Am besten selber bastelnDas sind die Trend-Kostüme zum Kölner Karneval

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Hingucker: Belinda Krone zeigt ein handgemachtes 4711-Kleid, das mit 139 Euro keine ganz billige Zierde ist.

Hingucker: Belinda Krone zeigt ein handgemachtes 4711-Kleid, das mit 139 Euro keine ganz billige Zierde ist.

Was in den Kostümgeschäften gefragt ist, hat unsere Autorin Lia Gasch zusammengetragen. Sicher ist aber: Wer was auf sich hält, bastelt selbst. Ein Überblick über die angesagtesten Outfits der Session

„Jeder möchte Individualität, und trotzdem tragen alle Uniform“. Gelangweilt zeigt Bernd Sondergeld auf eine Kleiderstange in der hinteren Ecke seines Kostüm-Ladens „Jot Jelunge“, wenn   Kunden ihn nach einem knallroten Einteiler fragen. „Viele wollen nach wie vor die Figuren in Overalls aus der Netflix-Serie Squid Game werden.“ Besonders im Kwartier Latäng inspiriert der Streaming-Dienst auch mit weiteren Serien seit einigen Sessionen die Kostüme der Jecken. Soll’s das gewesen sein oder überrascht der Straßenkarneval in dieser Session mit neuen Kreationen?

Selber machen ist angesagt: Bernd Sondergeld von „Jot Jelunge“ setzt auf kreative Vielfalt.

Selber machen ist angesagt: Bernd Sondergeld von „Jot Jelunge“ setzt auf kreative Vielfalt.

Corona adé: Maskenschmuck mal anders.

Corona adé: Maskenschmuck mal anders.

Glitzerschmuck mit Blaustich – geht immer im Haar.

Glitzerschmuck mit Blaustich – geht immer im Haar.

„Ich versuche Trends nicht blind hinterherzulaufen, sondern sie selber zu schaffen“, sagt Sondergeld in seinem Geschäft an der Lindenstraße, nahe dem Belgischen Viertel. „Wir sind deshalb nicht nur Laden, sondern auch Kreativwerkstatt.“ Ob zwei linke Hände oder keine Ideen: Hier bekommen Kunden Unterstützung für einzigartige Kostüme. Er wünscht sich Phantasie als den großen Trend unter Jecken. Aus dem alten Zylinder einer Kundin hat Sondergeld mit ihr eine prächtige Kopfbedeckung gebastelt. Ein paar beliebte Standard-Artikel, wie den Gymnastik-Anzug im Achtziger-Stil hat er trotzdem da. Von „Billigkram“ will sich   „Jot Jelunge“ bald verabschieden. „Online unterbieten sich die Läden damit.“


Trends bei Deiters

  • Amors Pfeil und Bogen
  • Das Überraschungs-Ei-Kostüm
  • 80er-Jahre Trainingsanzug

Für ihr „griechische Göttin“-Kostüm hat die 16-jährige Schülerin Eva Daniels aus Dellbrück viel online bestellt oder in großen Ketten wie „Deiters“ gekauft. Aus dem Schrank der großen Schwester gibt’s das weiße Kleid umsonst, die goldenen Accessoires kosten an die 20 Euro. „Ich glaube, dass einige immer weniger Mühe und Zeit in ihre Kostüme stecken und einfach Overalls von der Stange kaufen, liegt auch daran, dass sie sich Geld oder Stress sparen wollen“, sagt Eva.

