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„Das andere Gespräch“ mit Rolf Mützenich„Ich mag es einfach, mit dem Rad zu fahren“

Lesezeit 6 Minuten
Mützenich das andere Gespräch

SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich radelt gerne am Rheinufer. 

  1. ​In unserer Reihe „Das andere Gespräch“ reden wir mit bekannten Kölnerinnen und Kölnern über alles Mögliche, nur nicht über berufliche Themen.
  2. Mit Rolf Mützenich (62), Chef der SPD-Bundestagsfraktion, haben wir übers Radfahren gesprochen, das für den Abgeordneten die bevorzugte Art der Fortbewegung ist.

Wann haben Sie Fahrrad fahren gelernt?

Wie alt ich war, weiß ich nicht mehr so genau. Meine Eltern haben es mir beigebracht. Ich bin in Kalk geboren und in Poll aufgewachsen. Das Fahrrad wurde schnell zu meinem Hauptfortbewegungsmittel. In der Freizeit, etwa für Fahrten zum Gremberger Wäldchen. Aber auch für den Weg zur Schule.

War Ihr erstes Fahrrad neu oder gebraucht?

Ich habe zwei ältere Geschwister und vermute daher, dass ich eines ihrer Räder bekommen habe. Ich weiß noch, dass es blau war, und kann mich verschwommen daran erinnern, dass es Stützräder hatte. Und definitiv eine Rücktrittbremse.

Zur Person

Dr. Rolf Mützenich (62), Sohn einer Kölner Arbeiterfamilie, hat Politikwissenschaft studiert und 1991 an der Uni Bremen über „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“ promoviert. Seit 2002 gehört er dem Deutschen Bundestag an, er wurde im Wahlkreis 95 Köln III (Chorweiler, Ehrenfeld, Nippes) stets direkt gewählt.

Der Iran-Kenner war außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Mützenich ist Experte für den Nahen und Mittleren Osten und engagiert sich für Abrüstung. 2013 wurde er stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles 2019 übernahm er den Vorsitz zunächst kommissarisch und wurde im September mit 97,7 Prozent Zustimmung zum Fraktionschef gewählt. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. (fu)

Rücktritt war ja früher Standard…

Richtig. Damit konnte man schön scharf bremsen. Als Kinder haben wir uns gefreut, wenn wir lange Bremsspuren auf dem Asphalt hinterlassen konnten.

Welche Erinnerungen haben Sie an das Radfahren als Jugendlicher im Köln der 70er?

Ich war erst auf der Hauptschule in Deutz, dann in Kalk und ab der 10. Klasse auf dem Gymnasium in Mülheim. Meist bin ich von Poll aus mit dem Rad zur Schule gefahren. Radwege gab es damals keine, aber der Verkehr war auch nicht so stark wie heute. Ich bin oft am Rhein entlanggefahren, über den Auenweg nach Mülheim. Dort war zu der Zeit noch viel Industrie, und es fuhren viele Lkw dort. Einen Fahrradhelm trug damals niemand.

Fahren Sie heute mit Helm?

Ja, und er hat mir auch schon gute Dienste geleistet. Ich hatte in Köln mal einen Unfall mit dem Rad, bin bei Dunkelheit in ein Schlagloch gefahren und gestürzt. Da war es gut, dass ich den Helm trug.

1975 waren Sie 16, sind in die SPD eingetreten. Hatten Sie da schon ein Mofa oder sind Sie weiter Rad gefahren?

Ich hatte nie ein Mofa, bin immer beim Fahrrad geblieben. Meist war es ein stabiles Tourenrad. Eine Weile hatte ich auch ein Rennrad, mit dem ich zur Schule geradelt bin.

Was fahren Sie heute für Räder? Haben Sie schon auf E-Bike umgestellt?

Nein, ich verlasse mich bisher noch aufs Treten. (lacht) Voriges Jahr habe ich mir ein neues Tourenbike gekauft. Das ist toll. Die Technik ist heute ja viel weiter als damals. Früher gab es weder Scheibenbremsen noch gutes Licht. Ich habe auch gute Satteltaschen und fahre mit dem Rad zum Einkaufen.

Radeln Sie bei Wind und Wetter?

