„Wir sind für jede Hilfe dankbar“81-Jährige unterstützt Lehrer an Kölner Grundschule

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Die Seniorin steht neben einer Schülerin und erklärt ihr eine Aufgabe,

Gisela Hennerici hilft im Unterricht, wo sie nur kann, egal in welchem Fach.

Als sie mit ihrer Arbeit als Sekretärin aufhörte, suchte Gisela Hennerici eine neue Aufgabe. Fündig wurde sie in einer Vingster Grundschule.

Leise gehen die beiden Frauen zwischen den Tischen umher, an denen die Kinder konzentriert arbeiten. Ab und zu bleibt eine von ihnen an einem Tisch stehen. Die ältere der beiden beugt sich gerade zu einem Jungen herunter, der schon länger an einer Rechenaufgabe grübelt. „Na, wie kommst du voran?“, fragt sie ermunternd und hilft ein bisschen nach: „Wenn du zwölf Karten hast und die auf vier Kinder verteilen musst, wie viele kriegt dann jedes Kind?“ Gar nicht so einfach, das „Teilen“, aber anschauliche Beispiele helfen weiter. Dann zum nächsten Kind: „Ach, du machst gerade Deutsch?“

Kathrin Wilbertz, Klassenlehrerin der 2b an der Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Lustheider Straße, beobachtet lächelnd die ruhigen, freundlichen Hilfestellungen, die ihre „Kollegin“ Gisela Hennerici den Kindern anbietet. Hennerici ist zwar keine ausgebildete Lehrerin, aber im Unterricht ausgesprochen wertvoll. „Wir haben hier Schüler, die im sozialen und emotionalen Bereich Förderbedarf haben, aber auch ein hochbegabtes Kind. Da muss man auf die individuellen Bedürfnisse eingehen und jedes Kind da abholen, wo es gerade steht“, sagt Wilbertz.

Ehrenamtler unterstützen bei der Betreuung und Förderung der Kinder

Selbstverständlich helfen sich die Kinder gegenseitig, das werde von den Lehrern gefördert, aber damit allein seien die Unterschiede in der Lerngeschwindigkeit nicht aufzufangen. Für eine einzelne Lehrerin sei es oft schwer, auf die jeweiligen Bedürfnisse der bis zu 25 Kinder in angemessener Weise einzugehen. „Wir sind für jede Hilfe dankbar.“

Diese Hilfe leistet Gisela Hennerici seit mehr als 23 Jahren. Zuvor war sie Sekretärin im Vorzimmer von Oberbürgermeister Norbert Burger. Als ihr Chef nicht erneut für das Amt kandidieren wollte, trat sie ebenfalls in den Ruhestand – und fand vor ihrer Haustür in Vingst genug zu tun. „Hier leben eine Menge Familien, denen es finanziell nicht so gut geht. Auch mit der deutschen Sprache haben viele Probleme, weil sie aus anderen Ländern kommen“, sagt die heute 81-Jährige.

„Alltagshelfer“ sind in verschiedenen Klassen und Fächern aktiv

Um den Kindern dieser Familien einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen, beschloss Hennerici, die unter anderem auch im Hövi-Land und in der evangelischen Gemeinde ehrenamtlich aktiv ist, beim Schulleiter der GGS vorstellig zu werden. Damals erfand sie sozusagen einen ehrenamtlichen Tätigkeitsbereich, der eigentlich für sie persönlich maßgeschneidert war, aber mittlerweile vom Ministerium für Schule und Bildung NRW mit einem eigenen Namen versehen wurde: Die „Alltagshelferin“ oder der „Alltagshelfer“ gehört – neben einem erleichterten Zugang zum Lehrerberuf für Seiteneinsteiger etwa – aktuell zu einem Handlungskonzept, mit dem Schulministerin Dorothee Feller (CDU) die Unterrichtsversorgung im Grundschulbereich sicherstellen möchte.

Damals hatte Gisela Hennerici mit dem Schulleiter abgesprochen, dass sie künftig Lehrer bei der Beaufsichtigung der Schüler unterstützen, aber auch einzelne Kinder, die dies benötigen, gezielt mit Einzelunterricht fördern würde. „Es gab damals schon Lesementoren, die gibt es ja heute auch noch, aber mir war das zu einseitig“, erzählt sie.  Außer bei Matheaufgaben hilft sie heute auch im Kunstunterricht und selbstverständlich beim Deutschlernen aus: „Aber nur in den ersten beiden Schuljahren. Als ich anfing, wurde gerade über die Rechtschreibreform diskutiert, das hat mich verunsichert.“

Vor 23 Jahren fing die 81-Jährige an, in der Schule auszuhelfen

Auch bei Klassenausflügen ist Gisela Hennerici als Begleiterin zur Stelle – insgesamt ein Jobprofil, wie es auch Ministerin Feller für die Alltagshelfer vorzuschweben scheint. Hennerici erzählt amüsiert, dass der Schulleiter vor 23 Jahren in den Richtlinien nichts gefunden hatte, was dieser Form des Engagements widersprochen hätte. Auch seine Nachfolger beschäftigten sie gerne weiter, da habe es nie Probleme gegeben.

Derzeit ist Gisela Hennerici an zwei Tagen insgesamt acht Stunden pro Woche an der GGS tätig, damit sich das mit ihren sonstigen ehrenamtlichen Aktivitäten – sie ist auch für die Kindernothilfe und als Wahlhelferin unterwegs – vereinbaren lässt. Auch der jetzige Schulleiter der GGS, Jörg Milbradt, ist froh, dass er sie an Bord hat: „Skeptisch wäre ich nur, wenn mit den Alltagshelfern der Lehrermangel ausgeglichen werden soll. Alltagshelfer sind als Zusatzkräfte sehr willkommen, aber sie sollten keine ausgebildeten Lehrer ersetzen.“

Seit dem 1. Mai könnte Milbradt theoretisch zusätzliche Alltagshelfer einstellen, die jeweils bis zu 30 Wochenstunden arbeiten dürfen. „Über die konkreten Arbeitsbedingungen wissen wir aber noch zu wenig, zum Beispiel, wie es mit der Bezahlung aussieht.“ Nach 23 Jahren für ihre Arbeit auch mal bezahlt werden? Gisela Hennerici könnte sich das vorstellen: „Also, wehren würde ich mich nicht allzu sehr.“

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