Rheinland für EntdeckerWer Entschleunigung sucht, sollte nach Kronenburg fahren

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Beim Bummel durch die engen Gassen von Kronenburg gibt es viele Kleinigkeiten zu entdecken.

Beim Bummel durch die engen Gassen von Kronenburg gibt es viele Kleinigkeiten zu entdecken.

  • Gehen Sie mit uns auf Sommerreise: In unserer Serie „Rheinland für Entdecker“ geben wir Tipps für Ausflüge und Kurzurlaube in unserer Heimat.
  • Diesmal geht es nach Kronenburg. Hier scheint die Zeit stehen zu bleiben – genau das Richtige für diejenigen, die Entschleunigung suchen.
  • Lesen Sie hier auch alle bereits erschienenen Ausflugstipps aus unserer Sommerserie „Rheinland für Entdecker".

Kronenburg – Kaffee zum Mitnehmen gibt es bei Julia Brück nicht. „Zeit für eine Tasse Kaffee muss sein“, findet sie, denn es ist gerade die Entschleunigung, die sie am Örtchen Kronenburg in der Eifel so liebt. Für einen Spaziergang rät sie Besuchern: „Die Augen offen halten, die Natur erleben und gar nicht groß aktiv sein, sondern mit viel Zeit durch den Ort schlendern.“

Ganz so beschaulich läuft der Tag im Café „Raum C“ im Torhaus nicht ab. Während es aus dem Ofen nach Kuchen duftet, richtet Julia Brück ihre neuste Kreation an: eine herzhafte Torte mit Frischkäsefüllung und Oliven statt Cocktailkirschen. Unterdessen spannt ihr Mann Hektor Gobbi die Sonnensegel auf dem Vorplatz außerhalb der Stadtmauer auf und verschwindet dann in der Küche, um einen Sack voll Kartoffeln zu schälen.

In Kronenburg scheint die Zeit still zu stehen

Vor rund zwei Jahren sind die ehemaligen Betreiber des Café Zehntscheune ins Torhaus umgezogen, wo sie mehr Platz, mehr Licht und einen großen Biergarten mit famoser Aussicht haben. Die typische Handschrift der beiden, die ihr Düsseldorfer Leben vor 13 Jahren gegen das Leben als Gastronomen in Kronenburg getauscht haben, ist seither noch deutlicher sichtbar.

Ein Mix aus Fundstücken und kleinen Kunstwerken schmückt den Gastraum im ersten Stock. Draußen stehen Gläser mit Wildblumen in den Fensternischen, im Eingangsbereich baumeln Filzkugeln und Vogelhäuschen unter einer Lichterkette. Julia Brück arbeitet hinter einer lindgrünen Holztheke, eine alte Küchenuhr zeigt die Zeit an.

Von der eigentlichen Burg ist nur eine Ruine übrig geblieben.

Von der eigentlichen Burg ist nur eine Ruine übrig geblieben.

Die gibt es im Burgdorf Kronenburg, 1277 erstmals urkundlich erwähnt, reichlich. Mittelalterliche Häuser bilden den fast geschlossenen Burgbergring. Von der Burgruine aus hat man einen weiten Blick über das Kylltal. Die Gegend wird als das „spanische Ländchen“ bezeichnet, auch wenn heute die Holländer dominieren. Hintergrund ist, dass Kronenburg 1555 unter Karl V. unter spanische Herrschaft fiel, die bis 1715 dauerte.

Das mittelalterliche Kronenburg ist ein Kleinod

Obwohl der Tourismus auf dem Burgberg Anfang des 20. Jahrhunderts begann, ist der mittelalterliche Ortskern ein verstecktes Kleinod geblieben, das erst auftaucht, wenn man die Serpentinen hinauffährt. An den Häusern blühen Stockrosen, Geranien und Stiefmütterchen. Manche Anwohner haben die Klöntür halb geöffnet. Noch wird hier oben gewohnt, der Burgberg ist kein Museum, auch wenn es viel zu sehen gibt, zum Beispiel die Pfarrkirche St. Johann und die gut erhaltenen Fachwerkhäuser.

Julia Brück, 1970 in Düsseldorf geboren, ist eigentlich „schon immer“ nach Kronenburg gefahren: „Mein Opa hat in den 50er Jahren einen alten Hof als Treffpunkt für die Familie gekauft. Wir haben hier immer die Wochenenden verbracht.“

Julia Brück vom Café „Raum C“, ihre Kunst gibt es auch im Automaten.

Julia Brück vom Café „Raum C“, ihre Kunst gibt es auch im Automaten.

Kronenburg gilt als ein Ort der Kunst und der Künstler. Hinter einigen Fenstern sieht man Pinsel in Wassergläsern stehen oder Leinwände und kleine Skulpturen. Seit dem 19. Jahrhundert zogen immer mehr Künstler in den Ort, heute findet Kölschrocker Wolfgang Niedecken hier Entspannung.

Kronenburg hat ein düsteres Nazi-Kapitel

An ein düsteres Kapitel erinnert eine Tafel am Haus für Lehrerfortbildung des Landes NRW. Das Gebäude wurde 1938 für die Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei errichtet und war ein wichtiger Ort für die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik. Bis auf die Architektur der 1930er Jahre ist davon heute nichts übrig. Man findet stattdessen fröhliche Orte wie den Kunststall der Familie Marten in einem alten Bauernhaus an der Burgstraße.

