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Guide MichelinAm Dienstag werden wieder die Sterne vergeben - was das für Köln bedeutet

Lesezeit 4 Minuten

Das Restaurant von Michael Scherz ist ebenfalls im Bib Gourmand erwähnt.

Was es mit dem Gütesiegel aus Frankreich auf sich hat. 

Der Guide Michelin ist französisches Kulturgut. Die erste Ausgabe erfand der aus der Auvergne stammende Reifenhersteller 1900 anlässlich der Weltausstellung in Paris. Seitdem hat sich viel getan, in den letzten Jahren hat sich die Verleihung der Sterne zu einer publikumswirksamen Veranstaltung gemausert, zu einem „digitalen Event“ auf dem hauseigenen YouTube-Kanal. Aber nicht nur die Form, auch der Inhalt befindet sich im Wandel. Denn auch wenn nach wie vor die klassischen Sterne (einer für sehr gutes Essen, zwei, wenn das Restaurant einen Umweg wert ist, und drei, wenn sich eine eigene Reise lohnt) im Mittelpunkt stehen, gibt es schon seit 1997 den sogenannten Bib Gourmand für ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und seit 2020 den grünen Stern für Nachhaltigkeit, der unabhängig von den anderen Auszeichnungen vergeben wird.

Auf Kölner Stadtgebiet wurden im vergangenen Jahr insgesamt elf Restaurants mit einem oder zwei Sternen geführt. In Sachen Nachhaltigkeit muss man sich rund um den Dom noch ein wenig anstrengen – die nächstgelegenen grünen Sterne finden sich in Düsseldorf (Zwanzig23) und in Meerbusch (Anthony’s Kitchen). Mit dem Bib Gourmand sind mit der Henne Weinbar in der Pfeilstraße, der Caruso Pastabar im Agnesviertel, der Brasserie Capricorn [i] Aries in der Südstadt und dem Gasthaus Scherz in Sülz immerhin vier Lokale ausgezeichnet. Insgesamt sind in Deutschland 156 gastronomische Betriebe mit dem Bib Gourmand gelistet – am Dienstag werden laut Michelin noch einmal 15 neue Adressen dazukommen.

Marcello Caruso und Emanuele Barbaro in der Caruso Pastabar.

„Eine ziemlich coole Sache“, sagte Michael Scherz vom gleichnamigen Gasthaus auf der Luxemburger Straße. „Das bringt uns verstärkt Gäste aus dem niederländisch-belgischen Raum.“ Gelungenes Marketing, befindet er, auch wenn viele Leute hierzulande denken würden, dass es sich um den „kleinen Stern“ handelt. „Das ist Blödsinn, es geht eher so um eine ehrenwerte Erwähnung. So ein bisschen wie das Wasser in den Austern. Das hat kulinarisch wenig Wert, aber die Leute heben es auf und machen Schaum draus.“

Die Caruso Pasta Bar ist seit 2023 dabei. Auf der Website des Restaurants findet sich das Michelin-Männchen namens „Bib“, das sich als Gourmand, als Schlemmer, vielversprechend die Lippen leckt, eher versteckt. Er habe vor zwei Jahren eine E-Mail bekommen, erinnert sich Marcello Caruso, in der die Verfügbarkeit wie Außenterrasse oder vegetarische Optionen abgefragt worden seien. Auch ihm war das Signet aus Frankreich und Belgien ein Begriff. „Aber man bekommt keine Plakette und keinen Aufkleber, man ist irgendwann einfach drin.“ Ob es Gäste gibt, die gezielt deswegen kommen, sei schwer zu beantworten, so Caruso. Denn heutzutage hat niemand mehr ein backsteingroßes Buch dabei.

Lange gab es den Guide Michelin für Deutschland ausschließlich gedruckt - das hat sich verändert.

Lange Jahre lag das Hauptaugenmerk nämlich auf der Printausgabe des Guide Michelin, im klassischen Bordeauxrot. Der war eine Mischung aus Telefonbuch und Straßenatlas, gespickt mit Hotels, Pensionen und natürlich Restaurants, gedruckt auf sehr dünnem Papier und in sehr kleiner Schrift. Das Layout der Publikationen ist längst überarbeitet und die Suche nach den Sternen zu einer ästhetischen Angelegenheit geworden. Die 2024er-Ausgabe ist aber immer noch 684 Seiten stark und damit nach wie vor ein schwerer Brocken. Doch gibt es seit einigen Jahren auch ein digitales Angebot im Netz und eine App für das Smartphone. Kostenlos, denn die Konkurrenz von Google, Meta oder Trip Advisor ist groß. Waren der Michelin und die Konkurrenzprodukte wie Gault-Millau, Varta oder Falstaff lange Zeit die einzigen Formate, in denen man verlässliche Rezensionen finden konnte, erodierte diese Stellung mit dem Aufstieg des Internets in nur wenigen Jahren.

Differenzierte Rezensionen sind selten

„Privat bin ich ein großer Fan von Google Maps“ erklärt Saira Kuchalaschwili, 30, Mediengestalterin und Herausgeberin des Reisemagazins „favorit“. „Da lege ich mir für einzelne Länder, Regionen oder Städte eigene Listen an.“ Hier speichert sie alles, was sie gastronomisch interessant findet. „Läden, in denen ich schon war, aber auch solche, die ich gerne mal besuchen würde“, so die Wahlkölnerin. „Viele davon habe ich von Instagram.“ Mindestens vier von fünf Punkten müssen die Bewertungen aber schon aufweisen können. Beruflich nutzt sie auch die App des Guide Michelin, um Reisen oder Reportagen zu planen. Denn auch wenn die Menge der Bewertungen im Netz den einen oder anderen Ausrutscher nach unten oder auch nach oben ausgleichen mag, die meisten Einträge sind im Affekt, in der Begeisterung oder der Enttäuschung geschrieben. Differenzierte Rezensionen sind selten, professionelle Kritiken eine Rarität. Auch Profis machen gelegentlich Fehler, aber bei den wenigen, konzentrierten Sätzen im Guide Michelin kann man sich nach wie vor sicher sein, dass einer der 85 hauptberuflichen Inspektoren und Inspektorinnen vor Ort gewesen ist.