Am Himmelfahrtswochenende treffen sich traditionell die Gesellen der Zünfte, um den gemeinsame Marsch zum Rathaus zu begehen. Dieses Jahr gibt es auch ein 150-jähriges Jubiläum der Kölner Zunft Stubenschild zu feiern.
Gesellen auf der WalzWarum 400 schwarz gekleidete Menschen ins Kölner Rathaus marschierten

Mathis Schlabbach und Eric Wittkowski (v.l.) in ihrer Gesellenkluft beim Marsch über die Ehrenstraße in Richtung Rathaus.
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„Wer in der Kluft geht, bringt Geschichte in Bewegung“, begrüßt Bürgermeister Ralf Heinen die rund 400 Gesellinnen und Gesellen am Freitag im Kölner Rathaus. Zuvor sind die Handwerksleute aus den Maurer- und Zimmerergesellschaften vom Hahnentor am Rudolfplatz bis zum Rathausplatz marschiert. Mit Fahnen ihrer Herkunftszunft beschmückt und in traditioneller Walzkluft gekleidet, laufen die jungen und alten Gesellen durch die Kölner Innenstadt und ziehen die Blicke auf sich.
Mit dabei sind auch Eric Wittkowski und Mathis Schlabbach. Sie tragen die grüne Fahne ihrer Heimatstadt Harburg. Schlabbach ist zurzeit im neunten Monat seiner Walz, der jahrelangen Wanderschaft für junge Handwerker. Schlabach war schon in der Schweiz unterwegs, bevor er für die Festlichkeiten um das Himmelfahrt-Wochenende nach Köln reiste. Er und die anderen Gesellen haben bereits am Vorabend ihr Zusammensein begossen, nun trägt er, noch etwas mitgenommen, stolz die grüne Fahne seiner Stadt.
Drei Jahre und einen Tag sind die Gesellinnen und Gesellen unterwegs, so lange dürfen sie ihren Heimatort nicht betreten. Ein Umkreis von 50 Kilometern ist tabu. Nach einem Jahr Walz dürfe man den deutschsprachigen Raum verlassen und neben Österreich, der Schweiz und Liechtenstein auch andere Länder bereisen, erzählt Schlabbach. Der Zwanzigjährige hat schon eine Idee, wo es dann hingehen soll: „Ich will als Nächstes nach Norwegen und Schweden. Und dann nach Thailand.“
Dieses Gefühl von frei sein, dass du machen kannst, was du möchtest. Du wachst jeden Tag auf und weißt nicht, wo du ankommst.
Die Tradition kommt noch aus dem Mittelalter: Auf die Walz gehen darf, wer den Gesellenbrief hat, kinderlos, schuldenfrei und unter 30 Jahre alt ist. Auf der Reise müssen dann auch einige Regeln beachtetet werden. Es gilt ein Handyverbot. Schlabbach nutzt wie in alten Zeiten eine Straßenkarte. Wenn er mit Freunden oder Familie in Kontakt treten möchte, schreibt er E-Mails oder Postkarten. Er findet das gut: „Ich finde es geil, ohne Insta und TikTok und das Ganze zu sein, wo immer alles schnell, schnell, schnell geht.“
Schlabbach genieße es, auf Wanderschaft zu sein, besonders die Unverbindlichkeit und die Flexibilität des Alltags gefallen ihm: „Dieses Gefühl von frei sein, dass du machen kannst, was du möchtest. Du wachst jeden Tag auf und weißt nicht, wo du ankommst.“ Manchmal schlafe er auch im Park oder auf der Straße, das mache ihm aber nichts aus.

Die Gesellen marschieren durch Köln und werden im Rathaus von Bürgermeister Ralf Heinen empfangen.
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Im Rathaus angekommen, überbrücken die Gesellen die Wartezeit auf Bürgermeister Heinen mit einem Ständchen. „Der schönste Frühling“ heißt das Wanderlied, das alle 400 Anwesenden zu kennen scheinen, denn im gesamten Saal erklingt der Chor aus vor allem Männerstimmen - laut und textsicher. Gesellen aus mehr als 90 Gesellschaften sind in Köln zusammengekommen - sogar aus Ländern wie Australien und Südafrika.
Axel Sander spricht als Altgeselle zu den Gästen und erinnert an eine Zeit, in der das Beisammensein nicht selbstverständlich war und die Corona-Pandemie jegliche Feste unmöglich gemacht hat. Er spricht vor allem anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Gesellschaft „Stubenschild der rechtschaffenen fremden Zimmerer-, Schieferdecker-, Maurer- und Steinhauer-Gesellen zu Köln“ und erinnert an den Übervater Hans Müller. Er hätte viel Zeit seines Lebens in den Wiederaufbau der Zunft nach dem Zweiten Weltkrieg gesteckt, auch seinetwegen seien sie heute hier und könnten das Jubiläum begießen.
Sander erzählt von den Krisen, Kriegen und Herausforderungen, die in den vergangenen 150 Jahren seit dem Bestehen der Gesellschaft passiert sind. Er freue sich, dass trotz all den historischen Ereignissen junge Menschen immer auf die Walz gegangen seien. Für ihn bedeute die Reise mehr als nur reine Wanderlust: „Es ist eine Kraft, die größer ist als die Angst und Unsicherheit - es ist die Sehnsucht nach Freiheit.“
Sanders betont den Wert der Gesellschaften, die seiner Meinung nach Solidarität und Kameradschaft leben. Über die Walzreisenden sagt er: „Aus Neugierigen werden Selbstbewusste, aus Suchenden Findende und sie kehren zurück mit Koffern voller Erfahrungen und bereit, Verantwortung zu übernehmen.“