Bei Anwohnern, Passanten und Geschäftsleuten ergibt sich ein differenziertes Bild zur Einbahnstraßenregelung auf der Venloer Straße.
„Das war reines Wildwest hier“So lief der Verkehrsversuch Venloer Straße bisher

Kein Durchkommen mehr für Autos und LKW. Mittlerweile hat sich die neue Regelung weitgehend herumgesprochen.
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Ruhig ist es geworden auf der Venloer Straße zwischen Gürtel und Piusstraße. Fast schon zu ruhig, findet Obst- und Gemüsehändler Simon Reynders: Er steht mit seinem Wagen am Geisselmarkt, kennt Ehrenfeld und dessen Befindlichkeiten seit vielen Jahren. Sein Urteil über die neue Einbahnstraßenregelung fällt zwiespältig aus: „Für die direkten Anwohner ist das natürlich ein großer Vorteil. Aber wir merken schon, dass der Umsatz weniger geworden ist in den letzten zwei Wochen.“ Was auch daran liege, dass viele ehemalige Alt-Ehrenfelder nach Bocklemünd oder Bickendorf gezogen seien. „Sie haben uns die Treue gehalten, sind dann eben mit dem Auto gekommen.“
Reinkommen nach Ehrenfeld ist auch gar nicht das Problem, im Gegenteil. Auf dem unteren Abschnitt der Venloer Straße gibt es mittlerweile sogar akzeptable Abstellmöglichkeiten. Nur rauskommen ist eben nicht mehr so leicht. Entweder der große Bogen über die Innere Kanalstraße oder durch die Seitenstraßen wühlen.
Auch Reynders ist mit seinem großen Bus gut eine dreiviertel Stunde länger unterwegs, berichtet er: Da er mit dem Marktwagen nicht durch die engen Straßen Alt-Ehrenfelds kommt, muss er nun einen weiten Bogen schlagen zum Geisselmarkt. Doch er nimmt es gelassen und sieht auch die Vorteile der neuen Regelung.
Die Sache mit dem „durch die Seitenstraßen wühlen“ bekommen einige Anwohner besonders zu spüren. In der Piusstraße etwa, letzte Ausfahrt vor der Einbahn-Regelung. Oder in der Kepplerstraße, wo gefühlt die halbe vierrädrig ausgestattete Kundschaft der Venloer Straße entlang schleicht. Einige ganz Schlaue wollen von da aus immer noch nach links abbiegen, gegen die Einbahnstraße Richtung Gürtel, aber die werden immer weniger.
Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Polizei sehr viel unterwegs ist im Umfeld der Venloer Straße. Fast ausschließlich mit dem Fahrrad. Bereits an der Absperrung in Höhe der Piusstraße stehen oft genug Beamtinnen und Beamte, die geduldig ungeduldigen Einfahrtswilligen die Zufahrt versperren. Auch wenn die „nur ein paar Meter da vorne“ etwas abliefern wollen. Der prominent platzierte Blitzer am Barthonia-Forum hilft ebenfalls, kaum jemand fährt zu schnell. Allerdings haben noch nicht alle Autofahrer verstanden, dass man in einer Einbahnstraße in der Mitte fahren darf viele bleiben nach wie vor am rechten Rand der Fahrbahn und engen die Radfahrer damit weiter ein.
Neben unverhohlenem Ärger speziell in den besonders belasteten Straßen gibt es aber auch viele positive Stimmen. „Eindeutig gewonnen“ habe die Venloer Straße und mit ihr das ganze Viertel, meint eine Café-Besucherin, die sich ganz entspannt in der Nähe des Neptunplatzes niedergelassen hat: „Kein Vergleich zu vorher.“ Sie wohnt selbst in Alt-Ehrenfeld und ist froh über die Veränderung, Auto fährt sie ohnehin nicht, wie viele im Viertel. Die Stimmung sei gelöster geworden, weniger aggressiv. „Das war reines Wildwest hier“, sagt sie. Ein Eindruck, den auch andere Passanten an diesem Tag immer wieder hervorheben.

Obst- und Gemüsehändler Simon Reynders spürt zwar Einbußen, sieht aber auch die Verbesserungen für Anwohner und Radfahrer.
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Und noch eine Gemeinsamkeit kommt immer wieder zum Tragen. Der vorherige Verkehrsversuch mit Shared-Space-Zonen, rechts vor links und künstlichen Einengungen sei ein „sagenhafter Blödsinn“ gewesen, meint Anwohner Ralf Suckeroth. Noch gefährlicher als vorher, noch unübersichtlicher, die Leute noch aggressiver. Warum man nicht gleich die Einbahnstraßen-Regelung eingeführt habe, fragen sich viele hier. Jetzt erst greifen die Veränderungen wirklich. Sozusagen mit Ansage.
Wir merken schon, dass der Umsatz weniger geworden ist in den letzten anderthalb Wochen.
Der Verdrängungsprozess des stadtauswärtigen Verkehrs, der von vielen vorhergesagt wurde, scheint die Vogelsanger Straße mehr zu treffen als die Subbelrather Straße. Zu bestimmten Zeiten drängeln sich die Autos vom Kaufland bis zum Gürtel. Eine ältere Dame, offenkundig Anwohnerin, mag sich gar nicht mehr recht beruhigen: Immer schon sei die Vogelsanger Straße das Schmuddelkind Ehrenfelds gewesen, erklärt sie in breitem Kölsch. Mit der Umgestaltung vor ein paar Jahren habe man Hoffnung auf Besserung gehabt „un jetz kütt de janze Dress widder“. Wie schwer Veränderungsprozesse umzusetzen sind, mag auch die Reaktion ihres ebenfalls betagten Begleiters verdeutlichen: Ob er sich denn die alte Regelung zurückwünsche auf der Venloer Straße? „Enä“, antwortet er entschieden und schreitet von dannen.
Tatsächlich scheint die Subbelrather Straße mehr schlucken zu können als ihr südliches Pendant, die Vogelsanger Straße. Was nicht heißt, dass es hier vollkommen reibungslos vonstatten gehen würde.
Kein einheitliches Bild in den Parallelstraßen
Wobei sich in beiden Straßen eine gewisse Unberechenbarkeit zeigt: An manchen Tagen fließt der Verkehr unauffällig, an anderen wiederum beißen sich die Autofahrer gegenseitig in den Auspuff. In der Vogelsanger öfter, in der Subbelrather weniger. Insgesamt aber ist letztere einfach breiter und bietet mehr Sicherheitsreserven. Trotz Tempo 50 die 30 Stundenkilometer der Vogelsanger seien hier trotz Schulwegen und Senioreneinrichtungen nicht möglich, hatte die Stadt trotz mehrfacher Forderungen immer wieder betont. Im Rahmen einer Pressekonferenz will sie am heutigen Mittwoch, 8. November, über die neue Lage rund um die Venloer Straße unterrichten.
Langer Anlauf
Immer wieder gab es Vorstöße zur Verkehrsberuhigung, doch erst in den letzten Jahren kam wirklich Bewegung in die Diskussion. Mit einem zweistufigen Verkehrsversuch, zunächst Zone 20 und jetzt Einbahnstraße. Sie soll zunächst ein Jahr gelten. Von der ursprünglich angedachten Variante – gegenläufige Einbahnstraße ab Gürtel – ist momentan jedenfalls keine Rede mehr. (two)