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Zoch in kleinDie Puppen kommen – Was uns am Rosenmontag erwartet

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Puppenspiel

Die Puppen machen sich bereit für Rosenmontag.

Um den Kopf des Festkomitee-Präsidenten zu liefern, hat Elfriede Bauer (62) ihren freien Tag gestrichen. Das Haupt von Christoph Kuckelkorn hat sie vorsichtig auf einem Frotteehandtuch drapiert, das sehr volle Haar ist seitlich gescheitelt. Und für einen Mann ohne Körper wirkt der Bestatter eigentlich recht fröhlich, wie er da so auf dem Tisch in der Kleiderkammer des Hänneschen-Theaters liegt. „Auf die Brille haben wir verzichtet, er trägt Kontaktlinsen“, weiß Bauer. Auch Puppen können eitel sein.

Karneval in Köln ist im Jahr 2021 vor allem Kopfsache. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Statt sieben Kilometer durch die Innenstadt misst die diesjährige Strecke des Rosenmontagszugs gerade mal 32 Meter. Einmal quer durch die Halle des Karnevalsmuseums in Köln-Braunsfeld. Auf vieles mussten die Narren pandemiebedingt verzichten, doch den Rosenmontagszug wollten sie sich in Köln auf keinen Fall nehmen lassen. „Wir haben viel geplant und wieder verworfen. Aber als die Idee eines Puppenzugs mit dem Hänneschen-Theater aufkam, hat sich eine unheimliche Euphorie entwickelt“, erzählt Holger Kirsch, der Zugleiter, vom erlösenden Einfall. Den Zug sieht er als „Geschenk an die Kölner“.

Das Einkleiden einer Puppe dauert eine halbe Stunde

Echte Wagen, echte Persiflagen – die Notlösung ist längst zum Prestigeprojekt gewachsen. Rund 200 000 Euro lässt sich das Festkomitee den Zug kosten, auch die Stadt beteiligt sich. So ist das in einer Karnevalshochburg. Für das Hänneschen-Theater bedeutet der Zug Großalarm. Die Verantwortlichen haben in den vergangenen Wochen 177 Stockpuppen für den pandemiekonformen Umzug rekrutiert. „Alles, was wir entbehren können“, sagt Bauer, die schon seit Wochen Gardisten und Zuschauer ankleidet. In der Puppenkammer am Eisenmarkt geht es zu wie in der Werkstatt der Weihnachtswichtel kurz vor dem Fest.

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Der Rosenmontagszug in Zahlen

16 Persiflagewagen sind für den Puppen-Zug gebaut worden, hinzu werden zehn Prunkwagen in der Filmversion zu sehen sein. Ein wandlungsfähiger Wagen wird für alle Traditionskorps genutzt. Seitenelemente und Brüstung lassen sich abnehmen und auf jedes Korps farblich anpassen. Sogar ein orangefarbener Kehrwagen für das Zugende ist gebaut worden.

5 Pferde werden zu sehen sein, zwei Polizisten und zwölf Reiter. Die Pferde werden also mehrfach genutzt. Auch drei Tanzgruppen sind mit passenden Kostümen ausstaffiert worden. Zwei Polizisten werden den Rosenmontagszug begleiten – so wenige wie noch nie.

Die Kosten für den Zug liegen bei rund 200 000 Euro, der Finanzausschuss hat einen städtischen Zuschuss von 128 000 Euro beschlossen. Etwa 85 000 Euro kostet der Wagenbau, hinzu kommen jeweils 17 500 Euro für die Wagenentwürfe und das Drehbuch. Darüber hinaus erhält das Hänneschen-Theater nach Angaben des Festkomitees rund 60 000 Euro für Lizenznutzung und die Zugvorbereitung.

90Minuten dauert der Rosenmontagsfilm im WDR-Fernsehen. Ausgestrahlt wird der Kölner Zug am Montag, 12. Februar, 14 Uhr. Eine Wiederholung wird um 22.45 Uhr gezeigt. Der Zug ist unter strengen Corona-Regeln in einer Halle des Festkomitees gedreht worden. (tho)

Oben ohne steht der schmalbrüstige Prinz auf dem Tisch, sein Ornat liegt neben ihm. Porträtfotos von Prinz, Bauer und Jungfrau sollen helfen, die Köpfe der Vorzeigefiguren des Kölner Karnevals möglichst authentisch zu gestalten. Die Maskenbildnerinnen Silke Essert und Renate Vesen hauchen den Holzköpfen lebendige Gesichtszüge ein. Ein paar vorsichtige Hammerschläge auf den Schädel – und fertig ist der Prinz.