Die „Wilden Kerle“ kommen

Vor allem wenn für die Karnevalstage mehrere Outfits her müssen. Sie hat sich drei weitere Kostüme besorgt: Bademeisterin, Elfe und mit Freunden die „Wilden Kerle“. Neu im Trend und auf der Plattform TikTok gefeiert: Die Serie „Wednesday“, ebenfalls von Netflix. Um sich als Tochter der „Adams Family“ zu verkleiden, braucht es schwarze Zöpfe mit geradem Pony, ein schwarzes Kleid. Und das   alte Indianerkostüm? In Kreisen der Schülerin fast aus der Zeit gefallen: „Die Einstellung hat sich zuletzt durch Social-Media sehr geändert. Es ist zunehmend negativ behaftet, da es mit kultureller Aneignung assoziiert wird. Ich sehe das Kostüm nur noch selten in meinem Umfeld, dafür aber Cowboy-Kostüme, die ja ebenfalls in der Kritik stehen“, erklärt Eva.

Bei „Jot Jelunge“ gibt es nach wie vor Kopf-Schmuck für Indianer-Kostüme. „Respekt ist der Schlüssel“, sagt Sondergeld. „Sich bewusst zu machen, aus welchen Kulturen die Sachen überhaupt kommen, kann auch nicht schaden.“ Die Kostüm-Manufaktur „Jeck Jewand“ in Sülz ist für die handgemachten Kreationen von Besitzerin Belinda Krone bekannt. Hier profitieren Kunden vom Ideenreichtum der Hobby-Schneiderin: „Besonders im Trend ist unser Sakko zum Jubiläum der Sesamstraße“, sagt Krone. Mittlerweile sei es ausverkauft. Ebenfalls sehr ge-fragt: Das „4711-Kleid“ mit goldenem Rock. „Viele ziehen Marine-Outfits an, aber Rot-Weiß ist natürlich ungebrochen“, lacht Krone. Der kleine Laden ist rappelvoll und wegen dem Ansturm gibt es Lieferengpässe: „Dieses Jahr sind alle wie verrückt.“


Nachhaltig jeck: Tauschen statt kaufen

Neben Piratenbluse, Leoparden-Einteiler und Salsa-Kleid tummeln sich einige außergewöhnliche Einzelteile auf den Kleiderstangen des „Iglu“. Das kleine, aber feine Kostümsortiment umfasst etwa eine Weste aus Kunstrasen oder ein Kaktus-Kostüm. Die Karnevalskostüme für Groß und Klein warten auf einen passenden Tausch.

„Tauschen statt kaufen“ ist das Motto der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft Iglu von Gründerin Katharina Partyka. Seit 2019 gibt es das Geschäft im Agnesviertel mit ökofairer Mode zum günstigen Kaufen oder Tauschen. Das Iglu fördert nachhaltigen und fairen Konsum. Passend zur Karnevalssession findet bis Weiberfastnacht ein Kostüm-Tausch statt. Am Sudermanplatz 1 bietet das Iglu einen gemeinnützigen Tauschraum, in dem Karnevalskostüme gespendet oder getauscht werden können. Gespendete Kostüme werden vom Team begutachtet und gewaschen. Die ausgedienten Kostüme müssen guterhalten und sauber sein, dann können sie gegen eine Spende getauscht werden. „Die Kundschaft soll sich fragen: Was ist es mir wert?“, sagt Tauschhelferin Elena Schiff. Sie möchte, dass die Kunden über ihren eigenen Konsum nachdenken. Ihr persönliches Kostüm-Highlight ist die Golf-Wiese.

Neben dem Kostümtausch gibt es noch weitere Projekte rund um die Themen Nachhaltigkeit und Selbermachen. Das Iglu-Team hält Workshops in Schulen an, unter dem Leitspruch „Wegwerfmode ist out“. Am heutigen Samstag bietet das Iglu von 11 bis 16 Uhr ein gemeinsames Basteln von Karnevalsaccessoires an. Alles, was überflüssige Stoffreste und Dekoelemente noch zu bieten haben, wird nachhaltig weiterverarbeitet. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

Bis Weiberfastnacht täglich von 11 bis 18 Uhr können Karnevalskostüme beim Iglu am Sudermanplatz 1 getauscht werden. Auch nach Karneval ist der Laden geöffnet, dann montags bis freitags von 11 bis 18 Uhr und samstags bis 16 Uhr.


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