In der Wolkenburg gibt Literaturkritiker Denis Scheck Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten von Franz Kafka.
Denis Scheck in Kölner Wolkenburg„Wir waren überrascht, wie modern die alten Rezepte waren“

Denis Scheck
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Franz Kafka war nicht nur ein herausragender Schriftsteller, auch mit seinen Ernährungsgewohnheiten setzte er Maßstäbe. Bei ihren Recherchen haben der Literaturkritiker Denis Scheck und die Ärztin Eva Gritzmann ein in Vergessenheit geratenes vegetarisches Kochbuch entdeckt, das der berühmte Dichter 1903 bei einem Aufenthalt in Dr. Lahmanns mondänen Dresdener Sanatorium geschenkt bekam. Gerade haben die beiden „Kafkas Kochbuch“ wieder veröffentlicht. Am 3. September ist das Duo mit dem Buch und einem vegetarischen Vier-Gänge-Menü im Rahmen der Fine Food Days ab 19 Uhr zu Gast in der Kölner Wolkenburg am Mauritiussteinweg. Wir haben vorab mit Denis Scheck gesprochen.
Sie haben zusammen mit Eva Gritzmann „Kafkas Kochbuch“ herausgegeben und werden dieses nun auch bei den Fine Food Days in der Wolkenburg vorstellen. Was hat es damit auf sich?
Franz Kafka hat 1903 von seinen Eltern zum bestandenen juristischen Staatsexamen einen zweiwöchigen Aufenthalt in Dr. Lahmanns Sanatorium in Dresden bekommen. Dabei ging es nicht um die Gesundheit Kafkas, das Sanatorium war damals das mondänste und angesagteste Wellness-Hotel seiner Zeit. An diesem schicken Ort im Villenviertel Weißer Hirsch ging es um die beginnende Lebensreformbewegung, die auf Gymnastik, leicht bekleidet in Lichthütten, aber auch auf die vegetarische Küche setzte.
Das war zu dieser Zeit etwas Neues.
Im Sanatorium lag auch immer etwas Sex und Erotik in der Luft. Kafka war insofern schwer begeistert von seiner Zeit in Dresden und zum Abschied gab es das „Hygienische Kochbuch zum Gebrauch für ehemalige Kurgäste“ von der Küchenchefin Elise Starker. Damit sollten die Gäste die vegetarische Ernährung, die sie gerade im Sanatorium kennengelernt hatten, auch in ihrem Privatleben weiter fortsetzen können. Das vergessene Buch habe ich mit Eva Gritzmann, einer Ärztin, wiederentdeckt und gemeinsam bei Klett-Cotta jetzt neu herausgegeben.
Und Kafka ist nach Dresden wirklich zum Vegetarier geworden?
Kafka kam aus einer wohlhabenden, bürgerlichen Familie, die vornehm in einer Wohnung im vierten Stock lebte, die bequem mit einem Lift erreichbar war. Man hatte auch Personal, zu dem eine Köchin gehörte. Kafka hat sich nach Dresden tatsächlich vegetarisch ernährt. Zum einen wollte er den Ausgleich zu den von seinem Großvater, einem jüdischen Metzger, geschlachteten Tieren erreichen, zum anderen wollte er einfach seinen Vater ärgern, der als Metzgerssohn Fleisch beim Essen liebte. Er hat aber die Familie auch mit anderen Ernährungsgewohnheiten in den Wahnsinn getrieben. So hat er „gefletchert“, das heißt, er hat die Verdauung in den Mundraum vorgezogen und jeden Bissen 42 mal gekaut.
Was erwartet da die Gäste am 3. September in der Wolkenburg?
Special-Guest an diesem Abend ist der Kafka-Experte Reiner Stach, der eine dreibändige Biografie über den Schriftsteller veröffentlicht hat und der als Weltautorität zu diesem Thema gilt. Wir haben aus dem Kochbuch ein vegetarisches Vier-Gänge-Menü zusammengestellt und werden in den Pausen von Kafkas Werk, seinem Leben und seinen Ernährungsgewohnheiten erzählen. Beim Studium des alten Kochbuchs waren wir überrascht, wie modern diese Rezepte sind. Sie könnten auch von Jamie Oliver oder von Yotam Ottolenghi stammen.
Wie kam der Kontakt zur Ärztin Eva Gritzmann?
Wir kennen uns aus schon seit der Schulzeit, später haben wir in der Literaturredaktion beim Deutschlandfunk gearbeitet und bereits zwei Bücher über Ernährung gemeinsam veröffentlicht. Da ging es beispielsweise um die Unterschiede bei der weiblichen und bei der männlichen Ernährungsweise. Mit Eva zu arbeiten, bringt so einem Projekt auch die weibliche und die ärztliche Sichtweise zum Thema Ernährung.
Welche Bedeutung hat für persönlich gutes Essen?
Meine Großmutter war Köchin beim ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Ihr habe ich oft beim Kochen über die Schulter geschaut - sie hat in Baden das Kochen gelernt und so die traditionelle französische Küche mit all den Soßen und den Fonds bevorzugt. Ich koche selbst leidenschaftlich gerne und liebe es, bei den Reisen Märkte und Markthallen zu besuchen und dort fremde Produkte für die heimische Küche einzukaufen. Die Küche ist für mich wie ein Labor, und Kochen ist das einzige Handwerk, das mir wirklich Spaß macht.

„Kafkas Kochbuch“
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Buch: Eva Gritzmann und Denis Scheck (Hg): Kafkas Kochbuch - Franz Kafkas vegetarische Verwandlung in 544 Rezepten, Klett-Cotta-Verlag, 448 Seiten 35 Euro (erscheint am 16. August)
Termin: Franz Kafkas vegetarische Küche präsentiert von Eva Gritzmann und Denis Scheck, 3. September in der Wolkenburg. Inklusive des Vier-Gänge-Menüs kostet der Abend pro Person 147 Euro.