Faltenröcke für die EwigkeitBei Plissee Becker wird genäht, gestickt – und plissiert

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Spitzenborten gehören auch zum Sortiment: Rolf Teichmann und seine Mitarbeiterin Sanem Gedik nehmen Maß.

Spitzenborten gehören auch zum Sortiment: Rolf Teichmann und seine Mitarbeiterin Sanem Gedik nehmen Maß.

Köln – Dieser Auftrag ist sogar für Rolf Teichmann etwas Besonderes: Ein weißes Taufkleidchen mit hauchzarter Spitze, Jahrzehnte alt, soll neu bestickt werden. „Annegret“ wurde 1949 als erste in diesem Kleid getauft, jetzt wird es für die neugeborene „Marie“ hergerichtet. Auch ihr Name und ihr Geburtsjahr werden erst auf ein spitzenverziertes Herz gestickt und dann in der Nähe des Saums aufgenäht, wo sich schon viele Herzen aneinanderreihen. „Die Schriftart, die Farbe des Garns – da muss natürlich alles zusammenpassen“, erklärt Rolf Teichmann (70), Inhaber von „Plissee Becker“ an der Benesisstraße.

Mottenlöcher und Verschleißstellen repariert

Das Taufkleid hängt auf dem Kleiderständer zwischen Herrenjacketts und wollenen Damenmänteln. Einer sollte ein weiteres Knopfloch bekommen. Der Unterschied zu den anderen Knopflöchern ist nicht zu erkennen, denn das neue wurde per Hand eingefasst, exakt so wie die anderen. Auch die kunstgestopften Mottenschäden und Verschleißstellen an den Jacketts sind kaum auszumachen. Das Besticken und Reparieren von wertvoller Kleidung gehört inzwischen zu den Schwerpunkten des Geschäfts.

„Aber so etwas wie in diesem Jahr habe ich lange nicht erlebt“, sagt Rolf Teichmann. Wochenlang hatten sich die Temperaturen auf spätsommerlichem Niveau gehalten. „Und jetzt schauen die Leute in ihre Kleiderschränke und stellen fest, ein Winterpulli hat ein Loch.“ Dann kommen sie bei „Plissee Becker“ vorbei. Eine Mitarbeiterin bessert in der Werkstatt von Hand ein ramponiertes Strickbündchen aus, eine andere verstärkt die Knopfleiste einer Kaschmirjacke. Weitere Aufträge liegen in Wäschekörben bereit.

Familie Becker eröffnete 1951 den Laden und übergab ihn 1964 an Lisbeth und Arthur Teichmann. 1971 stieg Rolf Teichmann in das elterliche Geschäft ein und übernahm es in den 1980er Jahren. Eigentlich ist er gelernter Bankkaufmann und wollte „nur ein oder zwei Jahre“ bleiben, „aber dann bin ich hier hängengeblieben“. Im Moment hat er acht Mitarbeiter.

Falten im Plisseerock bleiben für immer

Natürlich wird bei „Plissee Becker“ auch noch plissiert. Heutzutage sind Plisseeröcke seltener zu sehen. „Das ist Modesache“, sagt Rolf Teichmann. Der berühmte Rock von Marilyn Monroe, der über dem U-Bahn-Schacht verweht wird, hatte zum Beispiel diese Dauerfalten. Auch die Röcke der Tanzmariechen im Karneval sind plissiert.

Der Weg zum Plissierzimmer führt vom kleinen Verkaufsraum quer durchs Büro und durch die Werkstatt, in der die Näherinnen gerade dauerbeschäftigt sind. Rolf Teichmann öffnet eine große Rolle aus Spezialpappe. Es handelt sich um eine Plissierschablone, mit der gerade ein paar Meter schwarzer Stoff in einem „thermoplastischen Verfahren“ in beständige Falten gelegt wurden. Der Stoff wird für ein Musterstück einer Hamburger Schneiderei benötigt. „Man kann den Stoff sogar bei 60 Grad waschen: Die Falten bleiben drin“, sagt Rolf Teichmann. Dafür muss der Stoff exakt in die vorgefertigen Rillen der Schablone eingearbeitet werden. Dann wird die Schablone stramm zusammengerollt und stehend in einem schmalen Ofen unter Druck bei knapp 100 Grad Celsius ein paar Minuten lang erhitzt.

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Dutzende Rollen mit unterschiedlichen Faltenbreiten liegen bereit. Manche sind Jahrzehnte alt und durch die Wärme im Ofen vergilbt. In Deutschland kennt Teichmann nur noch eine Firma, die Plisseeschablonen herstellt: „Die haben früher Luftfilter für Autos gebaut“, erklärt Rolf Teichmann. Die dafür verwendete Pappe sei identisch.

Vorne im kleinen Verkaufsraum ist es ziemlich bunt geworden, seitdem er vor einigen Jahren ein Knopfsortiment übernommen hat. An zwei Wänden reihen sich Schubschränke mit kleinen Fächern aneinander. Ein junger Mann interessiert sich für die schillernden Perlmuttknöpfe. „Die dürfen nicht in die Waschmaschine, sonst brechen sie“, erklärt Rolf Teichmann. Oft genug kämen Kunden mit den „Trümmern“ vorbei. Es gibt auch Kunststoffknöpfe, Büffelhornknöpfe oder gemaserte Steinnussknöpfe. Eine ältere Kundin kauft Schneiderbedarf: Schulterpolster und Reißverschlüsse. Und dann wird schon der nächste Kaschmirpulli abgegeben. Er hat vorne ein kleines Loch.

Plissee Becker, Benesisstr. 40, Telefon 0221/258 09 46, geöffnet montags bis donnerstags 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 19 Uhr, samstags 13 bis 16.30 Uhr, plissee-becker.de

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