Abo

Angeklagter im Fall Wermelskirchen„Was ich getan habe, ist abscheulich und dazu stehe ich“

Lesezeit 4 Minuten
06.12.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der Angeklagte im Missbrauchskomplex Wermelskirchen hält sich im Gerichtssaal eine Mappe vor das Gesicht.

Der Angeklagte im Missbrauchskomplex Wermelskirchen hält sich im Gerichtssaal eine Mappe vor das Gesicht.

Im zweiten Prozesstag in Köln äußert sich der Angeklagten zu seinen brutalen Taten. Die Abscheulichkeit seiner Taten sei ihm in der U-Haft  klar geworden. Wir geben einen Überblick über den Tag vor Gericht.

Es ist der zweite Prozesstag am Mittwoch im sogenannten „Missbrauchskomplex Wermelskirchen“. Eigentümlich aufgeräumt wirkt der Angeklagte. In einem hellblauen, faltenfreien Hemd sitzt der 45-Jährige kerzengerade zwischen seinen beiden Verteidigern, richtet sich nochmal kurz die Brille und hebt mit ruhiger, klarer Stimme an: „Die Taten, die mir vorgeworfen werden, habe ich so begangen.“ Was er getan habe sei „abscheulich, und dazu stehe ich“. Die Abscheulichkeit seiner Taten sei ihm im zurückliegenden Jahr in der Untersuchungshaft bei der Auseinandersetzung mit der Ermittlungs- und Gerichtsakte klar geworden. Natürlich habe er auch schon vorher gewusst, dass das, was er getan habe, nicht richtig gewesen sei. Aber damals habe er „in einer Parallelwelt gelebt“.

Seit Dienstag steht der Angeklagte wegen 122 Anklagepunkten vor der 2. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts. Er soll in der Zeit zwischen 2005 und 2019 13 Kinder — das jüngste Opfer soll im Jahr 2012 ein vier Wochen altes Mädchen gewesen sein — wiederholt schwerste sexuelle Gewalt angetan haben. Die Taten filmte der Angeklagte. Zugriff auf die Kinder erlangte er, indem er in seiner Freizeit als Babysitter jobbte. Seine Dienste hatte er im Internet angeboten.

Vertrauen der betroffenen Familien erschlichen

In Richtung der zahlreichen Vertreter der Nebenklage, die die Opfer und ihre Eltern vertreten, sagte der 45-Jährige, dass er „das Vertrauen der Familien missbraucht und erschlichen“ habe. „Ich werde mit der Schande den Rest meines Lebens leben müssen. Es tut mir von Herzen leid.“

Irgendwo zwischen nachdrücklich und flehentlich im Ton, sagte der Angeklagte dann, dass er Hilfe brauche. Er bat um „Therapiemöglichkeiten“, damit nie wieder so etwas passiere, dessen er angeklagt ist. In der Untersuchungshaft, führte der Mann später auf Nachfrage einer Nebenklageanwältin aus, gebe es jedenfalls keine Hilfsangebote. Lediglich ein Seelsorger und ein Psychiater stünden für Gespräche zur Verfügung. Mit denen könne er aber nicht an seinen Problemen arbeiten.

Schlechtes Gewissen für die pädophile Neigung

Dass seine pädo-sexuelle Neigung ein Problem gewesen sei, das habe er auch früher schon empfunden. Er verwies auf die dem Gericht vorliegenden Chat-Protokolle mit einem anderen Pädosexuellen. Dort habe er geschrieben, dass ihn das „Thema Pädosexualität auch bedrückt“ und er ein „schlechtes Gewissen“ habe. So habe er auch das Angebot der Berliner Charité für pädosexuell veranlagte Menschen, „Kein Täter werden“, zur Kenntnis genommen. „Aber die Chance habe ich nicht wahrgenommen.“ Es sei für ihn aus beruflichen und familiären Gründen nicht möglich gewesen, „für drei, vier Monate nach Berlin zu gehen“.

Das ließ der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann so nicht gelten: Wenn der Angeklagte auch „nur fünf Prozent“ seiner Energie bei der Suche nach Kinderpornografie im Internet in die Suche nach Hilfe investiert hätte, „dann hätten Sie herausfinden können, dass es das auch außerhalb von Berlin gibt“. Weiter sagte Kaufmann: „Beispielsweise hier in Köln. Die nächste Station ist 400 Meter von hier.“

Am Nachmittag sagte dann ein 61 Jahre alter Polizeibeamter als erster Zeuge in dem Verfahren aus. Der Mann war an den Ermittlungen gegen den Angeklagten beteiligt. Im Dezember 2021 war es dann im gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnten Haus in Wermelskirchen zum Zugriff durch Spezialkräfte der Polizei und der anschließenden Festnahme des Mannes gekommen. Ziel sei es gewesen, den Angeklagten am „offenen Computer“ zu verhaften, um so an die zahlreichen Videos von den Taten und der Sammlung von weiterer Kinderpornografie zu gelangen. Mit einem gewissen Stolz berichtete der Beamte, dass das „gut geklappt“ habe. Laut Angaben des Beamten hatte sich der Angeklagte während des Zugriffs in einer Videokonferenz mit Kollegen befunden. Die Kollegen hatten den Notruf gewählt, weil sie gedacht hatten, es liege ein Überfall vor, doch die Polizei war schon da. Das aktuelle Verfahren gehöre gleichwohl „mit zu dem Schlimmsten“, was sie je gesehen habe, sagt Anwältin Monika Müller-Laschet, die als Opfervertreterin dabei ist. „Wie so etwas möglich sein kann? Da muss ich ihnen ganz ehrlich sagen: Habe ich keine Antwort drauf“, sagt sie. Ihr falle kein Wort ein, um die Taten adäquat zu beschreiben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Rundschau abonnieren