Anreise

Mit dem Auto: Kronenburg gehört zur Gemeinde Dahlem im Kreis Euskirchen und liegt im deutsch-belgischen Grenzgebiet. Von Köln oder Bonn aus fährt man über die A 1 bis Blankenheim, dann über die B51 Richtung Trier. An der Ausfahrt Stadtkyll/Kronenburg abbiegen. Von Koblenz oder Daun aus fährt man Richtung Gerolstein und erreicht Kronenburg über die B 421.

Mit der Bahn: Von Köln aus mit dem RE 22 bis Dahlem-Schmidtheim. Die Buslinie 771 zwischen Hellenthal und Schmidtheim hält in Kronenburg.

Kunst gibt es – anders als den Kaffee – auch „to go“, nämlich im alten Zigarettenautomaten am Torhaus: Für sechs Euro gibt es zum Beispiel einen Glückspilz oder einen witzigen Schriftzug wie „Lächle! Du kannst sie nicht alle Töten“. Julia Brück bestückt den Automaten und 20 andere zwischen Remagen und Düsseldorf mit ihren Miniaturen. „Ich würde nicht sagen, dass ich Künstlerin bin. Ich male und bastele eigentlich schon immer.“ Aber eine künstlerische Ader kann sie nicht verleugnen, denn sie hat ein Studium Visuelle-Kommunikation/ Grafik -Design absolviert.

Kunst steht in Kronenburg hoch im Kurs

In ihren Werken, die von kleinformatiger Automatenkunst bis zu großen, gerahmten 3D-Collagen reichen, verbindet sie Zufallsfunde mit Zeichnungen und Zitaten. Dabei passt sich die Kunst der Umgebung an. Deshalb heißt ihr Projekt auch Chamaeleon. In Kronenburg ist das Pilgermotiv mit Jakobsmuschel zurzeit der Renner.

In anderen Collagen hat Julia Brück Früchte wie Schlehen und Heckenrosen verarbeitet. „Das würde in den Automaten in Düsseldorf nicht passen“, sagt sie. Dort kann man die Platanen am Rheinufer, die Tonhalle oder ein Heine-Zitat aus dem Automaten ziehen. Und in Köln – klar – das „Kölsche Grundgesetz“.

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„Viele denken, dass eine ganze Gruppe hinter den Automaten steckt“, erzählt Brück. Doch jedes Werk ist ein Unikat, das sie zwischendurch an einem freien Tisch im Café oder nachts zu Hause bastelt. Immer dabei: die Dackel Otto und Else und der Fundterrier Günther – ihn ersieht man in der Serie mit Terriermotiven, die meist von Hundebesitzern gekauft werden.

Wer einmal in Kronenburg war, will wieder hin

Dinge aus der Natur sind oft der Anstoß für ein neues Werk, wie die vertrocknete Libelle, die Julia Brück beim Spazierengehen gefunden hat. „Ich habe eigentlich immer irgendetwas in den Taschen.“ Holz, Erde, Steine. So sind viele der kleinen Kunstwerke ein Andenken an die Eifel. „Ich möchte mich mit meinem Projekt von der industriell gefertigten Massenware der Souvenir-Industrie abheben und einen Artikel anbieten, den es in dieser Form sonst nicht gibt“, sagt Brück.

Die Kombination von Kunst und Badesee – das findet man in Kronenburg nur im Sommer. Wer einmal da war, kommt gerne wieder, auch im Winter. Am ersten Adventswochenende findet im Burgbergring einer der schönsten Weihnachtsmärkte der Eifel statt.

Die wichtigsten Anlaufpunkte in Kronenburg

Übernachtung: Für die Region typisch sind die Ferienparks nach niederländischem Vorbild wie der Landal-Park Wirfttal in Stadtkyll und der Eifelpark Kronenburger See. Neben verschiedenen Ferienhäusern gibt es eigene Parkangebote mit See, Minigolf oder Schwimmbad. (www.landal.de oder www.eifelpark.eks.de)

Einkehr: Das Hotel Villa Kronenburg, Burgbering 12, hat eine Terrasse mit toller Aussicht und betreibt auch das Café Zehntscheune mit angeschlossener Destille im historischen Ortskern. Außerhalb der alten Mauern gibt es weitere Cafés wie die Kaffeebar Kronenburg in einem ehemaligen Geräteschuppen an der Gerichtsstraße 1.

Für Kunstinteressierte: Alle Standorte der Automaten mit Kunstwerken aus Julia Brücks Chamaeleon-Projekt gibt es im Internet unter www.chamaeleon.cc.

Für Kinder: An der Staumauer des Kronenburger Sees lockt ein großer Spielplatz. Die größte Attraktion ist jedoch das Freibad am See. Im Sommer können sich die Badegäste hier von den Kletterinseln ins Wasser stürzen. Besucher können beim Verleiher Elektroboote ausleihen. Mit Parkplätzen ist am Wochenende leider oft schwierig.

Für Sportliche: Die „Kronenburger Tälertour“ ist ein Rundwanderweg der „EifelSchleifen“, die seit 2018 neu markiert werden.

>Hier finden Sie alle bereits erschienenen Folgen der Serie Rheinland für Entdecker:  www.ksta.de/entdecker www.rundschau-online.de/entdecker

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