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Interview-Reihe „Das andere Gespräch“Kölns DGB-Chef über die Leidenschaft zum Tennis

Lesezeit 6 Minuten
Roßmann DGB

Kein einfacher Gegner im Sport wie in der Politik: Witich Roßmann.

  1. Im anderen Gespräch reden wir mit Kölner Prominenten über Dinge, die so gar nichts mit ihrem Beruf zu tun haben.
  2. Diesmal trifft Tobias Wolff den Kölner DGB-Chef Witich Roßmann, der ihm die Faszination des Tennissports näher bringt.

Wären Sie gerne in Wimbledon oder schauen Sie solche Turniere vor dem Fernseher?

Ich schaue so gut wie nie Tennis im Fernsehen, auch wenn ich mich in die Psychologie der Spieler ganz gut hineinversetzen kann. Früher vielleicht, zu den Hochzeiten von Steffi Graf oder Boris Becker. Aber wenn Sport im Fernsehen, dann lieber Fußball.

Wann haben Sie angefangen?

Das erste Foto von mir mit Schläger in der Hand muss so mit etwa drei Jahren entstanden sein.

Wie kamen Sie dazu?

Über meine Eltern, die hatten sich schon 1945 im Tennisclub kennengelernt. Das war in einem kleinen Dorfverein, heute ein Stadtteil von Wolfsburg. Ein Ableger des VfL, der sich später eigenständig gemacht hat. Meine Mutter war irgendwann nicht mehr bereit, drei Mark Beitrag zu zahlen für einen Verein, bei dem zwei davon in andere Sparten fließen. Unsere Anlage stand übrigens exakt dort, wo heute das Verwaltungshochhaus von VW steht.

Zur Person

Witich Roßmann studierte Politikwissenschaften in Marburg und wurde mit einer Dissertation über Tarifpolitik promoviert. Er ist Mitherausgeber und Autor mehrerer Studien zur Geschichte und Politik der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung. Roßmann wurde 1987 Gewerkschaftssekretär der IG Metall, ist seit 2017 Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Köln.

Sein Heimatverein ist der Marburger Tennisclub, dort spielt er in der Herren 60. Roßmann hat die Leistungsklasse 18. In Köln ist er Mitglied beim TC Grün-Gold, wo unter anderem auch der ehemalige FC-Manager Johannes Linßen aktiv ist. Witich Roßmann ist verheiratet, dreifacher Großvater und pendelt regelmäßig zwischen Marburg und dem Rheinland. (two)

Der Verein stand unter dem Druck des Autobauers?

Im Gegenteil. VW brauchte das Gelände unbedingt und hat einen hohen Preis dafür bezahlt. So entstand von dem Geld in Wolfsburg eine der modernsten Anlagen Europas mit 13 Feldern und einem Vereinshaus, das dem des Tennisclubs Rot-Weiß Köln nachempfunden war.

Hatten Sie je Ambitionen für das Profi-Lager?

Nein, nie. Aber ich habe immer viel gespielt und bereits 1960 die erste Club-Meisterschaft in meiner Altersklasse gewonnen.

Sie waren in den 68ern politisch aktiv. Wie verträgt sich das mit dem „weißen Sport“?

In der Tat gab es einen Bruch, der aber nichts mit dem Sport an sich zu tun hatte. Am 21. Juni 1968 kam die Stadt Wolfsburg auf die Idee, das Stadtjubiläum mit einer Rekrutenvereidigung im Stadion zu feiern. Wir sind mit etwa 50 Leuten dorthin, haben Transparente mit unseren Friedensforderungen unter den Mänteln verborgen und ausgerollt.

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Wie war die Reaktion in der Arbeiterstadt Wolfsburg?

Extrem reaktionär. Wir wurden verprügelt und niedergebrüllt. Interessanterweise machte der international bekannte Fotograf Robert Lebeck Aufnahmen von den Tumulten, die später in der „Zeit“ und im „Stern“ veröffentlicht wurden. Und ich ganz vorne drauf. . . Frank Bsirske von Verdi war übrigens auch mit dabei. 2018 waren sie Ausgangspunkt einer 68er Lebeck-Ausstellung im Wolfsburger Kunstmuseum. Jedenfalls gewann ich am nächsten Tag noch die Bezirksmeisterschaften, aber das war der Einstieg in die Politik. Und das Tennis, die Parties, all das ganz normale Leben spielte plötzlich nur noch eine Nebenrolle.

Wie lange?

Eigentlich die ganze Zeit während meines Studiums in Marburg, gute fünf Jahre. Erst zum Ende hin, in den Examensvorbereitungen, habe ich gemerkt, dass ich wieder etwas tun muss. Zum Glück hat mich ein Kölner Mitstudent zu einem Spiel im kleinen Eisenbahnerverein Marburg Rot-Weiß animiert. Der Sportwart, Vertriebschef für Bauerverlag und den Playboy, engagierte uns für die erste Mannschaft.

