Die erste waffenfreie Zone Deutschlands

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Das berühmteste Polizeirevier der Republik: Die Davidwache im Herzen von St. Pauli.

Das berühmteste Polizeirevier der Republik: Die Davidwache im Herzen von St. Pauli.

HAMBURG. Eingang zur S-Bahnstation Reeperbahn in Hamburg- St.-Pauli: Ein Mädchen greift mit einem Steakmesser eine Konkurrentin an. Polizisten überwältigen die „Dame“. Mit hasserfülltem Blick versucht sie, sich aus der Umklammerung zu lösen und brüllt in Richtung der anderen Frau: „Dich krieg ich.“ Die Szene vom späten Freitagabend zeigt, dass die Reeperbahn ein Gewaltbrennpunkt ist. Bis zu 50 Körperverletzungen gibt es an einem Wochenende. Deshalb ist der Rotlicht-Bezirk bundesweit zur ersten waffenfreien Zone erklärt worden. Pistolen, Messer, Reizgas und Baseballschläger sind nun tabu. Wer solche Waffen bei sich trägt, muss Strafen von 200 bis zu 10 000 Euro im Wiederholungsfall zahlen.

Am Ausgang der U-Bahn-Station St. Pauli erwarten Polizisten das Publikum. Bis zu 80 000 Menschen schieben sich in einer Nacht über die Amüsiermeile. Potenzielle Gewalttäter werden von 210 Beamten kontrolliert und zum Teil mit Metalldetektoren „gefilzt“. Im Fokus stehen junge Männer von 18 bis 30 Jahren. Die Beamten machen sich nicht gerade beliebt mit den Kontrollen, ein Partygänger verspottet sie: „Ich hab' Waffen und bin gefährlich.“

Die Bilanz nach dem Einsatz einer Nacht von 22 Uhr bis 5 Uhr: Bei 2100 Kontrollen stellt die Polizei 31 Messer, zwei Metall-Schlagstöcke, einen Schlagring und zwei Reizgas-Flaschen sicher. 18 Menschen kommen in Gewahrsam, 14 werden festgenommen. „In Anbetracht der Informationen im Vorfeld wurden relativ viele verbotene Gegenstände festgestellt. Das zeigt, wie notwendig die Maßnahme ist“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer.

Überall auf der Reeperbahn hängen nun gelbe Schilder, die darauf hinweisen, dass Waffen verboten sind. 250 000 Flugblätter werden verteilt, damit alle Bürger informiert sind. Die Hansestadt macht als erstes Bundesland von der Änderung des Waffengesetzes Gebrauch. „99 Prozent der Kiezbesucher sind friedlich. Die gilt es zu schützen“, sagt Polizeihauptmeister Thomas Wolf. Perspektivlosigkeit, Schulprobleme und Jobverlust hätten zum Gewaltanstieg beigetragen. Hinzu komme der durchaus hohe Alkoholkonsum einiger Reeperbahn-Besucher.

„Das Verbot ist sehr gut, hier ist es gefährlicher geworden“, sagen Marie Köster (19) und ihre Freundin Alex Schrimpf (18). Unterdessen zeigt sich mitten in der neuen Verbotszone aber auch, dass die Regelung nicht frei von Widersprüchen ist. Vor dem Schaufenster des „Gunshops“ tummeln sich Jugendliche, in der Auslage liegen Luftpistolen, Messer mit langen Klingen und Armbrüste.

Die Angestellten auf dem Kiez begrüßen das Waffenverbot. „Früher gab es im Milieu Verteilungskämpfe mit wilden Schießereien. Aber das waren interne Geschichten. Heute gibt es auf dem Kiez viel mehr Alltagsgewalt, die Gesellschaft ist aggressiver geworden“, sagt Rudi, der als Koberer vor Susis Show Bar steht. Rudi ist eine kleine Kiezlegende, 1968 war er der erste Disc-Jockey-Weltmeister, 313 Stunden lang legte Rudi fast nonstop Platten auf.

Türsteher Pierre Bodein dagegen sieht die neue Verordnung zwiespältig. Er wehrt sich, dass Türsteher mit Kriminellen in einen Topf geworfen werden. „Die Polizei verbietet uns nun auch das Tragen von Schlagstöcken, Pfefferspray und mit Sand gefüllten Handschuhen. Das ist ein starkes Stück, ohne diese Dinge können wir nicht mehr für die Sicherheit unserer Gäste garantieren.“ Stattdessen sollten sie in Notsituationen die Polizei rufen. „Bis die da sind, ist unser Laden schon kurz und klein geschlagen“, meint Pierre Bodein. (dpa)

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