutzstatus in Tschechien umfangreicher als jene für Asylbewerber.

Sie lässt sich aber nicht einfach in Zahlen fassen, weil sie sich aus vielfältigen Leistungen zusammensetzt, auch Sachleistungen. Sozial- und Wohnbeihilfen werden unter Berücksichtigung eigener Einkommen und Vermögen berechnet und so gestaffelt, dass sie zur Arbeitsaufnahme motivieren. Ein Drittel der Ukrainer mit Schutzstatus waren nach Informationen der Nachrichtenagentur CTK vom April Kinder und über 65-Jährige. Von den anderen hatten rund 60 Prozent eine Arbeit.

Italien

In Italien waren nach Eurostat-Daten im Juni 2025 mehr als 168.000 Menschen aus der Ukraine mit vorübergehendem Schutzstatus. Sie haben wie italienische Bürger Zugang zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt sowie zum Bildungssystem, Studium, zur Berufsausbildung und zu Praktika.

Wer bei der Ankunft keine Unterkunft hat, kann in Hotels, religiösen Einrichtungen oder im dezentralen Aufnahmesystem wohnen. Wer privat lebt, erhielt bis April 2025 einen Unterhaltszuschuss von 300 Euro pro Erwachsenen und 150 Euro pro Minderjährigem, für höchstens drei Monate. Diese finanzielle Unterstützung wurde nur gewährt, wenn der Schutzstatus bis Ende Januar 2025 erteilt worden war. Seit April wird kein Geld mehr ausgezahlt – es gibt nur noch Sachleistungen in Form von Unterkunft.

Ein Bericht des Arbeitsministeriums zeigt: Zwischen März 2022 und Juni 2023 kamen rund 174.000 Menschen aus der Ukraine nach Italien, überwiegend Frauen und Minderjährige.

Niederlande

Etwa 124.000 ukrainische Flüchtlinge leben in den Niederlanden, die meisten in staatlich finanzierten Unterkünften. Jedem Ukrainer steht das sogenannte „leefgeld“ zu – ein Beitrag zum Lebensunterhalt wie Essen und Kleidung. Im Schnitt bekommt ein Erwachsener im Monat 315 Euro. Der Betrag kann je nach Alter und Familiengröße geringer sein. Die Menschen bekommen kein Geld für Essen, wenn sie in ihrer Unterkunft verpflegt werden.

Sobald ein Ukrainer einer bezahlten Arbeit nachgeht, entfällt der Anspruch auf das „leefgeld“ für die gesamte Familie. Die Familie bekommt dann aber wie auch andere Bürger des Landes Kindergeld oder bei geringem Einkommen andere Beihilfen wie etwa Wohngeld. Zurzeit haben etwa 60 Prozent der Ukrainer eine bezahlte Arbeit.

Bulgarien

Für Geflüchtete aus der Ukraine ist das ärmste EU-Land Bulgarien eher ein Transitland. Von fast 3,4 Millionen Ukrainern, die nach Kriegsbeginn 2022 in Bulgarien eingereist waren, leben dort aktuell rund 60.800 Menschen. Sie dürfen arbeiten und sich bei den Arbeitsämtern registrieren. Im November 2024 waren nach Angaben der Botschaft 14.000 Menschen aus der Ukraine in Bulgarien in Arbeit.

Die Geflüchteten haben unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf eine einmalige Unterstützung von umgerechnet bis zu 806 Euro. Menschen aus der Ukraine können auch diverse Sozialleistungen und Wohngeld unter gleichen Bedingungen beantragen wie Bulgaren. Geflüchtete ohne eigene Wohnung werden in staatlich finanzierten Unterkünften untergebracht und verpflegt.

Rumänien

Rumänien knüpft Sozialleistungen für die Geflüchteten weitestgehend daran, ob sie arbeiten oder es zumindest versuchen. Einzelpersonen bekommen monatlich umgerechnet etwa 100 Euro, Familien dreimal so viel. Schon nach einem Monat ist Bedingung für die Hilfe, dass Betroffene Arbeit oder Jobsuche nachweisen und ihre Kinder in Schulen anmelden. Sie bekommen die medizinische Grundversorgung wie alle versicherten Rumänen bei Krankheitsfällen mit Lebensgefahr.

Seit Kriegsbeginn haben 11,1 Millionen Ukrainer die rund 650 Kilometer lange gemeinsame Grenze nach Rumänien überquert. Rund 100.000 sind in Rumänien geblieben. In dieser Zeit hat das Arbeitsamt (Stand Januar) 24.057 ukrainische Geflüchtete registriert. (dpa)