Abo

Circus Roncalli in KölnSo bereiten sich die Roncalli-Kinder auf die Zukunft vor

Lesezeit 5 Minuten
Roncalli Familie Paul

Bernhard Paul mit seiner Frau Eliana und seinen Kindern Adrian und Vivian

Köln – Wer im Paradies aufwächst, der verlässt es nicht. Lili Paul-Roncalli hat diesen Satz so oder so ähnlich schon oft gesagt, wenn Journalisten sie nach ihrer Zukunft befragten. Das Paradies, ihr Paradies, ist der Zirkus – genauer gesagt der Circus Roncalli. Bernhard Paul ist das Gesicht des Familienunternehmens, das noch bis zum 22. Mai auf dem Neumarkt gastiert. Irgendwann sollen seine drei Kindern die Geschicke übernehmen. Doch von Anfang an. 

Wie alles begann

Doch von Anfang an. Die Familiengeschichte beginnt im November 1987. Drei Jahre, nachdem sich Bernhard Paul mit seinem Unternehmen in Mülheim niedergelassen hat, besucht er eine Vorstellung des Zirkus Krone, trifft dort auf die Artistin Eliana Larible – und ist hin und weg. Drei Jahre später heiraten die beiden. Paul, dem zu diesem Zeitpunkt bereits der Durchbruch mit Roncalli gelungen war. Und Larible, die aus einer italienisch-französischen Zirkus-Dynastie stammt – beide durch und durch zirkusverrückt. Das älteste Kind der Pauls kommt bereits ein Jahr zuvor zur Welt – Vivian, genannt Vivi. Adrian und Lili komplettieren die Familie zwei beziehungsweise neun Jahre später.

Für alle beginnt das Leben im Zirkus, alle wachsen im Zirkus auf. Dass der Papa als Clown Zippo am Mittagstisch sitzt, gehört zu Normalität. Genau wie das ständige Unterwegssein. Etwas anderes als ein Leben im Wohnwagen kennen die Drei ja nicht. So entwickelt sich jeder für sich zu einem Teil des Circus Roncalli.

Vivi ist in vielen Shows des Circus Roncalli die Frau für schwindelerregende Höhen gewesen, ob am Reifen oder sogar am Kronleuchter. „Ich befinde mich gerade in einer Art Findungsphase und probiere mich ein wenig aus“, erklärt die 33-Jährige. Zu den vielen Eindrücken, die sie sammele, zählen auch „viele administrative Stellen, also auch die Büroarbeit im Managementbereich.“ Im Apollo Varieté des Unternehmens in Düsseldorf und für die Eventabteilung des Unternehmens ist sie bereits für das Künstler-Casting zuständig. Weil der Findungsprozess Priorität hat, muss die Artistin in ihr aktuell zurückstecken. Die Manege fehlt ihr, sagt sie. Oft denke sie darüber nach.

Hinter dem Rücken des Vaters trainiert

Ihr jüngerer Bruder Adrian ist als Kind vor allem fasziniert von Clowns, natürlich auch inspiriert von seinem Vater. Mit drei Jahren steht er gemeinsam mit Bernhard Paul als Mini-Zippo in der Manege. Später entdeckt er – auch durch seine Mutter – die Rollschuhkunst für sich und entwickelt mit seinen Schwestern unter dem Namen „Les Paul“ eine waghalsige und rasante Rollschuh-Artistik-Nummer. Zwei Jahre trainieren die Geschwister dafür – teilweise nachts und hinter dem Rücken ihres Vaters. Denn der – so befürchten sie – hätte ihnen eine solch gefährliche Nummer wohl verboten. Er bestätigt die Vermutung später. Mittlerweile ist Adrian für die künstlerische Leitung und die Regie im Apollo Variete zuständig. Alle drei Monate wechselt das Programm. Eine erfüllende Aufgabe, aber auch eine herausfordernde, findet findet der 31- Jährige. „Das Ziel ist es natürlich, jede neue Show zu etwas Besonderem zu machen und das Publikum bestens zu unterhalten.“ Das Apollo Varieté besteht seit 25 Jahren. „Diese lange Tradition möchten wir mindestens noch genauso lange fortführen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Seit sie vier Jahre alt ist, ist Lili die Schlangenfrau der Familie. Kontorsion heißt diese Form der Artistik, bei der sich die Künstlerin oder der Künstler in extreme Positionen verbiegt. Im Internet finden sich Videos, in denen Lilli als Neunjährige in der Manege steht. In den unglaublichsten Posen balanciert und wirbelt sie einen quadratischen Stoff auf ihrem Fuß und wirkt dabei bereits wie eine große Künstlerin. Souverän und voller Körperspannung bis in die Zehen und Fingerspitzen.

Lilli kennt seit der RTL-Show „Let´s Dance“ ganz Deutschland

Aktuell steht die 23-Jährige nicht in der Manege. Als sie 2020 in der RTL-Tanzshow „Let“s Dance“ teilnimmt, wird sie noch als Tochter von Bernhard Paul vorgestellt. Spätestens seitdem sie die Show mit beeindruckenden Auftritten gewinnt, ist sie viel mehr als nur das. Derzeit sitzt sie in der Jury der österreichischen Castingshow „Starmania“ und arbeitet als Model. Selbstverständlich werde aber auch Lili dem Circus Roncalli erhalten bleiben, sagt Roncalli-Sprecher Arnd Wedeking. „Sie wird ebenfalls irgendwann ihr Aufgabengebiet erschließen.“

Dass er seinen Kindern die Führung des Unternehmens zutraut, hat Bernhard Paul oft bekräftigt. Um die Zukunft des Zirkus macht sich der Chef derzeit aber auch unabhängig von den personellen Plänen viele Gedanken. „Wir sind alle abhängig von dem, was uns die Weltpolitik vorgibt“, sagt er. Auch Dinge wie eine Pandemie, die den Circus zwei Jahre ausbremste, seien nicht vorhersehbar. „Die Aktualität stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Vor zwei Jahren war geplant, dass das, was wir seit 45 Jahren machen, normal weiterläuft. Dann kam Corona“, sagt Paul. Auch über wirtschaftliche Folgen des Krieges macht er sich Gedanken. „Leichter wird es nicht.“

Respekt vor der Aufgabe

Das wissen auch seine Kinder. Natürlich habe sie Angst vor der Verantwortung, gibt Vivi Paul zu. „Es ist ja auch nicht nur ein Job für uns, sondern auch Zuhause und Familie. Unser ganzes Leben dreht sich ja um Roncalli. Aber gerade, weil für uns so viel daran hängt, werden wir uns umso mehr Mühe geben und versuchen, so viel wie möglich dazu zu lernen.“ Und Adrian ergänzt: „Zum Glück sind wir ja zu Dritt.“

Wie lange Bernhard Paul, der kreative Kopf hinter dem Circus Roncalli, noch in erster Reihe mitmischen wird? Schwer zu sagen. Doch bei allen Plänen und Ideen, die möglicherweise noch in ihm schlummern, weiß der 74-Jährige ganz genau, dass die Entscheidung nicht nur in seiner Hand liegt. „Ab einem gewissen Alter macht diese Pläne der liebe Gott.“

Rundschau abonnieren