Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten bleibt die Lebenszufriedenheit der Deutschen stabil. Doch wachsende soziale Kluften verstärken regionale Unterschiede.
GlücksatlasGefühlt geht alles den Bach runter – glücklich sind wir dennoch

Nach der überwundenen Corona-Krise nimmt die Zufriedenheit der Deutschen wieder zu, wobei Kriegsängste die Stimmung trüben.
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Die Lebenszufriedenheit der Bundesbürger stabilisiert sich auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Fast jeder Zweite ist dem aktuellen Glücksatlas zufolge hochzufrieden mit seinem Leben. Das ist umso erstaunlicher, als gefühlt doch alles den Bach runtergeht: teure Lebenshaltung, marode Infrastruktur, soziale Spaltung, wachsende Angst vor Jobverlust und Krieg, und dazu noch die Ungewissheit, wann die Wirtschaft endlich aus der Rezession kommt. Ist die Stimmung also besser als die Lage?
Wer die Zufriedenheit der einen feiert, darf die Unzufriedenheit anderer nicht aus dem Blick verlieren. Dass es sich in einer wohlhabenden Stadt wie Hamburg mit ihrer hohen Millionärsdichte ganz ordentlich leben lässt, verwundert ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, einem Land mit überdurchschnittlich hoher Armutsquote, deutlich unzufriedener sind.
Bundesweit ist die Zufriedenheit mit dem Einkommen im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Besonders auffällig: Der Rückgang findet sich ausschließlich in den unteren Einkommensgruppen – ein Indiz dafür, dass die Kluft zwischen Arm und Reich spürbar wächst.
Von so mancher Wohlstandsinsel lässt es sich bequem auf Armutsregionen hinabsehen. Die Stimmung in manchen Milieus droht zu kippen. Der Vertrauensverlust gegenüber den Parteien der Mitte, der sich auch in der Unbeliebtheit der schwarz-roten Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz manifestiert, ist groß. Wie anders ist es zu erklären, dass vom rauen politischen Klima vor allem die Extreme links und rechts profitieren?
Umfragen zum Glücklichsein liefern wertvolle Trend- und Stimmungsbilder. Sie sind aber alles andere als objektive Werte gesellschaftlichen Wohlergehens und deshalb mit Skepsis zu genießen. Die Ergebnisse sind stets ein Spiegel subjektiver Wahrnehmung, die sich je nach persönlichen Umständen der Befragten innerhalb kürzester Zeit ändern kann.
So bleibt am Ende die Frage, ob die bundesweite Stabilisierung der Lebenszufriedenheit nicht vorrangig von jenen getragen wird, die mit den Zumutungen der Gegenwart weniger kämpfen müssen als jene, die weniger vom Glück geküsst sind. Politische Verantwortung beginnt, wo die Statistik endet – und Umfragen zur bürgerlichen Befindlichkeit entlassen niemanden aus der Pflicht, schwierige Lebensverhältnisse zu verbessern.
