Grabmäler erzählen Wipperfelds Geschichte

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WIPPERFELD. Das kleine Kirchdorf Wipperfeld ist nicht gerade mit historischen Kulturdenkmälern gesegnet. Und doch, vielleicht einmalig im Rheinland, besitzt es eine beachtenswerte, systematisch aufgebaute historische Grabmäler-Sammlung seit dem 16. Jahrhundert bis auf den heutigen Tag.

Das älteste im Kirchdorf noch erhaltene Bauwerk ist die Mauer des ersten Kirchhofs, so die frühere Bezeichnung für den Friedhof. Von der ursprünglich 406 Fuß (122 Meter) langen Umfassungsmauer ist etwa ein Drittel an der „alten Schule" unterhalb der Dorflinde noch gut erhalten. Im hinteren Teil, verdeckt durch einen Schuppen, ist sie etwa drei Meter hoch - und etwa eintausend Jahre alt.

Der älteste von diesem Kirchhof noch vorhandene Grabstein stammt aus dem 16. Jahrhundert, ein Trachytkreuz mit Dreipassnasen von 1541. Die weitere Inschrift ist nicht mehr lesbar. Es befindet sich heute in der Außenkapelle der „neuen" Kirche. 27 historische Grabsteine aus dem 17. Jahrhundert, sowie elf Grabsteine aus dem 18. Jahrhundert sind in der Außenanlage südlich der Kirche aufgestellt. Allesamt verziert mit Winkelvoluten und -palmetten, Wundmalen Christi, Cherub-Reliefs und Blattrosetten, sowie teilweise mit den Berufssymbolen des Verstorbenen wie Hammer und Zange (Schmied), oder Schere, Fingerhut und Nadeln (Schneider), zeugen sie von der handwerklichen Fertigkeit und dem Kunstverständnis der damaligen Steinmetze.

Weitere vier Grabsteine aus dem 18. Jahrhundert, gar Doppelplatten mit besonders aufwendigen Reliefs, Abbildungen und Verzierungen, befinden sich hinter der Kirche am Kindergartenzaun. Und weitere zwei Doppelplatten, leider nur Fragmente, sind noch nicht aufgestellt. Allesamt sind sie aus Lindlarer Grauwacke. Und von 1803 datiert das Friedhofskreuz des alten Kirchhofs.

Gestiftet wurde es von Peter Müller, sowie den Eheleuten Nikolaus und Catharina Müller geb. Wipperfeld aus Überberg. Diese Familie war es auch, die sich für die Wiederherstellung der Mauer mit sieben darin eingefassten Füßfällen einsetzte: „Die verstorbene Witwe Müller aus Überberg habe ausdrücklich in ihrem Testament bestimmt, dass aus ihrer Hinterlassenschaft diese Mauer gehörig hergestellt werden sollte. Um den Willen der Stifterin zu erfüllen und weil die Reparation dringend notwendig sei . . .“

Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass in zeitgleichen Katasterbeständen - Mutterrolle und Katasterzeichnungenin Wipperfeld eine Parzellenbezeichnung der gleichen Familie aufgeführt ist: „An den Fußfällen". Diese geben aber noch Rätsel auf.

1873 wurde in Wipperfeld ein neuer Friedhof eingeweiht. Im Gegensatz zum bisherigen kirchlichen gehört er jetzt der Zivilgemeinde. Das dafür benötigte Grundstück trat ihr allerdings die Kirchengemeinde ab. Das mit einem Kostenaufwand von 300 Talern errichtete neue ca. fünf Meter hohe Friedhofskreuz mit Jahresangabe steht neben der Leichenhalle. Aufbauend auf der alten Kirchhofsmauer, sowie den alten Grabsteinen hat Wipperfeld lückenlos seit dem 16. Jahrhundert weitere sepulkrale Kostbarkeiten aufzuweisen. Dabei handelt es sich um gar drei gusseiserne Grabkreuze der „ersten Generation" des neuen Friedhofs. „Eine absolute Seltenheit", so Dr. Thiel vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege.

Ebenfalls aus der Zeit um 1880 noch erhalten ist ein Hoch-Grabkreuz. Es steht, ausgelagert in Heid, an einem Hohlweg in Richtung Hof. Pastor Rottländer hatte es nach Beendigung der Verlängerung der Grablaufzeit in dankbarer Erinnerung an die Stifter des „Kirchengut Heid" nach dort schaffen lassen, wo es von den nachfolgenden, durch das Flurbereinigungsverfahren gewechselten Grundstücksbesitzern, der Familie Gerd Förster, wieder aufgebaut wurde und gepflegt wird.

Die Begründung von Denkmalschützerin Ulrike Bedorf zur Aufnahme in die Denkmalliste: „Das Grabkreuz ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis der Orts-, Kirchen und Kunstgeschichte. Es ist das einzig erhaltene Sandstein-Grabkreuz des Dorfes Wipperfeld vom Ende des 19. Jahrhundert und gibt eine Vorstellung von der Steinmetzkunst jener Zeit, die sich hier stilistisch historisierend gotischer Architekturelemente bediente. Darüber hinaus belegt die Geschichte des Grabkreuzes beispielhaft die enge Bindung der Menschen dieser Region an ihre Kirche. An seiner Erhaltung besteht ein öffentliches Interesse aus volks- und heimatkundlichen Gründen.“

Art Deco und

Expressionismus

Ebenfalls bestandskräftig ist die jüngste Eintragung von drei monumentalen Grabmälern aus poliertem schwarzen Granit bzw. grauen Gußstein, spätes Art Deco und Expressionismus, als Gesamterfassung am Haupteingang des Wipperfelder Friedhofs. Sie stammen aus der Zeit um 1930. Bedorf: „Sie dokumentieren einen wesentlichen Zeitabschnitt der Dorfgeschichte, da das Leben der hier bestatteten angesehenen Familien eng mit dem des Dorfes verbunden war. Daher sind die Grabmale bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis der Heimat- und Ortsgeschichte."

Für die Grabpflege nach Beendigung der jeweiligen Grablaufzeiten wurden Patenschaften übernommen. So beispielsweise die Schützenkapelle für das Familiengrab Stefer, Neumühle. In diesem ruht der im Jahre 1932 verstorbene Christian Stefer. Er war Mitbegründer des 1890 gegründeten „kirchlichen Musikchors" von Wipperfeld, dem Vorläufer der heutigen Schützenkapelle.

Die Unter-Denkmalschutz-Stellung von vier weiteren vorsorglich bereits ausgelagerten Grabmälern von geschleiften Grabstellen ist vorgesehen. So der Grabstein (ca. 1934) mit einem einmaligen farbenprächtigen Mosaikbild der Heiligen Familie des Geschwistergrabes Biesenbach. Außerdem ein monumentaler Grabstein (1947) der Familie Bosbach, von der 11 Familienangehörige gleichzeitig aktive Chormitglieder des Wipperfelder Kirchenchores waren. Ebenso der Grabstein (1975) des Geschwistergrabes Fahlenbock.

Werner Stefer ist Hobby-Heimatforscher und -Historiker in Wipperfeld und beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Grabsteinen im Ort.

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