„Ich bin fassungslos“Scharfe Kritik am Umgang des Erzbistums Köln mit Kritikern

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Gregor Stiels

Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses, spricht von Zensur.

  • Internetseiten werden zensiert, Verbänden der Entzug von Finanzmitteln angedroht – Gregor Stiels vom Katholikenausschuss , ist entsetzt über das Vorgehen der Bistumsleitung.

Köln – Die Katholische Hochschulgemeinde in Köln kritisiert, das Erzbistum habe ihre Homepage kurzfristig aus dem Internet genommen und zensiert (siehe Kasten). Wie bewerten Sie den Vorgang? Ich bin fassungslos. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es in Deutschland im Jahr 2020 Institutionen gibt, die Internetseiten wegen eines kritischen Inhalts abschalten.

In einer Erklärung des Katholikenausschusses nehmen sie diesen Fall zum Anlass, generell den Umgang der Bistumsleitung mit Kritikern öffentlich zu machen. Sie schreiben, Kritiker seien mit Drohungen mundtot gemacht worden. Können Sie dafür Beispiele nennen?

Im Dezember 2019 gab es eine Postkarten-Aktion des Diözesanverbands des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Wie junge Menschen es nun mal machen, haben sie ihre Positionen mit durchaus provokanten Schlagwörtern und markigen Slogans nach vorne gebracht. Um nur ein Beispiel zu nennen: „Bei uns entscheidet die Demokratie und nicht der Papst“. Diese Form wurde aus dem Bistum heraus scharf kritisiert. Das ist im Grunde in Ordnung. Jedoch wurde mit den Jugendlichen nie inhaltlich über die von ihnen gut begründeten Thesen hinter den Schlagwörtern gesprochen. Dafür wurde aber subversiv angedeutet, die Aktion könnte unter anderem bei der Budgetierung Konsequenzen haben.

Die Internetseite der Hochschulgemeinde

Ein Positionspapier hatte die Katholische Hochschulgemeinde in Köln (KHG) im Mai 2019 auf ihrer Internetseite veröffentlicht. In dem Papier beklagt sie, dass viele junge Menschen ihre spiritueller Heimat nicht mehr in der katholischen Kirche fänden. Darum müsse die Rolle der Priester, der Zölibat , die Ordination von Frauen und die Sexualmoral überdacht werden. „Im Januar haben wir eine Dienstanweisung mit Androhung rechtlicher Schritte erhalten“, sagt eine Mitarbeiterin der KHG. Obwohl die Internetseite über einem eigenständigen Anbieter aktiviert gewesen sei, habe das Bistum Zugriff erhalten, und die Seite für rund eine Woche gesperrt. Danach sei die Seite wieder erreichbar gewesen, aber ohne das Positionspapier. „Wie das Bistum Zugriff erhielt, wissen wir auch nicht. Mit uns wurde über die Inhalte nie gesprochen, es wurden nur Repressalien angedroht“, so die Mitarbeiterin.

Das Erzbistum sagt auf Nachfrage der Rundschau: „Die Homepage war bedauerlicher Weise kurzfristig offline, weil eine erstmals am 3. November beauftragte Veränderung nicht vorgenommen werden konnte. Das notwendige Bemühen, die nun selbst umzusetzen, hatte zu diesem unbeabsichtigten Zwischenstand geführt“, so eine Sprecherin. Zu dem Entfernen des Positionspapiers sagt die Sprecherin: „Dem Erzbistum ist grundsätzlich eine intensive und auch kritische Auseinandersetzung mit kirchlichen Positionen wichtig.“ Die müsse aber sachlich und angemessen geführt werden. „Dies ist aus Sicht des Erzbistums in Art und Weise des Vorgehens und Umgangs bei dem Positionspapier jedoch nicht der Fall.“ Darüber sei mit den Mitarbeitern gesprochen worden. „Eine Zusammenarbeit zwischen jedem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf einer vertrauensvollen Basis von allen Beteiligten.“ (ngo)

Die Reformbewegung Maria 2.0 wirbt mit Aktionen vor allem für die Gleichstellung der Frauen in der katholischen Kirche. Kennen sie auch Beispiele aus diesem Bereich?

Ja, Aktivistinnen der Bewegung waren bei kirchennahen Medien zu Interviews eingeladen. Kurz vor dem Termin wurden sie wieder ausgeladen. Jemand hatte interveniert.

In ihrer Stellungnahme gehen sie auch auf den Reformprozess des Bistums ein, den pastoralen Zukunftsweg. Im Zuge des Prozesses finden Regionalkonferenzen statt, bei denen sich die Basis einbringen soll. Sie deuten jedoch an, wirklich basisdemokratisch gehe es dabei nicht zu.

Nicht genehme Themen dürfen bei diesem Prozess nicht diskutiert werden. Es gibt eindeutige Sprechverbote in den Foren. Dabei handelt es sich um Themen, die der Kardinal von vornherein als erledigt betrachtet: die Rolle von Frauen in der Kirche, die Rolle von Laien in Leitungsfunktionen, der Zölibat. Das waren aber Themen, die in den Regionalforen die Menschen eigentlich mit am meisten bewegt haben. Doch die wurden einfach wegmoderiert, nicht aufgegriffen und im weiteren Verlauf auch nicht mehr zugelassen.

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Was macht das alles aus ihrer Sicht mit den Laien an der Basis, wie ist die Stimmung in den Gemeinden?

Der Eindruck, der an der Basis entsteht: Die Bistumsleitung interessiert sich nicht wirklich für das, was die Menschen in den Pfarrgemeinden bewegt. Da gibt es viel Verärgerung, Nöte und Sorgen, die bei uns im Katholikenausschuss ankommen.

Beschleunigt das die Entwicklung der Austritte?

Eindeutig. Das merke ich auch an den Zuschriften, die ich bekomme. Erst recht nach den Regionalkonferenzen des Pastoralen Zukunftsweges. Mich erreichten viele Briefe, in denen die Menschen zum Ausdruck bringen, dass sie sich verschaukelt fühlen. Die Partizipation, die das Bistum bei diesen Prozess anbietet, ist keine. Das ist nur eine Simulation von Partizipation. Die Menschen merken das und sind frustriert darüber.

Was sagen sie diesen Enttäuschten?

Der Kardinal allein ist nicht die Kirche. Die Kirche sind wir alle, die sich vor Ort, in den Gemeinden, in den Krankenhäusern engagieren. Und auch die Priester, die tolle Messen feiern, die eine tolle Seelsorge betreiben. Und wenn ich mich von der Kirche abwende, dann wende ich mich auch von diesen Menschen ab.

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