In der Regel ja, ich habe die entsprechende Ausrüstung dafür – Regenhose und so weiter.

2002 wurden Sie in den Bundestag gewählt und kamen nach Berlin. Wie haben Sie es da mit dem Radfahren gehalten?

Ich habe mir im Nachtzug ein Rad aus Köln mitgebracht. Das wurde mir aber leider bald gestohlen, und ich musste mir ein neues besorgen. Auch in Berlin nutze ich am liebsten das Rad.

Obwohl Sie sich als Abgeordneter und Fraktionschef in einer großen Limousine vom Fahrdienst des Bundestages chauffieren lassen können?

Ich mag es einfach, mit dem Rad zu fahren. Man kommt überall schnell hin. Und ich kann beim Radfahren gut nachdenken. Es hält einen fit und hilft, das Gewicht zu halten. Wenn ich im Anzug bei Regen zu einem Termin muss, greife ich aber auch mal auf den Fahrdienst zurück.

Sind Sie als Radler ein Exot unter den Abgeordneten?

Es gibt einige Parlamentarier, die wie ich in Berlin am liebsten mit dem Rad fahren, zum Beispiel mein Kieler Kollege Mathias Stein. Aber es ist richtig, dass man als Radfahrer schon mal auffällt. Zum Beispiel, als ich das erste Mal mit dem Rad am Bundeskanzleramt vorgefahren bin.

Was war da los?

Ich musste als Fraktionsvorsitzender zum Koalitionsausschuss, der im Kanzleramt tagte, und bin mit dem Rad gekommen. Der Sicherheitsdienst hat mich nicht reingelassen, weil mein Büro das Fahrrad nicht angemeldet hatte. Ich bin dann rüber zur Schweizer Botschaft. Dort konnte ich mein Rad anschließen. Die haben mir sozusagen Asyl gegeben. (lacht) Später war es dann kein Problem mehr, und ich durfte mein Rad am Kanzleramt abstellen.

Wie viele Räder wurden Ihnen schon geklaut?

(überlegt) Ich glaube, mindestens zehn, wenn ich Köln und Berlin zusammenrechne. Jetzt habe ich ein Schloss, das mit lautem Warnton Alarm schlägt, wenn sich jemand daran zu schaffen macht.

Fahren Sie in Berlin heute noch so viel wie früher?

Es ist etwas weniger geworden, weil sich meine Arbeit jetzt vor allem im Zentrum des Bundestags abspielt. Ich radele nicht mehr so oft zu verschiedenen Botschaften, wie ich es als Außenpolitiker getan habe. Aber ich fahre schon noch viel Rad – sehr zum Leidwesen meiner Chauffeure. Für die war das ein Umgewöhnungsprozess.

Ist Berlin fürs Radfahren besser als Köln?

Berlin hat bereits mehr Fahrradstraßen eingerichtet als Köln. Es gibt dort auch breitere Radwege. Ich glaube, Köln holt mittlerweile auf. Dennoch muss sich die Stadt mehr um das Radwegenetz kümmern. Neulich bin ich den Militärring im Kölner Norden gefahren. Dort sind Schlaglöcher, die gab es schon vor mehr als 20 Jahren.

Und wie steht es um die Moral der Radfahrer?

Nach meinem Eindruck wird in Berlin schneller und rücksichtsloser gefahren als in Köln. Dabei kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen – etwa, wenn Radfahrer rote Ampeln ignorieren.

Was gefällt Ihnen am Radfahren besonders?

Wie gesagt, ich kann auf dem Rad gut nachdenken. Sich körperlich zu bewegen, ist mir wichtig. Bei Ausflügen erlebt man die Landschaft mit ihrem Farbenspiel besonders intensiv. Und ich mag es, auf dem Rad die Luft zu riechen, auch mal Regen und Schnee zu spüren.

Heute gibt es alle möglichen Arten von Fahrrädern für jeden Zweck, wie Fixies, Gravel Bikes oder Cruiser mit Ballonreifen. Ist das für Sie Spielerei oder finden Sie das gut?

Ich schmunzele manchmal über das eine oder andere Fortbewegungsmittel. Aber generell ist es doch prima, wenn es so ein breites Angebot gibt. Je mehr Menschen Lust aufs Radfahren bekommen, desto besser.