Gab es Unterschiede zum Verein in Wolfsburg?

Das waren Welten. In Wolfsburg traf sich alles unterhalb der direkten Führungsebene im Club, vom Sparkassendirektor über Finanzchefs bis zur Politik. Mein Vater organisierte internationale Turniere, vergleichbar mit den ATP-Turnieren heute. Allerdings war das alles noch Amateursport. Offiziell jedenfalls.

Was heißt „offiziell“?

Wenn beispielsweise Spieler aus Südamerika oder Australien kommen sollten, spielten die hier fünf, sechs Matches bei verschiedenen Vereinen. Die Flugkosten aber wurden einzeln abgerechnet und vergütet. Oder VW stiftete dem Sieger einen Käfer zum Selbstkostenpreis, der dann zum normalen Preis weiterverkauft wurde. Gute Spieler wurden mit dem Versprechen angeworben, bei VW anfangen zu können. Das war schon der Anfang des Profitums. Der absolute Gegensatz zu den handfesten Eisenbahnern in Marburg.

Wo Sie heute noch spielen.

Ja, ich bin seit jeher das Pendeln gewohnt. Ich bin hier in Köln Mitglied bei Grün-Gold im Blücherpark, spiele sehr gerne hier, inzwischen auch mit dem Enkelkind. Aber mein Heimatverein ist Marburg, inzwischen im größeren TC in der Hessenliga.

Sie sind nach dem Studium und der Promotion bei der IG Metall gelandet. Gab es da Vorbehalte gegen den Tennis-Spieler Roßmann?

Mir gegenüber nie, nein. Warum auch. Tennis war für mich immer ganz normaler Sport, ohne irgendwelche Schichtenzugehörigkeiten. Aber in meinen Anfangsjahren in Wetzlar, da habe ich einen Gewerkschaftssekretär kennengelernt. Der hat mir erst nach einem Jahr gestanden, dass er selbst spielt. Dabei haben wir fast jeden Tag zusammen gearbeitet. Ihm war das wohl irgendwie peinlich. Und dann trafen unsere beiden Mannschaften ausgerechnet am 1. Mai aufeinander!

Wie hat sich die Clublandschaft verändert?

Früher konntest du einfach zum Court kommen, da war immer irgendjemand, mit dem man spielen konnte. Ich kann mich auch noch gut an feierliche Preisverleihungen und Silvesterbälle im Smoking erinnern. Heute läuft das eher ab wie in einem Fitness-Club. Man bezahlt, bucht seine Zeiten, spielt und geht wieder. Das Vereinsleben hat stark abgenommen, der Wolfsburger Club ist in Insolvenz gegangen, auf den Eisenbahnerplätzen wächst das Moos. Aber Grün-Gold im Blücherpark wächst dank guter Jugendarbeit.

Was für ein Typ Spieler sind Sie?

Sicher kein Serve-and-Volley-Typ. Ich bin ein guter Rückhand-Spieler, habe einen guten Rückhand-Slice. Bin vielleicht nicht der Schnellste, aber ausdauernd und geduldig. Damit kann man andere in den Wahnsinn treiben. Verlieren kann ich schnell, gewinnen nur sehr knapp. Die meisten meiner Spiele dauern gefühlt ewig, ich meinen Statistiken dominieren Dreisatzspiele beziehungsweise heute die sogenannten ,Champion Tie Breaks’.

Eher Einzel- oder eher Mannschaftsspieler?

Die meisten Siege habe ich tatsächlich im Doppel. Und es ist ein großer Ansporn, für die eigene Mannschaft anzutreten. Sich zur Disziplin zu zwingen, für die Mannschaft geradezustehen. Aber ich mag auch die kleinen Tricks im Eins-zu-Eins, die psychologische Herausforderung des direkten Gegenübers, die Wettkampfsituation.

Klingt nicht nur nach Freizeitbeschäftigung.

Wenn ich Sport mache, will ich gewinnen. Ich gehe nicht auf den Platz, nur um mich auszupowern. Ich spiele gerne gegen Jüngere oder gegen Spieler in besseren Leistungsklassen, und es freut mich, wenn ich die in Bedrängnis bringen kann oder gewinne. Es gibt zwei Siegertypen: Den, der sich gar nichts anderes vorstellen kann als zu gewinnen. Und den, der einfach nicht verlieren will. Ich gehöre sicher zu den zweiten.

Hatten Sie Verletzungen?

Mir ist mal im Stand auf dem Platz die Achillessehne gerissen, damit hatte ich Monate zu tun. Aber sonst, nein. Kleinere Blessuren mal, aber nichts Ernstes.

Wie lange können und wollen Sie noch auf dem jetzigen Niveau spielen?

Das ist ja das Schöne am Tennis. Man kann es bis ins hohe Alter spielen. Viele Mitspieler meiner Mannschaft sind Umsteiger aus dem Fuß- und Handball. Von daher – hoffentlich noch eine ganze Weile.