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Wenn Gesten anders gemeint sindGehörloser nach Klinik-Vorfall in Köln freigesprochen

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Eine Justitia ((Symbolbild)

Eine Justitia (Symbolbild)

Ein trauriger Fall vor dem Amtsgericht: Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin konfrontierte ein 56-Jähriger einen Kieferchirurgen. Was zunächst als Bedrohung erschien, entpuppte sich als Missverständnis zwischen Laut- und Gebärdensprache.

Im Juni 2024 trat ein groß gewachsener und breitschultriger Mann (56) an einen Kieferchirurgen (46) heran, der gerade mit einem 41-jährigen Chemiker zu Mittag aß. Der Mann knallte seine mitgeführte Tasche auf den Tisch, gestikulierte wild und holte schließlich ein Foto seiner ein knappes Jahr zuvor verstorbenen Lebensgefährtin hervor. Dann deutete er wiederholt auf das Foto und auf den 46-Jährigen und vollführte mit dem Daumen eine „Kopfabschneider“-Geste. Am Freitag musste sich der gehörlose 56-Jährige   vor dem Amtsgericht einem Prozess stellen. Der Vorwurf: Bedrohung mit einem Verbrechen.

Missverständnis in Gebärdensprache führt zu Anklage

In der Anklageschrift hieß es: „Der Angeklagte baute sich vor dem am Tisch sitzenden Arzt auf und vollführte mit dem Daumen eine Kopfabschneide-Geste, indem er mehrfach den Daumen an seinem Hals entlang führte.“ Verteidiger Lars Leininger bestritt für seinen Mandanten auch gar nicht, dass der Vorfall so stattgefunden habe und dieser von dem Mediziner und dem Chemiker völlig zurecht als bedrohlich empfunden worden sei. „Bei Gehörlosen ist das ja so, dass da sehr viel gestikuliert wird“, führte Leininger aus. Er ergänzte zur Anklage, dass der Mandant, während er die Geste gemacht habe, ein Foto seiner verstorbenen Lebensgefährtin gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund habe die Geste eben nicht bedeutet: „Ich bringe Dich um.“ Und weiter: „In der Gebärdensprache heißt das vielmehr: Du hast Sie umgebracht.“ Ein nicht unerheblicher Unterschied zur Annahme in der Anklageschrift, der sich mit der tragischen Geschichte um den Tod der Verlobten des 56-Jährigen erklärte.

Tragische Hintergrundgeschichte des Angeklagten

Im Sommer 2023 hatte sich die Frau demnach mit schlimmen Zahnschmerzen in die Uni-Klinik begeben. Dort wurde festgestellt, dass die Schmerzen nicht auf einen Zahndefekt zurückzuführen waren, sondern auf eine schwere Tumorerkrankung, die bis dahin unentdeckt geblieben war. „Sie rechnete nicht damit, dass sie aus dem Krankenhaus nicht mehr rauskommt“, sagte der 46-Jährige in seiner Zeugenaussage. Er habe die Frau damals untersucht. „Ich musste ihr erklären, das ich nichts für sie tun kann.“ Wenige Monate später sei die Frau dann auch gestorben.

Zwar habe es hernach auch Gespräche zwischen dem Angeklagten und den Ärzten, unter anderem mit dem 46-Jährigen, gegeben: „Ich habe zwar Antworten bekommen, aber die waren alle falsch“, bekundete der Angeklagte über eine Gebärdendolmetscherin. Das Gericht sprach den 56-Jährigen jedenfalls frei. „Es gibt zumindest ausreichende Zweifel daran, dass es so war, wie der Sachverhalt in der Anklageschrift niedergelegt ist“, sagte die Amtsrichterin, nachdem der Verteidiger und auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert hatten. „Dennoch ist klar, dass sie die Leute in Ruhe lassen müssen“, ermahnte die Richterin den Angeklagten.