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„Fleut' vom Arnöldchen“Kölner Heimatverein macht Sensationsfund

Lesezeit 4 Minuten

Das Musikinstrument des Kölner Originals Arnold Wenger erhielt der Heimatverein im Jahr 1902. Als es nun zum Vorschein kam, steckte es immer noch im Originalkarton.

  1. Karl Berbuer texte für den Karnevals-Schunkelwalzer 1950 über die „Fleut vom Arnöldchen“ – die Flöte.
  2. Später griffen auch die Bläck Fööss und King Size Dick das sagenumwobene Instrument in ihren Zeilen auf.
  3. Nun hat der Kölner Heimatverein das Instrument wirklich gefunden.

Köln – „Un et Arnöldche fleut“, hat Karl Berbuer für den Schunkelwalzer von 1950 über den Karneval im Himmel getextet. Willy Breuer hat es gesungen und später auch King Size Dick mit den Bläck Fööss. 1950 war der Arnold Wenger, der in dem Lied nebst Willi Ostermann, Willy Millowitsch, Johannes Palm und anderen Kölner Originalen zur Freude des Herrgotts beiträgt, aber schon 48 Jahre lang tot. Er starb 1902. Seine Flöte hatte der im selben Jahr gegründete Heimatverein Alt-Köln erhalten. Allerdings ist das irgendwie in Vergessenheit geraten, denn erst jetzt beim Aufräumen des Archivs im Stadtmuseum ist die „Fleut“ zwischen allerlei anderen Kölner Kleinodien wiederentdeckt worden.

100 Jahre vergessen

Das Musikinstrument liegt wie vor mehr als 100 Jahren fein säuberlich in einer bunt dekorierten Pappschachtel. Es besteht aus mehreren Stücken, die vor dem Spielen zusammengesetzt werden mussten. „Das ist der Hammer“, freute sich Dr. Michael Euler-Schmidt, Leiter der Abteilung für Kölnisches Brauchtum und Geschäftsführer des Vereins Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums: „Die haben nie was gesagt.“ Euler-Schmidt war also Jahre lang im Stadtmuseum mit der Fleut vom Arnöldchen unter einem Dach, ohne es zu wissen.

Das Arnöldchen

Arnold Wenger, am 12. Februar 1836 in der Sankt-Apern-Straße 34 geboren, war der Sohn des Musikers Theodor Wenger und der Sofia, geborene Eßer. Der Vater hatte eine Gastwirtschaft und musizierte auch zur Unterhaltung seiner Gäste. Der Sohn tat es ihm gleich, war jedoch arg dem Wein zugeneigt, den es im Elternhaus so reichlich gab.

Eigenwillig war er: In ein Orchester hat er sich nicht einfügen wollen. Lieber zog er mit seiner Flöte auf die Märkte und anschließend mit den Marktweibern in die nächste Kneipe. Er liebte das Derbe und Zotige, lebte in den Tag hinein, der immer häufiger in der Gosse endete. Mit knapp 40 Jahren steckte ihn die preußische Obrigkeit in die Arbeitsanstalt Brauweiler. Aber Arnold hatte Glück: Er erbte von einer Bekannten 6000 Mark und schloss mit der Stadt einen Handel ab: Das Geld kam in die Stadtkasse und er als Invalider ins Bürgerhospital.

Das Ende: Doch der knubbelige kleine Musikus mit dem Pickelgesicht, den das Volk auf den Plätzen so sehr liebte, konnte einfach nicht vom Alkohol lassen. Er muss ins Pensionärshaus der Lindenburg, einer Krankenanstalt, umziehen. Dort starb er am 26. Oktober 1902 um 11 Uhr. (mfr)

Auch Maria-Luise Schweiger (75) hatte keine Ahnung, obwohl sie 20 Jahre lang das Archiv betreute. „Aber diese Flöte habe ich nie zuvor gesehen. Es kam immer so viel Neues dazu, dass gar keine Zeit war, mal in Ruhe in die Schränke zu schauen.“ Den Anlass, nun doch nachzuschauen, bot die Kündigung. Wegen des Wasserschadens im Stadtmuseum muss das Archiv aus dem Dachgeschoss-Zimmer ausziehen – spätestens Ende November. 1500 Meter lang reihen sich Bücher und Bilder in dem nur 20 Quadratmeter großen Zimmer aneinander. Das prächtigste Möbelstück ist ein Schrank, der eigens für den Verein angefertigt wurde. Er zeigt in einer Schnitzerei das Gründungsjahr des „Vereins Alt-Köln“. Irgendwann nach dem Krieg zog der Verein in das einstige Zeughaus ein. Damals müssen auch die vier Zettelkästen auf den Schrank gestellt und seitdem ignoriert worden sein. Der erste Griff hinein förderte Briefpapier von Karnevalsgesellschaften der 40er Jahre zutage, einen Haushaltsausweis für Vollmilch aus der Mangelzeit, Notizen mit Urkundenabschriften aus dem Mittelalter. Philipp Hoffmann, der 32 Jahre alte Referent der Abteilung Kölsches Brauchtum, bekam glänzende Augen. „Allein die Auswertung dieser Zettel könnte eine Lebensaufgabe sein.“

Ausgebreitete Schätze: Sie kamen beim Räumen ans Tageslicht. Vieles ist seit Jahrzehnten nicht betrachtet worden.

Aus einem verglasten Schaufach im Archivschrank hatte der Erkundungstrupp unter dem neuen Heimatvereins-Vorsitzenden Norbert Hilgers die Fleut vom Arnöldchen gezogen. Stempel, eine Narrenkappe der Roten Funken von der Jahrhundertwende, die „Glücks-Schreibfeder“ des Mundartautors Wilhelm Schneider-Clauß von 1910.

Die Büste eines Mundartautors entdeckte Norbert Hilgers.

Aber der unerkundete Schatz ist noch viel größer. Alte Protokollbücher stapeln sich, und auf dem Schrank flankierten zwei große Büsten eine illustre Sammlung nicht identifizierter Einzelstücke. Eine Büste zeigt den Mundartautor Hanns-Georg Braun, der 1960 im Greven-Verlag „Liev un Siel – Kölsche Leeder un Gedeechte“ veröffentlichte. Der andere ist noch unbekannt.

Mit der Glücksfeder eines Mundartautors: Maria-Luise Schweiger.

Euler-Schmidt, auch Vorsitzender des Fördervereins des Instituts für Restaurierung und Konservierung an der Technischen Hochschule sowie Geschäftsführer der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums, will als erstes eine Restaurierung von Arnolds „Fleut“ vermitteln. Schließlich war der Fleuten-Arnold so bekannt, dass die Polizei in Köln (wegen der Trillerpfeifen früherer Schutzmänner) den Spitznamen Arnold erhielt. Heute ist „Arnold“ die amtliche Funkrufkennung der Kölner Polizei.

Mit dem Auszug aus dem Stadtmuseum braucht sich der Heimatverein wohl nicht so zu beeilen, denn Euler-Schmidt sagt zum Übergangsquartier im einstigen Modehaus von Franz Sauer: „Dort muss erst umgebaut werden. Wir stellen ja keine Jacketts aus.“