Kommentar zu NahostWie die Hamas mit sadistischem Kalkül vorgeht

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Aschkelon: Israelische Feuerwehrleute löschen ein Feuer, das von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde.

Aschkelon: Israelische Feuerwehrleute löschen ein Feuer, das von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde.

Der terroristische Überfall mit Hunderten Mordopfern und rund 100 Geiseln zwingt Israel zu beginnen, was man tunlichst vermeiden wollte.

Krieg gegen die Hamas: Allein schon der Umstand, dass die israelische Regierung sich genau 50 Jahre nach dem Yom-Kippur-Krieg genötigt sieht, den Kriegszustand zu erklären, zeigt, wie gut das sadistische Kalkül der islamistischen Terroristen und ihrer iranischen Hintermänner aufgeht.

Viele Jahre lang war es das Ziel von Politik und Militär in Israel, den Konflikt mit den palästinensischen Terrorgruppen Hamas und Hisbollah in möglichst engen Grenzen zu halten. Der Iron Dome schützte die Zivilbevölkerung weitgehend vor dem Raketenterror. Luftschläge gegen Stellungen der beiden Organisationen reichten in der Regel aus, die Angriffe einzudämmen. Der terroristische Überfall mit Hunderten Mordopfern und rund 100 Geiseln zwingt Israel nun, das zu beginnen, was man tunlichst vermeiden wollte: eine große Luft- und Bodenoperation im dicht besiedelten, von Tunnelanlagen durchzogenen Gazastreifen mit dem Ziel, die Geiseln zu befreien und die Hamas-Strukturen zu zerschlagen.

Wie groß die Operation wird, zeigt sich schon daran, dass Israel nicht mehr die palästinensischen Bewohner einzelner Häuser warnt, die man bombardieren wird, sondern nur noch einzelne für Zivilisten sichere Gebiete im Gazastreifen definiert, die man nicht beschließen wird.

Viele israelische Soldatinnen und Soldaten werden dabei sterben, und das Leben der Geiseln ist in höchster Gefahr. Die Opfer auf palästinensischer Seite sind der Hamas-Führung herzlich egal. Die Bilder von den Folgen des israelischen Einmarsches sind ihr vielmehr willkommen. Sie setzen arabische Staaten, die Frieden anstreben, unter Druck, allen voran Saudi-Arabien. Vor allem aber könnten sie die Hisbollah bewegen, ihrerseits mehr als nur die eher symbolischen Angriffe vom vergangenen Wochenende im israelisch-libanesischen Grenzgebiet zu starten. Ein neuer Libanon-Krieg aber wäre das letzte, was sich Israel wünschen kann.

Die Hamas, gefördert vom Iran und wohlwollend begleitet von russischen Propagandisten, will aber genau dies: Möglichst viel Gewalt in Nahost, denn das ist ihr politisches Geschäftsprinzip. Viel kommt jetzt darauf an, welche innenpolitischen Folgen der Krieg in Israel hat. Vordergründig lautet die Lehre: Es bringt nichts, Truppen abzuziehen und die illegal errichteten Siedlungen zu räumen, wie es im Gazastreifen schon 2005 geschah. Überdies hat sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas endgültig als Partner für eine Friedenslösung disqualifiziert, als er sich hinter die Hamas stellte.

Besonnene Köpfe in Israel werden aber die Gegenfrage stellen, was eigentlich die von extremistischen Siedlern abhängige Regierung des korrupten „Bibi“ Netanjahu dem Land gebracht hat – gewiss keinen Gewinn an Sicherheit. Ein viel zu großer Teil des israelischen Militärs ist mit der absurden Aufgabe befasst, illegal errichtete israelische Siedlungen im Westjordanland zu beschützen.

Das eklatante Versagen einer Führung, die vom Hamas-Terrorüberfall kalt überrascht wurde, könnte im für Israel und seine Nachbarn besten Fall zu einer Neuorientierung führen.

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