HochseilartistZurück ins Leben gekämpft

Lesezeit 3 Minuten
Träumt bereits von weiteren Auftritten auf dem Hochseil: André Weisheit mit dem Preis der deutschen Zirkusfreunde und dem Sonderpreis der Festival-Jury in Monte Carlo. (Foto: Geschwister Weisheit Gotha)

Träumt bereits von weiteren Auftritten auf dem Hochseil: André Weisheit mit dem Preis der deutschen Zirkusfreunde und dem Sonderpreis der Festival-Jury in Monte Carlo. (Foto: Geschwister Weisheit Gotha)

Kommern – Sein Leben hat sich verändert, seine Einstellung zu schweren Unfällen ebenfalls. André Weisheit, einer der Männer der Hochseiltruppe „Geschwister Weisheit Gotha“, ist nachdenklich, wenn er auf den spektakulären Unfall des Stuntman Samuel Koch in der TV-Sendung „Wetten, dass...?“ angesprochen wird. „Man hat fast ein schlechtes Gewissen, dass man selbst einen schweren Unfall so gut überstanden hat. Der Unfall des jungen Mannes tut mir unendlich leid“, sagt Weisheit und fügt an: „Ich bin dünnhäutig geworden, wenn ich von derart schweren Unfällen höre. Ich kann auch keine dramatischen Filme im Fernsehen mehr anschauen. Das ist mir alles noch zu viel. Das kratzt mich noch immer ziemlich an.“

Weisheit ist am 6. April 2010 bei einer Vorstellung im Rahmen des „Jahrmarkts anno dazumal“ im Rheinischen LVR-Freilichtmuseum in Kommern mit seiner 125er-Maschine verunglückt: Er stürzte aus acht Metern Höhe in die Tiefe und schlug auf das Betonpflaster (siehe Kasten).

Lange Zeit war nicht klar, ob er jemals wieder würde laufen können. „Ich war 14 Tage lang im Koma, wurde unzählige Male operiert. Aber es ist alles gut gegangen, auch wenn ich immer noch ambulante Reha machen muss. Ich humpele immer noch stark mit dem rechten Fuß und habe starke Rückenschmerzen“, sagt der Artist.

Wird er nach diesem schlimmen Unfall jemals wieder in Kommern auftreten? Weisheit hat damit keine Probleme: „Wir haben nach vielen Auftritten im Freilichtmuseum eine besondere Beziehung zu Kommern. Kommern, das ist für uns der Inbegriff des Frühlingserwachens.“ Er hoffe, auf dem Kahlenbusch wieder einmal „arbeiten zu können“. „Und wenn wir da keinen Auftritt haben, dann kommen wir auf jeden Fall auch einmal privat ins Rheinland - und natürlich nach Kommern.“

Gearbeitet hat André Weisheit bereits vor wenigen Monaten trotz seiner unfallbedingten körperlichen Einschränkungen - und zwar in Monaco. Dort führte er der Fürstenfamilie und 4.500 Zuschauern einen Salto mit seinem Motorrad auf dem Hochseil vor. „Das ging aber gut, weil ich nicht laufen musste“, spaßt Weisheit.

In Monaco wurde das Lebenswerk der „Geschwister Weisheit“ von Stephanie von Monaco mit dem „Sonderpreis der Festival-Jury“ und dem Spezialpreis der deutschen Zirkusfreunde gewürdigt. Weisheit: „Eigentlich gebührt der Preis meinem Vater Rudi, der sich mit 68 Jahren vom Hochseil verabschiedet hat.“

Der Artist ist froh, dass Dr. Michael Faber, stellvertretender Leiter des Freilichtmuseums, ihn nach dem Unfall häufig im Krankenhaus besucht hatte. „Zwischen Faber und uns Artisten hat sich eine sehr schöne Freundschaft entwickelt“, stellt der Hochseil-Akrobat fest. In Bonn habe seine Frau Doreen ebenfalls viel Zuspruch erfahren. Auf Vermittlung eines Bekannten aus Gotha habe sie für vier Wochen bei einem Bonner Professoren-Ehepaar auf dem Heiderhof wohnen können. So habe sie an seinem Krankenbett wachen können.

„Das Ehepaar hat meine Frau ganz freundlich aufgenommen, obwohl die beiden uns nicht persönlich kannten“, freut sich der heute 42-jährige Weisheit. „Das Rentnerehepaar hat meine Frau, der es nach dem Unfall ja auch nicht gut ging, richtig bemuttert“, ist Weisheit dankbar. Er selbst habe bis zum 15. Mai in der Uni-Klinik in Bonn gelegen, sei dann eigens zur Konfirmation seiner Tochter Elisabeth in Richtung Thüringen entlassen worden. „Nach der Konfirmation bin ich in Bad Liebenstein in Thüringen in die Reha gekommen“, so Weisheit.

Er hoffe, bald wieder in Kommern auftreten zu können. Für den diesjährigen Jahrmarkt ist die Weisheit-Truppe allerdings nicht engagiert worden.

Rundschau abonnieren