Kölner Sportpsychologe gibt Tipps„Bewegung ist in der Corona-Krise wichtiger denn je”

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Sich draußen zu bewegen ist gerade in stressigen Zeiten besonders gut für die Stimmung und das Immunsystem.

  • Sport sei bestens geeignet, die aktuellen Defizite im sozialen Miteinander auszugleichen, sagt der Kölner Sportpsychologe Jens Kleinert.
  • Der Experte empfiehlt, körperliche und sozial-virtuelle Aktivität zu verbinden – Verabredungen zum Sport seien so möglich.
  • Von moderater körperlicher Aktivität profitiert nicht nur die Stimmung, sondern es wird auch das Immunsystem gestärkt.

Köln – Herr Prof. Kleinert, Bewegung an der frischen Luft bleibt trotz aller Einschränkungen durch das Coronavirus erlaubt. Wie wichtig ist das für die körperliche und psychische Gesundheit der Menschen im Land?

Prof. Dr. Jens Kleinert: Jetzt ist es wichtiger denn je, sich zu bewegen, wo auch immer es möglich ist, an der frischen Luft oder zu Hause. Wir haben eine sehr stabile Studienlage, in der deutlich wird, dass Menschen vor allem dann von körperlicher Aktivität und Bewegung profitieren, wenn sie gereizt sind, genervt, wenn die Stimmung schlecht ist. Das ist jetzt bei vielen Menschen der Fall. Sport und Aktivität sind also bestens geeignet, um die aktuellen Defizite im sozialen Miteinander auszugleichen.

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Prof. Dr. Jens Kleinert (55) ist Sportpsychologe am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln, Diplom-Sportwissenschaftler und approbierter Arzt. Seit 2006 hat er den Lehrstuhl für Sport- und Gesundheitspsychologie in Köln inne.

Macht es einen Unterschied, ob ich raus gehe in die Natur oder drinnen ein Bewegungs-Programm absolviere?

Betrachten wir rein die Bewegung, ist es egal, ob ich drinnen auf dem Laufband oder draußen im Wald jogge. Wenn es um die Stimmung geht, macht es schon einen Unterschied, da ist es eher zu empfehlen, raus zu gehen und die frische Luft zu genießen. Das hat auch den Vorteil, dass wir mal in eine andere Umgebung kommen, die Monotonie des Zu-Hause-Sitzens wird durchbrochen. Etwas anderes sehen, etwas anderes machen – das ist ungemein wichtig gerade. Deshalb kann ich die Laufrunde im Park, das Walken durch den Wald oder eine Fahrradtour nur empfehlen.

Joggen gehen mit der Laufgruppe ist untersagt, in NRW dürfen wir nur allein, mit einer anderen Person oder mit Menschen, mit denen wir zusammen wohnen, unterwegs sein. Mindert das den positiven Effekt von Sport?

Am positiven Effekt der körperlichen Aktivität ändert das zunächst nichts. Aber wir müssen immer dran denken, dass Sport auch ein soziales Geschehen ist. Für Menschen, die in Freizeitgruppen Sport treiben, ist oft das wichtigste Motiv, mit anderen zusammen sein zu können. Da sind wir im Moment sehr stark eingeschränkt. Es ist aber auch möglich, sich virtuell zum Sport zu verabreden.

Wie das?

Indem man körperliche und sozial-virtuelle Aktivität verbindet. Man kann doch per Textnachricht ausmachen: Komm, um 12 Uhr gehen wir beide laufen, du bei dir im Park, ich bei mir. Man kann Trainingspläne austauschen, sich gegenseitig gelaufene Zeiten übermitteln, Fotos und kleine Videos seiner Aktivitäten digital weitergeben. Körperliches Aktiv-sein und virtuelles Gemeinsam-sein zu verknüpfen, das ist jetzt der kreative Weg.

Die Angst vor Krankheit und Tod durch das Virus, die vielen Einschränkungen im üblichen Alltag, dazu bei vielen die Sorge um die berufliche Existenz – das alles drückt auf die Stimmung. Wie motiviere ich mich, trotzdem in Bewegung zu bleiben?

Drei Sachen sind da wichtig. Das Erste ist: Ich muss überzeugt sein, dass Bewegung gut und sinnvoll für mich ist. Gründe gibt es sehr viele. Sport verbessert nicht nur meine Stimmung, sondern moderate körperliche Aktivität stärkt auch mein Immunsystem. Zu diesem Ergebnis kommen ebenfalls viele Studien. Stress dagegen schädigt das Immunsystem, somit hilft mir alles, was ich zur Erholung tue. Dazu zählt Bewegung, raus gehen in den Wald, frische Luft, etwas Anderes sehen. Selbst wenn jemand Angst hat, sich anzustecken, ist es also gut, Sport zu treiben und das eigene Immunsystem zu stärken. Das Zweite: Den Hintern bekommt am besten hoch, wer sich verabredet, und sei es virtuell. Wenn ich einem Sportpartner per WhatsApp ankündige, welches Training oder welche Aktivität ich für den Tag geplant habe, dann schafft das eine gewisse soziale Verbindlichkeit.

Und Drittens?

Ein klarer Plan. Das gilt für das Home-Office, wo man sich vornehmen kann, alle halbe Stunde eine fünfminütige Bewegungspause einzulegen. Dazu kann man sich den Handy-Wecker stellen und dann geht man alle halbe Stunde für drei, vier Minuten ans Fenster oder in den Garten und bewegt sich ein bisschen. Und das gilt für den Waldspaziergang oder die Joggingrunde. Wann mache ich das, mit wem, wie lange, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit. Je genauer ich weiß, was ich tun will, wann und mit wem, desto wahrscheinlicher ist es, dass ich es tue. Sich selbst klare Vorgaben zu machen, ist gerade in so einer Phase extrem wichtig.

Was bringen digitale Angebote oder die gute alte Yoga-DVD?

Alles, was dafür sorgt, dass ich aktiv werde, ist gerade in der jetzigen Phase hilfreich. Es gibt so viele verschiedene Formate, da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Wichtig ist, dass ich Dinge ausprobiere und gucke, ob sie in meinen Alltag und zu meinen Gewohnheiten passen. Ob es dann besser ist, sich virtuell zu verabreden oder dem virtuellen Fitnessstudio beizutreten oder einen Yoga-Streaming-Anbieter zu nutzen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wichtig ist jetzt, da kreativ zu sein und sich aktiv auf die Suche zu machen.

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