Am 7. Juli geht der letzte Ford Fiesta im Niehler Werk vom Band. Wir haben eine Abschiedstour mit einem Ford Fiesta der ersten Generation durch Köln gemacht.
Baujahr 1982Abschiedstour mit einem Ford Fiesta durch Köln

Uwe Thielen und sein Ford Fiesta L der ersten Generation. Er, der Wagen und Köln sind eine Einheit.
Copyright: Meike Böschemeyer
Ein Auto wie eine Stadt. Elegant? Nicht wirklich. Mondän? Auf gar keinen Fall. Charme? Jede Menge. Köln und der Ford Fiesta sind wie ein altes Ehepaar. Seit 47 Jahren miteinander verheiratet. Es war eine gute Beziehung: Köln als die sexy Braut und der Fiesta als der treue Ernährer. Nun hat das gemeinsame Glück ein Ende. Am 7. Juli geht der letzte Ford Fiesta – mittlerweile in der achten Generation – im Niehler Werk vom Band. Damit ist die Zeit für einen Abschied gekommen. Wehmut liegt in der Luft. Uwe Thielen, stolzer Besitzer eines Fiesta aus dem Baujahr 1982 (1. Generation), macht mit seinem Auto und der Rundschau eine Abschiedstour durch Köln. Demnächst eine Stadt ohne F.
Ein Kind seiner Stadt und der Ford-Werke
Wenn der Fiesta und Köln ein Ehepaar sind, dann ist Uwe Thielen „ihr Kind“. Geboren und wohnhaft in Köln. Gelernt und noch heute in Anstellung bei Ford. Sein älterer Bruder, ebenfalls ein „Fordianer“. Sein Sohn am Anfang seiner Karriere – bei Ford. Thielens erstes Auto: Ein Fiesta der 1. Generation. 1988 von seinem Bruder abgekauft. Er besitzt ihn immer noch. Doch über dieses Auto sind die Tuning-Sünden der 80er Jahre hinweggegangen. Deshalb war die Freude groß, als er vor wenigen Jahren einen 82er Fiesta im Originalzustand fand. Er wurde sich mit der betagten Vorbesitzerin handelseinig.
Daumen und Mundwinkel hoch
Kaum ist er mit der „bescheidenen Schönheit“ am Rundschauhaus vorgefahren, gibt es den ersten Bewunderer: „Respekt. Schönes Auto. Toller Zustand“, ruft ein begeisterter Passant. Uwe Thielen bedankt sich souverän. Solche Reaktionen sind ihm nicht fremd. „Wenn ich mit dem Fiesta durch die Stadt fahre, gibt es oft an Kreuzungen einen Daumen nach oben und ein freundliches Lächeln.“ Es ist der Lohn für die Arbeit, die er für den originalgetreuen Zustand des Wagens leistet.
„Das ,L’ steht für Luxus?" Thielen kann über diese Frage nur herzhaft lachen. „Das ist die Grundausstattung. Einzige Extras: Ein Sonnendach und ein Radio – mono!“ Und ab geht die wilde Fahrt. Die Gurte legen sich so straff über die Brust, als hätten sie die Liebe ihres Lebens gefunden. An der Mittelkonsole hängt ein Schutzengel, als Ersatz für die fehlenden Airbags. Die Ein-Liter-Maschine faucht, als sei Grisu der Drache nie vom ZDF aus dem Programm gestrichen worden. Die 40 PS ziehen mit einer Spannkraft an, als gelte es, den Gipfel des Kalkbergs zu erstürmen.

Bisher Kunstwerk, demnächst Denkmal: Der Fiesta vor dem „Flügelauto“ auf dem Stadtmuseum. Der Künstler HA Schult nahm für sein Werk aber keinen Wagen der ersten Baureihe.
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Erster Halt: Das Flügelauto auf dem Stadtmuseum. Was hätte der Künstler HA Schult anders für sein Werk „Der goldene Vogel“ nehmen können als einen Fiesta? Und wer anders hätte dem Werk überregionale Bedeutung zukommen lassen können, als der wegen des Kunstwerks vor Wut schäumende Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes. Und wo anders würde die „vorübergehende“ Genehmigung für die Installation seit nunmehr 32 Jahren Bestand haben als in der Hauptstadt der immerwährenden Provisorien. Ab dem 7. Juli mehr Denkmal für den Fiesta als Kunstwerk.
Am Tag der „Abschiedstour“ ist es schwül. Macht nichts, Uwe Thielen hat die „Klimaanlage“ auf Maximum gestellt: Beide Fenster ganz runter gekurbelt und das Sonnendach aufgeklappt. An der roten Ampel baut sich eine schwarze Wand hinter dem Fiesta auf: Ein Audi Q8 e-tron. Die Vergangenheit des Automobils war handlich, die Zukunft ist monströs. „Wenn ich mit meinen Fiesta unterwegs bin, ist das für mich Entschleunigung“ berichtet Thielen. Fahre er zusammen mit seiner Frau im „Alltagsauto“, beschwere sie sich immer über seinen aggressiven Fahrstil. Fahren sie im Fiesta, lobe sie: „Du fluchst ja gar nicht.“ Die Vergangenheit des Autos war auch friedfertiger.
Der Fiesta hat den Bestand des Ford-Werks gesichert. Mit dem haben wir unsere Brötchen verdient.
In aller Seelenruhe geht es auf die Deutzer Brücke für den finalen „Schuss“: Der Fiesta am Deutzer Ufer, mit Dom im Rücken. Der „Kleine“ steht beim „Shooting“ einem Transporter im Weg. Der Fahrer könnte hupen. Er wartet sanft lächelnd , als wisse er um den historischen Moment. „Ja, das wird emotional für mich“, schaut Thielen auf den 7. Juli. „Der Fiesta hat den Bestand des Ford-Werks gesichert. Mit dem haben wir unsere Brötchen verdient“, sagt Thielen. Einen E-Fiesta hätte er sich gut vorstellen können. Andere haben anders entschieden. Egal. Eine Stadt ohne F wird es für ihn dennoch nicht geben. Nicht so lange er mit seinem Fiesta auf den Straßen Kölns unterwegs ist.

Verstellbare Außenspiegel, selbstverständlich manuell. Der Fiesta der ersten Stunde bestach mit pragmatischen Lösungen.
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Wer sein Auto liebt...
500 Euro können schnell fällig werden, braucht ein Fiesta der ersten Baureihe einen neuen Kotflügel. Kommt er aus England, muss sogar mit 900 Euro gerechnet werden. Unter den Ford-Oldtimer-Liebhabern gelten die Blechteile des Fiesta als „schwarzes Gold“. Etwas preiswerter kann es bei der Technik werden.
Gute Kontakte braucht es, um an Ersatzteile für die alten Schätzchen heranzukommen. Fiesta-Fans sind in Gruppen in den sozialen Netzwerken miteinander in Verbindung. „Wir sind gut organisiert“, sagt Uwe Thielen über die Fiesta-Szene. Wer Ersatzteile benötige, sei darauf angewiesen, „das jemand jemanden kennt, der jemanden kennt“. In der Regel sind Technik-Ersatzteile preisgünstiger zu bekommen als Bleche.
Beim TÜV gibt es für einen Fiesta der ersten Generation laut Uwe Thielen immer ein herzliches Willkommen. „Die finden das Auto toll“, berichtet er aus Erfahrung. Einen Bonus bei der Prüfung gibt es dennoch nicht.