Eine größere Produktion als diesen Rosenmontagszug hat es beim Hänneschen-Theater noch nie gegeben. „Vom Umfang und der Ausstattung her hat es noch nichts vergleichbares gegeben“, sagt Hänneschen-Intendantin Frauke Kemmerling. Sie hofft auf bundesweite Aufmerksamkeit für ihr kleines Theater. Denn weder in Mainz noch in Düsseldorf wird es einen Rosenmontagszug geben. Deutschland schaut nach Köln. „Wir haben noch nie so viele Medienanfragen erhalten wie dieses Jahr“, erzählt Michael Kramp, der Pressesprecher des Festkomitees.

Mitte Januar ist im Hänneschen die alljährliche Puppensitzung aufgezeichnet worden, sie kann nun gestreamt werden. Etwa 50 Puppen sind hierfür ausstaffiert worden. „Danach haben wir alle Körper ausgezogen, die wir nicht benötigen“, erklärt Elfriede Bauer, die seit 19 Jahren für das Theater arbeitet und bei Aufführungen das Bärbelchen spricht. Für solche Aufführungen hat sie normalerweise drei Monate Vorbereitungszeit. Die Entscheidung für einen Hänneschen-Miniatur-Rosenmontagszug fiel kurz vor Weihnachten. Schöne Bescherung.

Bei ihrer Arbeit wird Elfriede Bauer unentwegt angestarrt. In den Schränken des Theaters stecken rund 350 Puppenköpfe auf passenden Holzdübeln. Die Musiker der Bläck Fööss schauen aus einer Kiste, sie sind gerade von der Jubiläumsausstellung aus dem Stadtmuseum zurückgekehrt. Etwa eine halbe Stunde benötigt Bauer für das Ankleiden eines Gardisten. „Wenn alles passt“, ergänzt sie. Denn kaum ein Puppenkörper ist wie der andere. Klein, groß, dick, dünn. Auch Puppen können Figurprobleme haben.

Nicht nur Köpfe lagern in den Schränken am Arbeitsplatz von Elfriede Bauer, in vier Reihen hängen insgesamt rund 7000 Kleider auf kleinen Bügeln. Für den Rosenmontagszug reicht das nicht. In der Schneiderei von Hans-Jörg Bornheim in Dellbrück lässt sie Gardeuniformen der Bürgergarde blau-gold, der Nippeser Bürgerwehr und vom Treuen Husar anfertigen – die Kosten übernehmen die Traditionskorps. „Rund 250 kostet die Uniform, ebenso der Hut. Aber wir wollten unbedingt im Zug vertreten sein“, sagt Michael Gerhold, Präsident der Nippeser Bürgerwehr.

Uniformen einiger Traditionskorps wurden neu geschneidert

Heinz-Günther Hunold, Präsident der Roten Funken, hat seine eigene Puppe. Ein Geschenk zum 60. Geburtstag war das. Die Ähnlichkeit der Gesichtszüge ist verblüffend. Nur mit Hunolds Körper war Elfriede Bauer nicht zufrieden. „Zu gedrungen“ sei die Puppe gewesen. Für den Rosenmontagszug hat Hunold nun den Körper des Bläck Fööss-Schlagzeugers Ralph „Gus“ Gusovius übernommen. So schnell kann's gehen. Nur aus den Lackschuhen müssen noch Stiefel werden. Ein Fall für den Farbeimer. Sogar Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat ihre eigene Puppe – ebenfalls in Funkenuniform.

Der Straßenkarneval beginnt erst am heutigen Weiberfastnachtstag. Doch der Rosenmontagszug 2021 ist schon Geschichte. Am Montag und Dienstag fanden die Dreharbeiten des WDR statt, bis Montag soll ein 90-Minuten-Film aus dem Kölner Puppenzug entstehen, für den Wagen in der Größe von Ruderbooten gebaut wurden. Kommentiert wird dieser von Moderator und Karnevalsredner Guido Cantz und Monika Salchert.

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