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Kontaktgebühr beim ArztEine Provokation, die nach hinten losgeht

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2 min
ARCHIV - 22.08.2023, Berlin: Stethoskope hängen während eines Pressetermins in einer Praxis.

Mit der Forderung nach einer „Kontaktgebühr“ für Patienten beim Arzt hat Kampeter den Bogen nun aber überspannt.

Die geplante Praxisgebühr ist unsozial und kontraproduktiv. Wer so provoziert, schadet der Debatte und verschärft soziale Ungleichheit.

Damit, dass seine Forderung einen Sturm der Entrüstung auslösen würde, dürfte BDA-Geschäftsführer Steffen Kampeter gerechnet haben; er ist als ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter politisch erfahren und hat als Staatssekretär im Finanzministerium die Euro-Krise mit gemanagt, bevor er auf die Lobbyseite der Arbeitgeber gewechselt ist. Provokation ist für Kampeter kein Fremdwort. Mit der Forderung nach einer „Kontaktgebühr“ für Patienten beim Arzt hat er den Bogen nun aber überspannt.

Hausärzte sind empört. Ihre Einwände sind gleich mehrfach stichhaltig. Eine bei jedem Arztbesuch zu zahlende Praxisgebühr ist an sozialer Ungerechtigkeit kaum zu überbieten; schon heute gibt es ohnehin eine soziale Schieflage bei der medizinischen Versorgung. Zudem drohte der Obolus Menschen dazu zu bewegen, notwendige Arztbesuche zu unterlassen oder aufzuschieben – mit gesundheitlichen Folgen, die die Krankenkassen am Ende noch teuer kommen könnten als ein überflüssiger Arztbesuch.

Eine in der Vergangenheit im Quartal zu zahlende „Praxisgebühr“ hat ihre Steuerungswirkung überdies weitgehend verfehlt und wurde – auch wegen des bürokratischen Aufwands – wieder abgeschafft. Warum also bringen die Arbeitgeber eine Neuauflage ins Gespräch, wenn die inhaltlichen Argumente so dürftig sind?

Natürlich müssen die Kosten im Gesundheitssystem sinken. Und die Krankenkassenbeiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber hälftig zahlen, gilt es zu stabilisieren, damit die Lohnnebenkosten nicht weiter aus dem Ruder laufen. Aber Eintritt für den Arztbesuch zu erheben, ist der falsche Weg.

Denn nach dem von der schwarz-roten Bundesregierung anvisierten verpflichtenden Primärarztsystem, soll gerade die Hausarztpraxis als erste Anlaufstelle das Ärzte-Hopping verhindern, indem sie nur bei Bedarf an Fachärzte verweist.

Die Bürger brauchen Entlastung und nicht zusätzliche Belastung. In manchen Einkommenssphären scheint das noch nicht angekommen zu sein.

Mit einer instinktlosen Forderung, wie sie nun erhoben wurde, erweisen die Arbeitgeber ihren Anliegen einen Bärendienst – und treiben den berühmten „kleinen Mann“ direkt in die Arme jener Parteien, die sich links oder rechts der Mitte positionieren. Bevor man provoziert, sollte man wissen, was man tut – sonst provoziert man nur Kopfschütteln.